Edward mit den Scherenhänden
(Edward Scissorhands)
Hoch oben über einer kleinen Stadt in einem Schloss hausend, bemüht sich ein Wissenschaftler den jahrhundertelangen Traum von der Schaffung künstlichen Lebens Wirklichkeit werden zu lassen. Er kreiert ein Wesen mit menschlichen Zügen, mit einem kindlich unschuldigen Charakter und als vorläufigen Ersatz mit Scheren anstatt Händen ausgestattet. Er nennt seine Schöpfung Edward, lehrt ihn sich auszudrücken und Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Kurz bevor Edward richtige Hände bekommen soll, stirbt sein mittlerweile sehr alt und schwach gewordener Schöpfer und Edward bleibt für lange Zeit alleine.
Jahre (oder gar Jahrhunderte?) später klingelt eine Avon-Beraterin an der Schlosstür und findet Edward. Aus Neugier und Hilfsbereitschaft nimmt sie ihn mit zu sich und ihrer Familie in die Stadt. Dort kann Edward durch seine offene kindliche Art die anfänglichen Zweifel und die Abscheu der Einwohner vor seinem vernarbten Äusseren und den furchterregenden Scherenhänden überwinden und macht sich als kreativer Gärtner und Friseur nützlich. Und Edward entdeckt in der Tochter seiner Gastfamilie seine grosse Liebe, die ihn bald darauf in grosse Schwierigkeiten und der Geschichte eine tragische Wendung bringen wird.
Ein herrlicher Film, der nicht nur mit einer märchenhaften Geschichte, sondern auch mit allesamt überzeugenden Darstellern glänzen kann. Vincent Price in seiner letzte Rolle, als genialer und warmherziger Wissenschaftler, der sich einen letzten Traum erfüllt, zeigt hier nochmal was für ein grandioser Schauspieler er war und dieser Charakter wird seiner Abschiedsvorstellung mehr als gerecht. Johnny Depp als Edward ist ein Hochgenuss. Trauriger und mit mehr Gefühlen kann man diese tragische Figur kaum spielen. Sein weibliches Gegenüber, Winona Ryder, überzeugt als hin- und hergerissener Teenager, die einerseits ihren starken Gefühlen zu Edward nachgeben möchte, andererseits aber den Norm entsprechen will um dazuzugehören.
Eigentlich könnte man meinen, dass Edward eben nur eine modernere Fassung von Mary Shelley's Frankenstein ist, aber die Parallelen beziehen sich nur auf die oberflächlichen Elemente der Idee der Schaffung eines künstlichen Menschen. Im Gegensatz zu Frankensteins Monster besitzt Edward Dank seines Schöpfers tiefgreifende menschliche Eigenschaften, wie Mitgefühl, aber auch ein Bewusstsein für seine eigene Situation und dem Dilemma in dem er sich befindet. Auch bei all den lustigen Elementen des Films (Edward als Figaro), gelingt es Tim Burton (Regie) der Geschichte unglaublich viel Tiefgang mitzugeben. Der Tragik der Hauptfigur kann sich niemand verschliessen. Burton führt die gesellschaftliche Norm vor und zeigt, dass Intoleranz und Ablehnung nur ins Unglück führen. Das Andersein von Edward und die umschlagende Stimmung der Einwohner, sowohl von einem ins andere Extrem lassen uns mit Edward mitfühlen und mitleiden.
Neben einem fabelhaften und kaum zu übertreffendem wunderschönen Soundtrack von Komponist Danny Elfman, beschert uns Edward noch etwas: ein paar der schönsten und romantischsten Momente der Filmgeschichte. Wenn Edward z. B. seine grosse Liebe als Eis-Skulptur darstellt und es dabei schneien lässt und darauf auch wieder am Ende des Films von einer greisen Winona Ryder Bezug genommen wird, muss eigentlich jeder schlucken und schwelgen.
Ganz ganz grosses Gefühlskino für alle, die noch träumen wollen und meiner Meinung nach einer der schönsten Filme, die es bis heute gibt.
DVD besorgen, angucken und träumen. Soundtrack besorgen, anhören und träumen. Und dann kann man sich freuen, dass man ein ganz herrausragendes Stück Film- und Filmmusikgeschichte daheim stehen hat.
Gruss,
Doc