Die Geschichte der Einsamkeit [A history of loneliness] - John Boyne

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
    Odran Yates enters Clonliffe Seminary in 1972 after his mother informs him that he has a vocation to the priesthood. He goes in full of ambition and hope, dedicated to his studies and keen to make friends.
    Forty years later, Odran's devotion has been challenged by the revelations that have shattered the Irish people's faith in the church. He has seen friends stand trial, colleagues jailed, the lives of young parishioners destroyed and has become nervous of venturing out in public for fear of disapproving stares and insulting remarks.
    But when a family tragedy opens wounds from his past, he is forced to confront the demons that have raged within a once respected institution and recognise his own complicity in their propagation.
    It has taken John Boyne fifteen years and twelve novels to write about his home country of Ireland but he has done so now in his most powerful novel to date, a novel about blind dogma and moral courage, and about the dark places where the two can meet. At once courageous and intensely personal, A History of Loneliness confirms Boyne as one of the most searching chroniclers of his generation.


    Autor (Quelle: Info im Buch)
    John Boyne was born in Ireland in 1971. He is the author of nine novels for adults and four for younger readers, including the international bestsellers The Boy in the Striped Pyjamas, which has sold more than six million copies worldwide, The Absolutist and, most recently, Stay Where You Are and Then Leave. His novels are published in over forty-five languages. He is married and lives in Dublin.


    Allgemeines
    Erschienen am 4.September 2014 als großformatiges TB mit 384 Seiten im Doubleday Verlag
    Ich-Erzählung der Hauptfigur Father Odran Yates
    16 Kapitel, jeweils mit Jahreszahlen betitelt, keine chronologische Reihenfolge
    Die Handlung erstreckt sich über die Jahre 1964 bis 2013, sie spielt an verschiedenen Orten in Irland, teilweise in Rom und (kurz) in Norwegen.


    Zum Inhalt
    In 16 Kapiteln schildert der (fiktive) katholische Priester Odran Yates, geboren Mitte der Fünfzigerjahre, sein Leben von der Kindheit bis zum Alter von knapp 60 Jahren. Verlebte er seine frühe Kindheit in einer weltlich eingestellten Familie, so wurde seine Mutter infolge einer Tragödie, die das Leben ihres Ehemannes und des jüngsten Sohns auslöschte, so religiös, dass man von einer Art religiöser Besessenheit sprechen kann. Odrans Erziehung ist nun von strengstem Katholizismus nach dem Motto "Bigotterie statt Nächstenliebe" geprägt, schließlich befindet seine Mutter darüber, dass er eine Berufung habe und drängt ihn in die kirchliche Laufbahn. Odran selbst hat bisher keine Berufung verspürt, er ist allerdings ein sehr passiver Charakter, der gegen den Eintritt ins Priesterseminar auch keine Einwände hat. Im Gegensatz zu seinem Zimmernachbarn Tom Cardle, der buchstäblich von seinem Vater ins Priesterseminar geprügelt worden ist und sich vergeblich aufzulehnen versucht, lebt Odran sich gut ein und darf wegen seiner besonderen akademischen Leistungen das letzte Jahr seiner siebenjährigen Ausbildung in Rom verbringen, wo er nicht nur den Unterricht des Irischen College besucht, sondern auch Zugang zum Vatikan erhält.
    Nach seiner Rückkehr nach Dublin führt Odran 25 Jahre lang zufrieden ein ruhiges Leben als Lehrer am katholischen Terenure College. Dieses beschauliche Leben wird aus dem Gleichgewicht gebracht, als er die Schule verlassen und erstmalig eine Gemeinde übernehmen muss. Odran stellt fest, dass er - naiv und weltfremd, wie er ist - den seelsorgerischen Aufgaben kaum gewachsen ist und er muss erkennen, dass die Stellung eines Priesters seit den Jahren seiner Ausbildung extrem an Ansehen verloren hat, was auf die plötzlich bekannt werdenden Fälle von Missbrauch an Kindern durch katholische Geistliche zurückzuführen ist. Auch er selbst sieht sich immer wieder den Anfeindungen durch wütende Bürger ausgesetzt, ihm wird schmerzlich bewusst, dass er nicht länger die Augen vor den Tatsachen verschließen kann, wie er es jahrzehntelang getan hat...


