Asylbewerber in KZ Außenstelle?

  • Liebe Miteulen,
    ich habe heute einen interessanten Artikel bei Spiegel Online gefunden. Laut diesem soll ein Gebäude in Augsburg, eine ehemalige Fabrikhalle und Teil des KZ Dachau zum Asylbewerberheim umfunktioniert werden.
    Hier der Artikel dazu
    Die Meinungen dazu sind sehr konträr, sie reichen von "absolut dafür" bis zu "das Ende der Erinnerungskultur".
    Ich selbst könnte mir nur wenig bessere Verwendungszwecke für diese Halle, die ungenutzt leer steht, denken. Wo früher Menschen gequält und ausgenutzt wurden aufgrund ihrer ethnischen Herkunft könnten jetzt Menschen, die ebenfalls auf der Flucht vor Quälern sind, eine Unterkunft finden. Ich halte das für eine wesentlich bessere Erinnerungskultur als ein verstaubendes Museum.
    Wie ist eure Meinung dazu?

  • In Schwerte gibt es ein ähnliches Ansinnen, dort gab es eine Außenstelle des KZ Buchenwald.


    Inwieweit es der deutschen Erinnerungskultur zuträglich ist, traumatisierte Menschen, die aus ihrer Heimat vor Verfolgung und Krieg fliehen mussten, in einem Gebäude unterzubringen, das in einer derart engen Verbindung zum Holocaust steht, erschließt sich mir allerdings nicht. Wäre ich ein Flüchtling, würde ich nicht in einer ehemaligen KZ-Lagerhalle wohnen wollen.


    Edit: Rechtschreibung

  • Ein schwieriges Thema. Und merkwürdig die Argumentation der Gegner dieses Vorhabens. Ist Erinnerungskultur wichtiger, als Menschen hier und heute zu helfen?


    Aber mir kam spontan derselbe Gedanke wie Tilia Salix. Insbesondere da das Untergeschoss ja weiter als Gedenkstätte genutzt werden soll. Wie geschmacklos ist das bitte, traumatisierten Menschen, die Ähnliches durchleben mussten, eine derartige Unterkunft anzubieten?
    Und noch geschmackloser finde ich, dass die Gegner dieses Vorhabens vom "Ende der Erinnerungskultur" reden und offenbar niemand an die Flüchtlinge denkt.


    Würde man den Ort komplett als Gedenkstätte aufgeben, puh, dann wär ich vielleicht sogar dafür. Erinnern kann man sich auch ohne leerstehende Häuser. Aber hier scheint man allen gerecht werden zu wollen. Und raus kommt nur Murks. Die Anhänger der "Erinnerungskultur" sind unzufrieden, weil... na ja, so ganz versteh ich nicht, was sie so dramatisch daran finden, dass dort Menschen geholfen werden soll, wenn die Gedenkstätte erhalten bleibt. Und den Flüchtlingen ist sicherlich kein Gefallen damit getan, an so einem Ort leben zu müssen. Es sei denn, sie wüssten gar nicht, wofür diese Halle vor 70 Jahren mal genutzt wurde.
    Aber so ein Wischiwaschi hilft keinem.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

  • Interessehalber habe ich mal eine Suche angefangen nach Lagerhallen u.ä. in Augsburg, dabei bin ich auf dieses Angebot z.B. gestoßen.
    http://www.immobilienscout24.d…e/78668142?featureTest=f2
    Mit 1,75 Millionen Euro könnte man hier sicherlich menschenwürdige Unterkünfte schaffen, ich behaupte nicht, dass das jetzt Die Lösung wäre, aber es müsste einer Stadt Augsburg doch möglich sein, jeder Diskussion durch eine vernünftige Alternative aus dem Weg zu gehen, es gibt schon viele Gedenkstätten und auf diese wartet man schon zig Jahre, da kommt es auf ein paar weitere auch nicht an.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Menschen zu helfen finde ich gut, aber muss das ausgerechnet in einem ehemaligen KZ-Lager sein? Es gibt soviel leerstehende Gebäude in ganz Deutschland und ausgerechnet dort sollen sie unterkommen?
    Ich kann Talia Salix nur zustimmen: wäre ich ein Flüchtling, dem schlimmes wiederfahren ist, würde ich nicht darin leben wollen, wo doch jeder weiß wieviel Schreckliches der Holocaust gebracht hat. Zumal sie täglich daran erinnert werden, wenn im Untergeschoss weiterhin ein Museum bestehen bleibt, der verdeutlicht, was dort früher geschehen ist. KZ ist ein Wort für mich, das immer mit Grausamkeit in Verbindung steht und daher finde ich persönlich die Idee geschmacklos.

