Okay, ich habe Michael Keaton auch in seiner vermeintlichen Glanzzeit - wann war die eigentlich? - nie als Superstar wahrgenommen. Meine erste Begegnung mit ihm fand im Jahr 1983 statt, als die US-Filmkomödie "Nightshift" auf Video veröffentlicht wurde; sie schaffte es hierzulande nicht in die Kinos. Sechs Jahre später verkörperte er den Betelgeuse in einem der ersten Tim-Burton-Filme, nämlich "Beetlejuice". Diesen Film fand ich absolut nervtötend. Dann hat Keaton in zwei (von wie vielen eigentlich?) Batman-Verfilmungen mitgespielt, die an mir ebenso vorbeigingen wie alle anderen. Comicverfilmungen sind nach meinem Dafürhalten ein sehr merkwürdiges, vor allem aber merkwürdiges Genre.
Wie auch immer.
Der Schauspieler Riggan Thompson war eine solche Comicfigur, nämlich "Birdman" - irgendwann vor Jahrzehnten, in insgesamt drei Filmen, die seinerzeit extrem erfolgreich waren. Nun ist Thomspon in den Sechzigern (Michael Keaton, der ihn spielt, ist 1951 geboren). Seine Ehe ist gescheitert, seine Tochter entfremdet, Thompson ist faktisch pleite. Am New Yorker "St. James" will er nach einer Kurzgeschichte von Raymond Carver ein Stück inszenieren, und darin auch die Hauptrolle spielen. In "Birdman" erlebt der Zuschauer drei Tage mit, vorwiegend am und im Theater - erste Vorpremiere, zweite Vorpremiere, Premierenabend. Der Film ist so geschnitten, als würde er nur aus einer einzigen Einstellung bestehen. Begleitet von intensivem Schlagzeuspiel eilt die Kamera den Figuren hinterher, wechselt fließend zwischen ihnen. Das ist technisch fraglos brillant gemacht, und auch die Schauspieler - Keaton, Edward Norton, Zach Galifianakis, Emma Stone, Naomi Watts - agieren sicher großartig.
Und dennoch.
Das Prinzip "Form follows function" scheint hier auf seltsame Art umgekehrt zu sein. Ich verstehe, dass dieser Film beklatscht und für allerlei Preise nominiert wird, denn er überzeugt technisch - und er ist, vor allem, hollywoodkritisch, was offenbar immer gut ankommt. Keatons Mut zur Selbstdemontage ist bewundernswert, wenn er etwa in der Feinripp-Unterhose über den Times Square rennt. Trotzdem hinterließ mich das Spektakel sehr unbefriedigt, weil ich die vielen Konflikte, die der Plot zu bieten hat, gleichsam als gespielt wahrgenommen habe. Auf mich wirkte der Film steril und überwiegend unecht. Halbwegs gepackt hat mich nur Keatons Auseinandersetzung mit der mächtigen Theaterkritikerin Tabitha Dickinson (Lindsay Duncan), aber auch in diesen Szenen war die Visualisierung letztlich stärker als der eigentliche Konflikt, der dadurch auf die Behauptungsebene verschoben wurde.
"Birdman" ist ein interessanter und ungewöhnlich gemachter Film, aber er funktioniert nach meinem Gefühl nicht, weil er der Oberflächlichkeit der Filmmaschine nur eine andere Oberflächlichkeit entgegensetzt, die man durch angestrengt visualisierte psychologische Probleme mit einem Kern zu versehen sucht. Anders gesagt: Sämtliche Figuren in diesem Film sind unterm Strich völlig uninteressant, weil sie nur mit sich selbst beschäftigt sind. Das ist natürlich auch ein Konfliktstoff, der aber hier vertuscht wird. Folgerichtig nutzt das halboffene Ende ein - immerhin gut vorbereitetes - Schlupfloch, das von der Frage, was das nun eigentlich alles sollte, wenigstens vorübergehend ablenkt.