    Beurteilung
    Die Handlung des Romans wird nicht chronologisch erzählt, sondern springt kapitelweise zwischen verschiedenen Jahren der letzten fünf Jahrzehnte hin und her. Das ist anfangs verwirrend und erfordert beim Leser viel Konzentration, wird am Ende aber nachvollziehbar, wenn sich die mühsam zusammengesuchten Informationen zu einem sinnvollen Ganzen zusammensetzen lassen. Anhand der Geschichte der Familie Yates während Odrans Kindheit und Jugend wird der enorme Einfluss von Religion und Kirche auf das Leben der irischen Bürger während der Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahre deutlich, Priester genießen großen Respekt, sie werden von den Gläubigen verehrt und bevorzugt behandelt. Im Laufe der Neunzigerjahre und zu Beginn des 21.Jahrhunderts wandelt sich die Beurteilung der Priester in der Öffentlichkeit total: Nach dem Bekanntwerden zahlreicher Missbrauchsfälle katholischer Geistlicher an den ihnen anvertrauten Kindern gerät ein ganzer Berufsstand unter Generalverdacht. Jetzt dürfen Priester die Besprechungen mit Ministranten nur noch in Gegenwart eines Elternteils abhalten. Als es endlich zu Prozessen kommt und die führenden Persönlichkeiten der Kirche immer noch nicht zur (Mit-)Schuld der Kirchenführung an der Misere stehen wollen, bricht sich der Hass der Menschen freie Bahn in der Forderung "Get them out!"
    Wie die Kirchenoberen, die wegen Missbrauchs angezeigte Priester nicht aus dem Verkehr ziehen, sondern regelmäßig in andere Gemeinden "wegloben", macht sich auch Odran Yates schuldig: Er tut zwar niemandem etwas zuleide, ignoriert aber konsequent alles, was ihm die Augen öffnen könnte. Die Charakterisierung des Protagonisten ist dem Autor sehr gut gelungen, diese Figur dürfte für den Charakter vieler realer Kollegen stehen, die nichts Böses wollen, aber zu schwach sind, sich für Gutes einzusetzen. Auch mit den Oberhirten der Kirche geht der Autor hart ins Gericht, besonders Papst Johannes Paul II wird sehr negativ portraitiert.
    Der Erzählstil ist atmosphärisch und anschaulich, die Grundstimmung ist deprimierend und erschütternd, obwohl der Autor glücklicherweise keine Einzelheiten des sexuellen Missbrauchs schildert. Doch das Fazit, das er den nach Norwegen ausgewanderten Neffen des Protagonisten ziehen lässt, ist eindeutig:
    "I would never live in that country again", he said. "Ireland is rotten. Rotten to the core. I´m sorry, but you priests destroyed it." (S.356)


    Fazit
    Ein großartiger Roman über eine brisante Thematik, inhaltlich themengemäß schwer verdaulich, aber mit Sicherheit lange im Gedächtnis haftend!


    10 Punkte


    Edit: Für das Verzeichnis den deutschen Titel und die ISBN eingetragen. LG JaneDoe

  • Die Geschichte der Einsamkeit - John Boyne


    Piper, 416 Seiten, Klappenbroschur
    Übersetzt von: Sonja Finck


    Ich habe die deutsche Version gelesen. Daher hier noch der Klappentext der deutschen Ausgabe.


    Kurzbeschreibung:
    Odran Yates kommt 1972 an das renommierte Dubliner »Clonliffe Seminary«, um Priester zu werden. Voller Hingabe widmet er sich seinen Studien. Er kann es kaum erwarten, endlich Gutes zu tun. Vierzig Jahre später ist sein Vertrauen in die katholische Kirche zutiefst erschüttert. Waren Priester jahrzehntelang unanfechtbare Respektspersonen, die von der irischen Bevölkerung verehrt wurden, schlägt ihnen jetzt nur noch Verachtung entgegen. Odran muss dabei zusehen, wie alte Freunde zu recht vor Gericht stehen, wie einstige Würdenträger verurteilt werden und ins Gefängnis kommen. Odran ist erschüttert und zieht sich zurück – aus Angst vor den missbilligenden Blicken seiner Umwelt. Erst als bei einem unverhofften Wiedersehen alte Wunden aufgerissen werden, sieht er sich gezwungen, sich den Ereignissen zu stellen und seine Komplizenschaft zu erkennen.


    Über den Autor:
    John Boyne, geboren 1971 in Dublin, ist einer der renommiertesten zeitgenössischen Autoren Irlands. Seine Bücher wurden in mehr als vierzig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit seinem Roman »Der Junge im gestreiften Pyjama«, der in vielen Ländern auf den Bestsellerlisten stand und von der Kritik als »ein kleines Wunder« (The Guardian) gefeiert wurde.


    Mein Eindruck:
    Ich teile obige Meinung, dass es sich um ein gutes und lesenswertes Buch handelt. Ich habe das Buch durch Zufall gefunden und wusste nicht, was da auf mich zukommt. Das Buch ist deshalb so fesselnd, weil es in der ersten Person erzählt, das Leben eines Mannes zeigt, der Priester wurde und durch den Pädophilen-Skandal der katholischen Kirche aus dem Gleichgewicht gerät. Ausgerechnet einer seiner besten Freunde war einer der Täter.
    Hätte Odrian das wissen oder erahnen können, vielleicht müssen?


    John Boyne ist schriftstellerisch gewachsen und lässt den Leser dicht an die Hauptfigur heran. Das thesenhafte seiner Prosa ist aber geblieben. Fast geht es in Richtung Kollektivschuld. Aber immerhin zeigt er deutlich, wie so ein Verdrängungsprozess und wie die gesellschaftlichen Mechanismen funktionieren, die solche Taten ermöglichen.
    Einleuchtend auch, wie die Sexualfeindlichkeit der Kirche dazu beiträgt.
    Der Icherzähler erkennt schließlich seine Lebenslüge. Das ist tragisch, aber doch angemessen um dem Thema gerecht zu werden.