Inhalt (Quelle: Amazon.de):
Die Universität von Imre ist weithin bekannt für ihre Gelehrsamkeit. Die besten Köpfe zieht sie an, die Rätsel der Wissenschaft, des Handwerks und der Alchemie zu entschlüsseln. Aber tief unter dem lebendigen Treiben in ihren Hallen erstreckt sich ein Netz verlassener Räume und alter Gänge. Im Herzen dieses höhlenartigen Labyrinths lebt das Mädchen Auri. Das »Unterding« ist ihr Zuhause. Die kalte, trügerische Rationalität der Menschen, die über ihr leben, hat sie hinter sich gelassen und sie dringt tief in das Geheimnis der Dinge ein. Eine Geschichte voll betörender Bilder und magischer Spuren, wie sie nur Patrick Rothfuss erzählen kann. »Die Musik der Stille« fügt der Welt der Königsmörder-Chronik eine ganz eigene, faszinierende Geschichte hinzu.
Englischer Titel: The Slow Regard Of Silent Things
Meine Meinung:
Im Vorwort - und dann ausführlich im Nachwort - entschuldigt sich der Autor für diese Geschichte. Weil sie nichts hat, was man von einer Geschichte gemeinhin erwartet. Dialoge. Handlung. Spannungsbogen. Er gibt zu bedenken, dass vielen die "Geschichte" nicht gefallen wird.
In der Tat, sie ist sehr ungewöhnlich. Aber indem man andere Sachen imitiert und den hundertsten 0815 Roman schreibt, schafft man auch keine Unikate. Vielleicht mag diese Geschichte auf den ein oder anderen befremdlich wirken - mich hat sie zutiefst beeindruckt. Und ich denke, die, die sich für Literatur interessieren, werden da nichts einzuwenden haben. Das hier ist "mehr" als nur eine Geschichte.
Auri - die Heldin hier - ist zutiefst ungewöhnlich, sie ist geistig nicht so ganz gesund, lebt in einem längst vergessenen Kellergeschoss und sieht die Welt sehr viel anders als "normale" Leute. Es ist einfach nur meisterhaft gelungen, diesen Charakter und seinen Tagesablauf so zu schildern, dass man zum einen Auri versteht, zum anderen aber auch gleich ihre Andersartigkeit erkennt. Ich würde nie so denken können wie Auri es tut. Ich würde es ziemlich aufregend finden, ein altes, längst vergessenes Zimmer einer einstmals wohl reichen Dame zu finden. Allerdings nicht, um es dann so sein zu lassen, weil sich die Dinge dann gut fühlen . Erstaunlich, wie man plötzlich, animiert durch Auris Sicht der Dinge, anfängt, zu DINGEN eine emotionale Bindung aufzubauen, als wären sie Personen. Als wäre die Treppe der Tischnachbar, mit dem man nicht so gut auskommt. Oder die Bettdecke dein treuer Freund. Klingt konfus und irr - im Buch ist es aber nicht so. Und das ist eine Meisterleistung .
Da man Auri nur aus Kvothes Sicht kennt, wird hier in der Geschichte eine völlig neue Perspektive geboten. Eigentlich tut sich schon ein ganz neues Universum auf. Ich werde den nächsten Band der Königsmörder-Chroniken auf jeden Fall ganz anders lesen!
Ach ja, einen Satz dazu: Wenn man Band 1 und 2 der Königsmörder-Chroniken nicht gelesen hat, dann sollte man auch auf jeden Fall die Finger von diesem Bändchen lassen - es wäre völlig unverständlich.
Dann zu den Sachen, die laut Autor dieser Geschichte fehlen. Stimmt, es gibt keine Spannung im Sinne von: Welt wird vom bösen Herrscher bedroht, Held macht sich auf den Weg und nach einigen Hindernissen besiegt er den Bösewicht. Aber die Geschichte hat ihre eigene Art von verdrehter Spannung. Nicht im konventionellen Sinne, das nicht. Aber man weiß, dass Auri auf den siebten Tag wartet. Und man spürt ihre Dringlichkeit, bis dahin alles erledigt zu haben. Dinge, die für uns nicht nachvollziehbar sind, Dinge, die wir niemals als zu erledigen ansehen würden. Und diese Dringlichkeit zieht sich wie ein Roter Faden durch das Werk und erzeugt so seine eigene Spannung. Langweilig wird es auf keiner Seite. Dennoch ist dieses Werk so anders, dass ihm Kategorien wie "Spannung", "Action" oder "Humor" nicht gerecht werden - da lässt es sich nicht reinpressen.
Und die Sprache: Wieder großes Kino. Hier versteht jemand, wie man Worte setzen kann, dass sie sich wie eine Erkennungsmeldie durch das Stück ziehen.
Und wer weiß, vielleicht ist das wirre, einsame, komische Mädchen, das doch so unscheinbar ist und von niemandem näher beachtet werden würde, vielleicht am Ende sehr viel mächtiger, als all diese Ignoraten zusammen.
Fazit:
Die Geschichte ist in vielerlei Hinsicht mehr als ausgezeichnet. Ich würde sie nicht als konventionelle Novelle einschätzen - jemand, der konventionelle Unterhaltung sucht, kann hiermit wirklich nicht falscher liegen. Etwas ähnliches hatte ich noch nie zum Lesen und ich bin froh, dass ich darüber gestolpert bin. Es wird wohl nur Leute geben, die dieses Buch lieben oder hassen - dazwischen wird es da nichts geben. Ich für meinen Teil geselle mich zum Fanclub.
Insgesamt eine höchst sonderbare Geschichte, die nicht weniger als die volle Punktzahl hier bekommt. Es ist zwar nicht DAS Lieblingsbuch von mir schlechthin, allerdings ist es auch weniger mit "normalen" Maßstäben zu messen und hat daher seine top Bewertung mehr als verdient.