'Ein Mann will nach oben' - Seiten 193 - 289 (Ende Kap. 68)

  • Ich finde, es ist nicht zu konstruiert, dass Karl mit seinem ländlichen Hintergrund Ahnung von Gärtnerei hat und durch den väterlichen Beruf Kenntnisse im Bauwesen. Dass er sich das Gespräch mit Herrn Gollmer im Schweiße seines Angesichts erarbeiten musste, gefiel mir und es bewies zudem Karls Einsatzbereitschaft, Durchhaltevermögen und Disziplin.
    Dass das Buch die Erlebnisse der Hauptpersonen während der Kriegsjahre nicht ebenfalls schildert, vermisse ich nicht. Auch finde ich, dass die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Menschen und die allgemeine Situation deutlich genug erkennbar sind.
    Was die "Herzblattfrage" angeht, würde ich ebenfalls zu Kalli tendieren.
    Allerdings verurteile ich Karl nicht so stark wie Ihr es hier tut. Sich um Minna Sorgen zu machen, ist natürlich. Er wurde quasi von ihr großgezogen, sie gab ihm sein Startkapital und sie ist nicht bei ihm; er weiß nicht, wie es der älteren Dame geht.
    Rieke sieht er jeden Tag. Und er liebt sie nicht so, wie man einen Menschen lieben sollte, wenn man ihn heiratet und dies, weil man wirklich das restliche Leben miteinander zu teilen beabsichtigt. Dass er nur sich selbst, seine Karriere und seine Selbstverwirklichung im Kopf hat, glaube ich nicht. Er spürt, dass das Leben an Riekes Seite als Chauffeur ihm nicht reicht, aber er will sie nicht absichtlich verletzen, er mag sie immer noch.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Dass das Buch die Erlebnisse der Hauptpersonen während der Kriegsjahre nicht ebenfalls schildert, vermisse ich nicht. Auch finde ich, dass die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Menschen und die allgemeine Situation deutlich genug erkennbar sind.


    Sicher hat Fallada die Auswirkungen des Krieges auf die Psyche der Menschen absichtlich nicht explizit beschrieben, um das auszudrücken, was die Menschen denken: das Geschehene vergessen und nach vorne schauen.

    Zitat

    Original von maikaefer
    Dass er nur sich selbst, seine Karriere und seine Selbstverwirklichung im Kopf hat, glaube ich nicht. Er spürt, dass das Leben an Riekes Seite als Chauffeur ihm nicht reicht, aber er will sie nicht absichtlich verletzen, er mag sie immer noch.


    Nein, absichtlich verletzt er Rieke nicht, aber leichtfertig. Egal ist sie ihm nicht. Aber es gibt wichtigeres in seinem Leben, so dass er ihre Bedürfnisse über weite Strecken seines Lebens vergisst. Kalli weißt ihn gelegentlich darauf hin. Rieke hat daran auch selbst mit Schuld. Sie lässt sich das gefallen und nimmt ihn auch noch gegen Kalli in Schutz.

  • Vielleicht konnte Fallada die seelischen Auswirkungen auch nicht detaillierter schildern, weil man die damals noch nicht so gesehen hat wie heute.
    Teilweise wurden die Leiden der Männer als Schwäche und Drückebergerei ausgelegt. Es hieß zB explizit, dass ihre medizinische Behandlung ihnen schlimmer erscheinen müsse, als die Front.
    Und das bei Menschen, die durch ihre schrecklichen Erlebnisse stumm geworden waren, unerklärliche Lähmungen erlitten hatten usw.
    Hinzu kommt, das extrem auf Härte, Leistung und Ehre reduzierte Männerbild dieser Zeit.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Vielleicht konnte Fallada die seelischen Auswirkungen auch nicht detaillierter schildern, weil man die damals noch nicht so gesehen hat wie heute.


    Ich hab jetzt gerade mal nachgeschaut: Das Buch kam 1953 heraus. Wieviel wusste man damals darüber? Aber vielleicht hast du recht.

  • Endlich kommt es zum Bruch mit Franz Wagenseil.


    Karl, Kalli und Rieke sparen + sparen + arbeiten und jemand wie Franz Wagenseil saugt die Firma aus für z.B. Gewächshäuser (... und tut selbst nix !!!).


