'Die Stadt der schweigenden Berge' - Seiten 482 - Ende

Zitat

Original von nicigirl85

Ich habe zwar bisher nur 3 Charlie- Bücher gelesen (Kinder des Meeres, Als wir unsterblich waren und dieses), aber mich hat dieses wirklich am meisten fesseln können. I

Mich auch.
Weshalb es das einzige Charlie-Buch ist, was ich gelesen habe.
Und weshalb es mich sehr freut, dass es jemandem genauso ging.

Ich bedank mich auch hier nochmal herzlich. Und entschuldige mich fuer die Effekthascherei, die ich mir eigentlich haette verkneifen sollen, die aber ein bisschen zu unwiderstehlich war.

Alles Liebe von Charlie

Ich hab meine Tante-Frieda-Natur hier ja nun mehr als offen bekannt, ich haett's nicht durchgezogen, wenn ich's ihm nicht zutrauen wuerde.
Und wie gesagt, in Anbetracht der nachfolgenden Ereignisse kann eine Hoerschaedigung ein Blessing in disguise sein.

My pleasure.

Hab ich hier schon mal erzaehlt - oder ist eh bekannt, dass der grandiose Mann, der's entziffert hat (George Smith) sich in dem Augenblick, in dem ihm klar wurde, was er da in der Hand hielt ("Wall, wall ..."), sich (im Museum) vor Begeisterung splitternackt ausgezogen hat?

Nein, das ist keine urban legend, der war halt so, und ich verdenk's ihm nicht.

Ich glaub, im ganzen Museum ist das die Lieblingsgeschichte, und keiner erzaehlt die so groovy wie Irving Finkel. Als waer er dabei gewesen.

Dass in Smith' so geliebtem Ninive gerade wieder alles kaputt geschlagen wird, dass da, falls ueberhaupt in unserer Lebenszeit nochmal Menschen hinkommen, weil sie cuneiform lieben, vermutlich nichts mehr da ist, mit dem sich arbeiten laesst, macht mich heute einmal mehr sehr traurig.

Als mir vor unserer ersten Armenien-Reise eine Kollegin froehlich gesagt hat: "Armenien ist Mittlerer Osten fuer Anfaenger", haben wir uns auf "Mittlerer Osten fuer Fortgeschrittene" noch so sehr gefreut. Das ist erst ein Jahr her. Nicht zu glauben.

Sorry, ich wollt hier nicht die Stimmung versauen.

Zum Ausgleich hier noch unser Arch tablet. Das Original - denn das wird vorerst nicht ausgeliehen.
Das ist das, was irgendso'n Heini von seinem in Mesopotamien stationierten Officer Daddy ZUM EXAMEN geschenkt bekommen und dann jahrzehntelang nicht rausgerueckt hat.

Noch aelter als das Flood tablet. Beginnend mit "Wall wall", vielleicht die aelteste Sintfluterzaehlung, die wir derzeit haben.

Liegt bei irgendnem Examensmacher in der Glasvitrine rum, und der, der's lesen kann, kommt nicht dran.
Na ja. Jetzt ist es ja da, wo's geliebt, bearbeitet und der Welt gezeigt wird.

Klar, beowulf, schlimmeres gibt es immer. Aber mit diesen Dokumenten muss gearbeitet werden, sonst kommen wir mit diesen Forschungen nicht weiter. Leute wie Irving Finkel sind uebrigens auch absolute Ausnahmebegabungen, die so wenig wie Gilgamesch gegen die Sterblichkeit vorgehen koennen. Ich finde es skandaloes, dass solche Dinge, die Menschheitserbe darstellen, den wenigen, die faehig sind, entscheidende Schluesse zu ziehen, nicht zur Verfuegung stehen.

Und diese Dokumente stehen uns allen zu. Denen, die sie sehen wollen, nicht einem einzelnen, der sie irgendwo zwischen Porzellankitsch stapelt.

IS taugt da fuer mich eher als Gegenargument.

Ich plaediere hier ja nicht fuer Rueckfuehrung, God in heaven, und meine irakischen Kollegen schon gar nicht. Wir sind alle heilfroh, dass das Ishtar Tor (das es so, wie es ist, ja ohnehin nicht gaebe ohne die Berliner Arbeit) steht, wo es steht, und auch ueber jeden anderen vor Gewalt geretteten Schatz aus der Gegend (ich schreib da'n Buch drueber. Unter anderem ...). Man moechte sie gerade der Tage staendig in ihren Hallen besuchen und zumindest hinter Glas streicheln. Das scheint vielen Menschen so zu gehen. Sie sind staendig umringt.
Ich plaediere nicht einmal unbedingt fuer Enteignung, wobei fuer mich hier schon die Frage, wie die Inbesitznahme zustande gekommen ist, entscheidend ist, sondern fuer Verfuegbarkeit zu Forschungszwecken.
Wobei Fundstuecke wie das Ark Tablet so einzig und wichtig sind, dass wir alle das Recht haben, das zu sehen. (Und das war fuer mich auch ein Thema, fuer das ich mein Buch schreiben wollte. Und noch eins. Unter anderem ...)