    :lesendIlsa J. Bick - Brennendes Herz


    Es gibt mehr Schätze in Büchern als Piratenbeute auf der Schatzinsel... und das Beste ist, du kannst diesen Reichtum jeden Tag deines Lebens genießen. (Walt Disney )

  • Also, ich habe keine Ahnung, wie es in Augsburg aussieht. Ob es vielleicht bessere Alternativen geben würde. Allerdings bin ich völlig pragmatisch und sage ganz klar JA zur Unterbringung von Flüchtlingen in solchen Hallen.


    Ob Flüchtlinge da wohnen wollen? Ich denke, die wollen überall wohnen, wo sie nicht verfolgt werden und es ihnen einigermaßen gut geht. Was da vorher mal drin war oder ob das unten eine Gedenkstätte ist, wäre mir dabei völlig egal. Hauptsache, ich hätte ein Bett, eine Dusche, was zu essen und keine Todesangst mehr.


    Wenn eine leere Lagerhalle unsere Erinnerungskultur sein soll, dann brauchen wir sie nicht. Da gibt es sicher wichtigere Orte. Wobei ich nicht sagen möchte, dass es überhaupt zwingend Orte sein müssen, die erinnern.

  • Menschen kommen zu uns weil sie verfolgt werden.
    Diese Menschen brauchen eine Unterkunft, Verpflegung und Ruhe.


    Und was spricht dagegen diese Menschen in einem Gebäude unterzubringen das nachweislich Teil eines KZ's gewesen ist?


    So gut wie nichts.


    Eine solche Unterbringung nimmt kein Stück der notwenigen Erinnerungskultur weg - ganz im Gegenteil.


    Man kann sicher sein, dass die Menschen, die in diesem Gebäude während der Nazizeit gelitten haben und teilweise dort auch gestorben sind - diese Menschen wären die Ersten gewesen, anderen bedrohten Menschen zu helfen. Sie wären zusammengerückt und hätten so für die Flüchtlinge Platz geschaffen. Echte Solidarität unter verfolgten Menschen.


    In dieser Halle, in diesem Gebäude wird kein Freizeitzentrum errichtet - nein, in diesem Gebäude sollen Menschen untergebracht werden die an Leib und Leben bedroht sind.


    Wenn etwas Symbolcharakter hat, dann die Unterbringung an genau dieser Stätte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.


  • Dem ist nichts mehr hinzuzufügen :anbet


    Etwas ähnliches wollte ich auch schreiben, hätte es aber nie so gut in Worte fassen können.

    Wenn du den roten Faden verloren hast, halte nach einem anderem ausschau, vielleicht ist deiner BUNT
    (Das Leben ist (k)ein Ponyhof - Britta Sabbag)

  • Nicht immer schliesse ich mich Voltaire`s Meinung vollumfänglich an, heute schon. Besser kann man es nicht ausdrücken.


    Bei uns im Landkreis gibt es große Probleme, die Flüchtlinge einigermassen gut unterzubringen. Teilweise stehen Wohncontainer am Ortsrand total abgeschnittenvon der Außenwelt. Die Unterbringung in diesen Gebäuden kann nur besser sein.


  • Ja, sehe ich auch so - einen schöneren Arschtritt kann man dieser menschenverachtenden Ideologie doch nicht verpassen. Der Ort, an dem sie Menschen, die anders waren, ermordet haben, wird zu einer Zufluchtsstätte und somit zum Symbol dafür, dass die Ideologie in Deutschland keinen Platz mehr hat.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • Zitat

    Original von Susannah
    Der Ort, an dem sie Menschen, die anders waren, ermordet haben, wird zu einer Zufluchtsstätte und somit zum Symbol dafür, dass die Ideologie in Deutschland keinen Platz mehr hat.


    Das ist eine Chance für die Deutschen, die wir aber dann auch unbedingt nutzen müssen, sonst kommt das als Bummerang zurück. Was wird in den Zeitungen weltweit stehen, wenn die dort untergebrachten Menschen schlechte Erfahrungen machen!

  • Zitat

    Mit 1,75 Millionen Euro könnte man hier sicherlich menschenwürdige Unterkünfte schaffen, ich behaupte nicht, dass das jetzt Die Lösung wäre, aber es müsste einer Stadt Augsburg doch möglich sein, jeder Diskussion durch eine vernünftige Alternative aus dem Weg zu gehen, es gibt schon viele Gedenkstätten und auf diese wartet man schon zig Jahre, da kommt es auf ein paar weitere auch nicht an.


    In Hamburg gibt es zum Beispiel das ehemalige, leerstehende Kreiswehrersatzamt.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)