Henstedt-Ulzburg ist ein kleiner verschlafener Ort vor den Toren Hamburgs.
Verschlafen?
Mitnichten!
Denn am gestrigen Abend zeigte dieser Ort eindrucksvoll das auch das literarisch-kulturelle Leben in Schleswig-Holstein nicht am Boden ist – sondern – ganz im Gegenteil - lebt!
In der Stadtbücherei las Dieter Neumann. Thriller- und Krimiautor.
Sein Buch „Das Erbe der Wölfin“ stand im Mittelpunkt der Lesung vor rd. 30 bis 35 Zuhörerinnen und Zuhörern.
Die 120 Minuten (manche würden ggf. auch sagen: 2 Stunden) vergingen wie im Flug. Denn der Autor las nicht monoton und stur vom Blatt ab – nein, es war vielmehr ein „vorlesendes Entertainment“.
Dieter Neumann „liest nicht einfach nur vor und ab“ - er schafft es, das die gelesenen Texte vor den Augen der Zuhörer fast lebendig werden, das die gelesenen Seiten zu wirklichen Bildern im Kopf werden. Es sind diese kleinen Gesten, diese Mimik und die verschiedenen Stimmvariationen – die eine solche Lesung zu einem schönen und nachhaltigen Erlebnis machen.
Der Autor nimmt seine Zuhörer „mit in das Buch“, lässt sie an der erzählten Geschichte teilhaben und macht sie so zu aktiven Zuhörern.
Der erste Teil des Abends bestand aus dem Lesen des Prologs und des ersten Kapitels, im zweiten Teil gab es dann hochinteressante Erläuterungen zu diesem Buch, zu den politischen und geschichtlichen Hintergründen und auch zur Motivation des Autors, gerade dieses Buch zu schreiben.
Es wurden Fragen gestellt und auch der Autor ließ es sich nicht nehmen sein Publikum etwas zu fragen:
„Weiß jemand wie es beim HSV steht?“
Zeigte es doch, Dieter Neumann ist ein Autor der einen solchen Abend lebendig zu gestalten weiß, der nicht verkniffen und von einem gedachten Sockel auf seine Leser blickt – sondern der auch humorvoll agiert wenn es angebracht ist und auch den notwendigen Ernst an den Tag legt, wenn dieser gefordert ist.
Es herrschte eine – man könnte fast sagen - gespannte Aufmerksamkeit, die immer mal wieder durch einen kleinen Scherz, ein Bonmont vom Autor aufgelockert wurde. Es war einfach die perfekte Mischung aus Spannung, eine Prise Humor, in der Dosis dem Thema angemessen und dem Freiraum für eigene Gedanken und Interpretationen.
Und ich denke, jeder der Anwesenden nahm die Erkenntnis mit: Dieser Autor weiß genau worüber er schreibt. Auch wenn die Geschichte Fiktion ist – so ist ihr Realitätsbezug doch gegenwärtig und teilweise auch erschreckend.
Es war ein sehr gelungener Abend. Und die, die nicht dabei waren, die haben wirklich etwas versäumt; die aber, die dabei waren, die werden ihr Kommen unter Garantie nicht bereut haben.
Wer das literarische Leben in Schleswig-Holstein unterschätzt oder meint das würde es eh nicht geben – der wurde an diesem Abend eindrucksvoll eines Besseren belehrt.