Entschuldige bitte den Vergleich, aber fuer mich ist das so:
Gorillas in seiner Wohnung halten darf kein Mensch.
Gorillas im Zoo halten darf man, weil es wichtig ist, dass wir ueber ihre Erhaltung forschen koennen, und weil wir wollen, dass Menschen sich ansehen koennen, wie wunderschoen ein Gorilla ist. Wie perfekt und tausendfaeltig die Natur, wie grossartig und unentbehrlich Artenvielfalt.
Da kann man dagegen sein und protestieren: Gorillas gehoeren in ihre afrikanischen Heimatlaender. Auch wenn sie dort durch menschliches Beknacktsein gefaehrdet sind.
Aber darueber, dass Gorillas nicht in Wohnungen gehoeren, sind wir uns alle einig.

Ich lieb Gorillas und ich lieb unser Ark Tablet. Wenn es eines Tages (!) ungefaehrdet zurueck in seine Heimat gehen kann, weine ich ihm nach und freu mich krumm und hoffe, dass ich dann noch nen netten Urenkel hab, der seine Uroma ins Flugzeug rollt, damit ich's nochmal sehen kann.
Wenn es zurueck zu dem Heini (der ist inzwischen tot, es bleibt jetzt da, wo's hingehoert!),geht, fuer den es halt so ne Tonscherbe war, in die Kiste muesste, faende ich das empoerend und wuerde auf jede Barrikade gehen, die ich finde.
So wie gegen Gorillas in Wohnungen.

Es gehoert in ein Museum, damit wir sehen koennen, wie wunderschoen es ist, wie fantastisch das Erbe, das uns hinterlassen ist.
Das ist uebrigens auch ein Mittel, um Menschen aufzuwecken und sie bereit zu machen, nach ihren Kraeften zu helfen. Irak, das sind nicht schwarz verhuellte Frauen und zaehnefletschende Moerder irgendwo an so einem komischen Ost-Ende der Welt, Irak ist Mesopotamien, ist Uruk, ist Gilgamesch, ist nicht die Wiege, sondern die Gebaermutter unseres Denkens.
Das muss man vielen Menschen erst zeigen, und dazu braucht man Ark Tablets. In Museen wie unserem, die keinen Pfennig Eintritt kosten. Die ein riesiges Portal haben, das sagt: Come in and have a look.

Love,
Charlie

Das was draufstand, wird er wohl schon gewusst haben, denn sonst haette er es ja nicht zu Irving Finkel getragen und gefragt, ob er ihm sagen koennte, was das ist.

Ob er danach einschaetzen konnte, was es bedeutet, weiss ich nicht. In jedem Fall hat er's auf Jahrzehnte wieder mit nach Hause genommen und in seiner Vitrine oder wo auch immer versteckt. Eine ziemlich Tortur fuer einen Keilschriftexperten.
Irving Finkel hat ihn dann in der grossen Babylonausstellung 2008, die er als Kurator betreut hat, wieder gesehen und noch einmal beschworen, es herauszugeben. Da hat er es dann getan.

Ich bin sehr froh, dass es ist, wo es ist. In Sicherheit. Selbst im Kriegsfall.

jusch!

Warum hast Du ihn nicht zu mir geschickt?

Ich vermisse ihn so.

Bei uns um die Ecke hat der allerreizendste tuerkische Frischwarenhaendler von Bethnal Green seinen Laden betrieben, und der sah ganz genau so aus wie Buelent und hatte auch dieselbe Stimme. Ich bin da jeden zweiten Tag hin, ich war dessen bester Kunde. Zu Hause habe ich so oft "Ich geh zu Bueyuekbaba" gesagt, dass mein juengster Sohn mich schon des Rassismus bezichtigt hat, weil man beim englischen Gemueseladen ja auch nicht sagt: "ich geh zu Grandpa".
Aber ich bin da so gern hingegangen!

Seit wir umgezogen sind, ist der viel zu weit weg und ich komme da nicht mehr hin.
Und jetzt ist er offenbar bei Dir gelandet ...

Alles Liebe von Charlie (doof)