Die Pelzhändlerin - Ines Thorn

  • Hallo Emily,


    es sind wirklich zwei fantastische Bücher. Bin in der Zwischenzeit auch mit der "Silberschmiedin" fertig und mir haben beide Bücher sehr gut gefallen. Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Vergnügen damit und bin schon sehr auf deine Meinung dazu gespannt. :wave

  • Ich habe gestern auch dieses Buch beendet und ich muss sagen, es hat mir sehr, sehr gut gefallen. Bin jetzt ein richtiger Fan von historischen Romanen.


    Hab jetzt sofort "Die Silberschmiedin" begonnen. Bin gespannt, ob es mir auch so gut gefällt.


    lg primavera

  • Ich habe das Buch nun auch gelesen und es hat mir gut gefallen. Sehr gut gefallen hat mir, wie der innere Konflikt Sybillas gezeigt wurde, die bis zuletzt gefürchtet hat, dass ihr Rollentausch auffallen würde.


    Ansonsten wurde hier bereits alles gesagt. Ein schöner Roman. Die Fortsetzung werde ich sicher auch bald lesen.

  • Zitat

    Original von Ines


    Mich interessiert auch sehr, welche historischen Romane ihr noch so gern lesen würdet. Gibt es eine Figur oder ein Thema, dass ihr in diesem Genre vermisst?


    Die österreichische Monarchie ist noch ein sehr spärliches begangenes Pflaster in der Welt der historischen Romane.

  • Leider scheint des diese Nische nicht wirklich zu geben. Wüsste jetzt auf die schnelle auch keine/n ö Autorin hist. Romane.


    Aber ich bin immer noch der Hoffnung, dass sich einmal ein Autor auch in diesen Themenfundus vorwagt. Schließlich werden die anderen Themen irgendwann abgegrast sein.

  • taciturus,


    wenn es um Österreich und historische Romane geht, dann kann ich dir C.S. Mahrendorff sehr empfehlen. Ich liebe seine Bücher.
    Allerdings spielen diese im 19. Jahrhundert.



    Primavera,


    schreibt Richard Dübell nicht über Regensburg? Es ist immer schwierig, über Orte zu schreiben, die man nicht kennt. Um einen Roman über Regensburg zu schreiben, müsste man sehr viel vor Ort recherchieren. Ich lebe in Frankfurt, deshalb und weil ich mich der Stadt verbunden fühle, schreibe ich über Frankfurt. Aus Leipzig stamme ich und schreibe darüber und hoffe, dass jeder liest, wie sehr ich diese Stadt liebe. Zu Regensburg habe ich jedoch gar keine Verbindung, außer einem Bekannten, den wir demnächst einmal besuchen werden.

  • Dieses Buch habe ich fast ohne abzusetzen in drei Tagen gelesen.


    Ines Thorn hat Erzähltalent, soviel steht fest. Sie versteht es, die Leser zu fesseln und auf den Fortgang der Geschichte neugierig zu machen. Auch scheint die Geschichte sehr authentisch und mit großem Fleiß und Sachkenntnis recherchiert zu sein. Großes Lob auch dafür.


    Was mir nicht gefiel, war die Protagonistin. Puh, was für ein Tausendsassa. Als verachtetes Kind einer bettelarmen Wäscherin erwirbt sie in Eigenregie die Kunst des Lesens und Schreibens.
    Später wird sie ohne nenneswerte Ausbildung, Pelznäherin, Händlerin, Kauffrau, Schneiderin, Innenarchitektin, Modedesignerin, Trendsetterin und wasweißichnochalles. Das war für meinen Geschmack eindeutig zu viel.


    Und worin die "große Sünde" Luisas bestanden haben sollte, konnte ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Es passt für mích einfach schlecht zusammen: auf der einen Seite diese für das ausgehende Mittelalter sehr aufgeklärte und emanzipierte Frau und auf der anderen Seite dieses seltsame Schuldbewusstsein. Wem hat sie denn bitteschön was gestohlen? Sybilla war tot, Wöhler war tot. Wer hätte die Kürschnerei bekommen wenn Luisa nicht gewesen wäre?