    Und jetzt zeigt Franz Wagenseil sein wahres Gesicht. Mit fiesen Tricks und Unterstellungen und dem Einsatz eines Rechtsanwalts versucht er, Karl kleinzukriegen.


    (Ist es nicht eigentlich so, wenn Karl als Minderjähriger den "Knebelvertrag" unterschrieb, ist Karl doch auch nicht daran gebunden, oder?)


    Die "Zwischenfälle" mit den klapprigen Pferden, fand ich ganz, ganz schrecklich. Aber so ungewöhnlich war es zur damaligen Zeit wahrscheinlich nicht, könnte ich mir vorstellen ...


    Leider erfahren wir nicht viel über die Kriegsjahre.


    @Maikäfer


  • Wikipedia über die TV-Serie


    @ Nick:


    Als ich die Wagenseilszenen jetzt erneut las, hatte ich die ganze Zeit die Stimme des ihn damals verkörpernden Harald Juhnke im Ohr. Das war sooo grenzgenial gut. Er konnte die Rolle wirklich verkörpern, ist ja, wenn ick det richtich inna Erinnerung hab, im Wedding uffjewachsn, und hat sein Berlinerisch mit tollen Adjektiven angereichert. Von seiner Schnapsidee einer Ananasplantage sprach er mE als "pyramidal" - herrlich! :lache


    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

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  • Zitat

    Original von Nick


    (Ist es nicht eigentlich so, wenn Karl als Minderjähriger den "Knebelvertrag" unterschrieb, ist Karl doch auch nicht daran gebunden, oder?)


    Das haben wir oben auch diskutiert. Jedenfalls war es nie ein Thema im Buch. Vielleicht gab es eine altersabhängige Staffelung, welche Verträge wann geschlossen werden dürfen. Wie alt war Karl eigentlich, als der diesen Vertrag abgeschlossen hatte? Wenn er schon 18 war, war es vielleicht schon rechtmäßig. Es ist doch heute auch so, dass ein Minderjähriger gewisse Verträge abschließen kann.


    Oder hat tatsächlich keiner dran gedacht?

  • Zitat

    Original von made
    Wenn er schon 18 war, war es vielleicht schon rechtmäßig.


    Damals war man erst ab 21 volljährig. Von 18 bis 21 war man Heranwachsender. Das BGB gibt es seit 1900, ich gehe daher davon aus, dass das in den Zwanzigern noch die Altersgrenzen waren. Volljährigkeit mit 18 gibt es erst seit ca. der Siebziger.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Vollj%C3%A4hrigkeit#Deutschland

  • Zitat

    Original von xexos


    Damals war man erst ab 21 volljährig. Von 18 bis 21 war man Heranwachsender. Das BGB gibt es seit 1900, ich gehe daher davon aus, dass das in den Zwanzigern noch die Altersgrenzen waren. Volljährigkeit mit 18 gibt es erst seit ca. der Siebziger.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Vollj%C3%A4hrigkeit#Deutschland


    Was ich damit sagen wollte:


    So wie auch heute nicht jeder Vertrag zwangsweise Volljährigkeit vorraussetzt, war es damals sicher auch (eingeschränkte Geschäftsfähigkeit). Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Vertrag mit Wagenseil in diese Kathegorie fällt. Anfechtbar war er sicherlich gewesen.


    Was mich allerdings wundert, ist, dass Fallada diesen Punkt, nämlich die Gültigkeit des Vertrags, nie zum Thema gemacht hat. Dabei lässt er doch bereits den Nähmaschinenhändler zu Karl und Rieke sagen, dass Verträge mit Kindern verboten sind. Ich finde, das passt irgendwie nicht zusammen.

  • @ made: Ich stelle mir vor, dass Fallada ganz bewusst darauf verzichtet hat. Immerhin erzählt er die Geschichte in erster Linie aus Sicht des "Titelhelden". DER weiß es eben NICHT. Und es macht ihn auch keiner direkt darauf aufmerksam bzw er zieht nicht die richtigen Konsequenzen daraus.
    Bis der Groschen fällt

    , dauert es ja auch.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)