Die amerikanische Nacht - Marisha Pessl

  • Originaltitel: Night Film (2013)
    Random House 2013, gekürzte Hörbuchfassung, 8 CDs, Gesamtspielzeit ca. 600 Min.


    Über den Inhalt:
    Tief unten im Schacht leuchtet rot ihr Mantel. Ashley ist tot – erst 24 Jahre alt - eine Leiche in einer verlassenen Lagerhalle Manhattans. Ein Unfall? Oder Selbstmord? Und was hat Cordova, der übermächtige Vater und besessene Filmemacher mit ihrem Tod zu tun? Der Schlüssel zum Geheimnis liegt in seinen magischen Filmen, die nach und nach zu einer Wirklichkeit werden, aus der es kein Entkommen gibt.


    Über die Autorin:
    Mit „Die alltägliche Physik des Unglücks“ wurde Marisha Pessl 2006 weltweit als literarisches Wunder gefeiert. Nach sieben Jahren kommt sie mit einem donnernden Paukenschlag, ihrem neuen Roman „Die amerikanische Nacht“ zurück. Marisha Pessl wurde 1977 in North Carolina geboren und studierte Englische Literatur an der Columbia University. Sie lebt in New York.


    Über die Sprecher:
    Wolfram Koch, geboren 1962 in Paris, debütierte schon als 13-jähriger in der Romanverfilmung „Ansichten eines Clowns”. Seit der Schauspielausbildung in Frankfurt spielt er an wechselnden Bühnen in ganz Europa. Auch ist er in zahlreichen Fernseh- und Kinoproduktionen zu sehen. Koch spricht immer wieder Hörbücher und Hörspiele.
    Uli Edel, geboren 1947, ist ein renommierter Film- und TV-Regisseur. Zuletzt erregte sein ZDF-Dreiteiler „Das Adlon. Eine Familiensaga“ großes Aufsehen und wurde von Presse und Publikum gleichermaßen gefeiert.


    Meine Meinung:
    Der Bericht der New York Times über den Tod der schönen und geheimnisvollen Ashley Cordova, 24-jährige Tochter des Filmregisseurs Stanislas Cordova, ruft den Journalisten Scott McGrath auf den Plan. Er vermutet, dass Ashley unter zwielichtigen Umständen gestorben sein könnte. Seiner Überzeugung nach verbirgt Cordova einige Leichen im Keller und Scott sieht seine Chance gekommen, sich an ihm zu rächen. Cordova hatte seine Karriere vor Jahren zu Fall gebracht, als Scott eine Enthüllungsstory über ihn schrieb. Der völlig zurückgezogen lebende Cordova gibt keine Interviews, auch aus seinem Umfeld dringen keine Informationen nach außen. Das einzige Medium, durch das er sich der Welt mitteilt, sind seine Horrorfilme. So hat sich ein regelrechter Kult um seine Person und seine Werke entwickelt.
    Bei seinen Nachforschungen begegnet Scott dem Garderobenmädchen Nora, sie hatte Ashley als letzte lebend gesehen, und Hopper, einem Drogenfreak, der Ashley bereits in ihrer Jugend kannte. Beide schließen sich ihm an und zu dritt versuchen sie Einzelheiten darüber herauszufinden, wie Ashley ihre letzten Tage verbrachte und wer oder was sie in den Tod getrieben hat.

    Marisha Pessl lässt genüsslich jede Menge Horrorelemente in die Geschichte einfließen: von Schwarzer Magie, dunklen Geheimgängen, düsteren Schlössern bis hin zu gefährlichen Giftpflanzen, Voodoo und Okkultismus, undurchsichtigen Gestalten wird alles aufgeboten, was die Trickkiste zu bieten hat. Gelegentlich empfand ich die Sprache als zu üppig, zu überladen, gespickt mit zu vielen Adjektiven und mit Vergleichen, die sich dem Zuhörer praktisch aufdrängen.


    Es gibt eine Vielzahl an zwielichtigen, schwer greifbaren Charakteren, wobei weder Cordova noch seine Tochter in dem Buch auftauchen. Und doch sind sie die Hauptfiguren und die ganze Zeit über so präsent, dass die eigentlichen Protagonisten in den Hintergrund treten und vor allem McGraths gewöhnungsbedürftige Begleiter eher blass erscheinen.


    Immer wieder wird die Handlung unterbrochen durch Zeitungsmeldungen, Notizen, Blogeinträge oder Mitschnitte aus Telefongesprächen, die dem ganzen einen dokumentarischen Charakter geben. Filmzitate aus echten Filmen wie „Einer flog über das Kuckucksnest“ oder „Shining“ verstärken den Eindruck, dass auch Cordova und seine Filme real sein könnten und nicht nur der Phantasie der Autorin entsprungen sind.


    Die Autorin erzeugt eine beklemmende, unheimliche Atmosphäre, irgendwie schattenhaft und ein bisschen melancholisch. Das Spiel mit Realität und Fiktion gelingt auf derart virtuose Art, dass man irgendwann nicht mehr weiß, auf welcher Erzählebene man sich befindet. Spätestens in dem langen, angenehm alptraumhaften Abschnitt gegen Ende wirft Pessl alle Vorsicht in Sachen Plausibilität über Bord. Das tut der Unterhaltsamkeit und somit dem Hörvergnügen aber keinen Abbruch.

    Zum Schluss hin treiben die Puzzleteile langsam aufeinander zu und man merkt, wie raffiniert die ganze Zeit über wichtige Informationen als überflüssige Details getarnt wurden.
    Und wenn das Buch schließlich endet, hat Pessl alle Fragen beantwortet, allerdings mit noch mehr Fragen, die sich als Antworten tarnen. Es bleibt dabei der Interpretation des Hörers überlassen, das Ende zu deuten, mehrere Versionen sind möglich.


    Der Roman wird großartig gelesen von Wolfram Koch, dessen leicht spröde Stimme perfekt zu der Geschichte passt.
    Nur Ulrich Edel als Sprecher der Zeitungsartikel, Notizen und Blogeinträge war für mich eine Zumutung. Ich mag es nicht, wenn der Dialekt eines Sprechers so deutlich zu hören ist. Noch dazu ein bayerischer. Die englischen Begriffe und Namen spricht er seltsam unbeholfen aus. Leider führt das zu einem kleinen Punktabzug.

    Ach ja: Nicht weiter verwunderlich, dass eine Verfilmung bereits feststeht: 2016 unter der Regie von Rupert Wyatt („Planet der Affen: Prevolution“).