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Liebe Alice,


    die "große Sünde" Luisas bestand darin, dass die Sibylla den Tod gestohlen hat. Das Mittelalter war eine Zeit, die geprägt war von sehr großem Aberglauben und sehr großer Religiosität. Jemanden das Leben zu nehmen, also einen Mord zu begehen, war eine sehr, sehr große Sünde. Schlimmer war nur, jemanden den Tod zu nehmen. Das hat Luisa getan. Wäre dies herausgekommen, so hätte man sie wohl auf den Scheiterhaufen gesteckt.


    Die Frauen des ausgehenden Mittelalters waren schon manchmal recht selbstbewusst, doch sie hatten viel, viel weniger Rechte als die Frauen heute. Auch das Selbstbewusstsein an sich, das "sich seiner selbst bewusst sein" war ein ganz anderes.


    Den Frauen dieser Zeit war der Weg zu einer Schulbildung, zu Ausbildungen überhaupt zumeist verschlossen. Das meiste mussten sie sich einfach selbst beibringen. Ist dir schon einmal aufgefallen, Alice, dass es Frauen (und auch Männer) gibt, die einfach "ein Händchen" für bestimmte Dinge haben? Es ist oft so, dass Frauen, die sich mit Geschmack zu kleiden verstehen, auch eine stilvoll eingerichtete Wohnung haben. Sibylla war eine Frau, die ein Gefühl für Ästhetik hatte, ein Gefühl für Schönheit und Stil. Dies allein macht sie nicht zu einer Inneneinrichterin im heutigen Sinne, aber es gibt ihr das dafür notwendige Talent in die Hand. Man kann viele Dinge lernen, Alice, ohne dafür eine Ausbildung zu haben. Sieh dir dich selbst an oder sieh dir deine Mutter an. Du kannst kochen, ohne Köchin zu sein, du kannst Fenster putzen ohne eine Ausbildung als Glasreinigerin zu haben, du kannst Kinder erziehen, ohne Pädagogin zu sein. Es gibt auch das nonformale und das informelle Lernen. Es gibt Fähigkeiten, die sich nicht zertifizieren lassen. Trotzdem besitzt und nutzt man sie.

  • Nö, Fenster putzen kann ich nicht ;-)



    Aber Spaß beiseite: es stimmt sicher alles, was du schreibst. Trotzdem verstehe ich Sibyllas Handlungsweise nicht. Sie, die sich sonst keinerlei Zwang auferlegte, lässt sich vom eigenen Gewissen tyrannisieren? Und viel Willen, das "Unrecht" wieder gutzumachen, scheint sie auch nicht gehabt zu haben. Sie war doch recht skrupellos. Nun, so ganz auch wieder nicht, wenn ich an Maria denke...


    Du siehst, Ines, deine Sybilla gibt mir viel zum Nachdenken. :-)


    Ich lese übrigens zur Zeit deinen Maler Gottes. Und Matthias macht mich richtig wütend, denn den versteh ich nun schon überhaupt gar kein bisschen nicht :-)

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Jetzt muss ich doch auch mal meine Meinung loswerden.
    Die Pelzhändlerin gehört zu meinen absoluten Lieblingsromanen. Habe es bereits zweimal gelesen. Beim zweiten Mal genauso gerne wie beim ersten Mal.


    Letzte Woche habe ich meiner Kollegin für Ihren Urlaub das Buch geliehen. Sie wollte sich selbst ne Meinung bilden, da ich so begeistert von dem Buch gesprochen haben. Nach 2 Tagen kam ne SMS, dass sie das Buch bereits ausgelesen hat und nun voll verstehen kann warum ich dieses Buch so gerne habe.


    Ines mein Kompliment für dieses wundervolle Buch.


    LG
    Historia
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    Ich lese gerade: Moorteufel - Mani Beckmann

  • Ich habe die Pelzhändlerin auch erst vor kurzem gelesen, mit Begeisterung.
    Wenn jetzt Teil drei bald rauskommt muß ich ja mal in die Pötte kommen, da ich davor noch unbedingt die Silberschmiedin lesen will.


    Ich wohne momentan in der Umgebung von Frankfurt und fand den Schauplatz der Pelzhändlerin daher besonders interessant. Ich habe dann immer auf dem Stadtplan nachgeschaut, wo einzelne Straßen sind und wie sich die einzelnen Viertel so entwickelt haben.
    Besonders beeindruckt hat mich am Anfang der Pelzhändlerin die Aussage, daß Luisas Mutter zu Fuß nach Hofheim gewandert ist, an ihrem einzigen freien Tag, um Ihre Tochter zu besuchen. Heute käme keiner auf die Idee, auch nur die Hälfte der Strecke zu Fuß zu bewältigen, außer vielleicht als nette Wanderung ohne weiteren Zweck.

  • Eigentlich brauche ich ja gar nichts mehr schreiben, es ist alles schon gesagt. Trotzdem möchte ich euch auch meine Eindrücke mitteilen.


    Dieses Buch begleitete mich in den Urlaub. "Die Pelzhändlerin" zog mich gleich von den ersten Seiten in ihren Bann. Schon die Beschreibung von Marthas Händen zeigte deutlich, in welcher Zeit der Roman spielt und wie hart das Leben damals war. Sibylla/Luise war mir von Beginn an sympathisch, womit ich nicht alles gut heiße, was sie tat, wie sie mit dem Gerbergesellen Thomas umsprang, war schon recht heftig. Würde sie heute leben, würde sie wohl zu recht als Powerfrau bezeichnet werden. Den Menschen in der damaligen Zeit war sie wohl auch eher unheimlich. Schließlich war sie ja eine Frau. Gefallen hat mir, dass sie nicht ohne Gewissensbisse in die Rolle der Sibylla Wöhler geschlüpft ist. Bis zu ihrem Gang zu Isaak im Feldsiechenhaus verfolgten sie die Schatten der Vergangenheit. Dieser Schatten der echten Sibylla sind auch der Antrieb der neuen Sibylla. Sie will der Sibylla Wöhler gerecht werden, will handeln, wie sie gehandelt hätte und will unter allen Umständen ihre Vergangenheit vergessen machen. Dadurch kommt es, dass ihr wirkliches Glück erst sehr spät beschieden war. Sie war eine Getriebene, eine innerlich Zerissene. Von den männlichen Protagonisten gefiel mir ihr erster Mann Jochen besonders gut. Das kann ich von Isaak Kopper nicht behaupten. Er war für mich als Charakter nicht wirklich fassbar, war der gute, bei ihm fehlten mir ein wenig die Ecken und Kanten, die Sibylla auszeichneten. Die Örtlichkeiten im alten Frankfurt konnte ich mir sehr gut vorstellen. Ich glaube, so sehr viel anders war das dort in der damaligen Zeit auch nicht. Auch die Pelze konnte ich fast fühlen, die Einrichtungen konnte ich bildlich vor mir sehen.
    Mein Fazit: Ines ist mit diesem Roman wieder ein Buch gelungen, dass mich vollständig in seinen Bann gezogen hat. Die Gestalt der Sibylla mochte ich trotz ihrer kühlen Berechnung sehr gern. Am Ende wurde sie doch noch ganz Frau, sie ging zu Isaak, um ihm beizustehen. Aber für mich war das nicht mehr Sibylla, sondern eine neue Luisa. Für mich war der Kreis nun geschlossen. Der Schreibstil und die Sprache fand ich, wie in allen Büchern von Ines, sehr schön. Wie gut, dass auch "Die Silberschmiedin" in meinem Urlaubsgepäck war.
    Von mir gibt es für dieses Buch 9 von 10 Punkten.