Andreas Winkelmann: Die Zucht

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
    Nur fünf Minuten hat Helga Schwabe ihren Sohn aus den Augen gelassen. Einen unaufmerksamen Moment lang. Und in diesem Moment ist er verschwunden.
    Als fielen Hauptkommissar Henry Conroy die Ermittlungen in diesem Fall mutmaßlicher Kindesentführung nicht schon schwer genug, muss er sich auch noch mit einer neuen Kollegin herumschlagen. Vorlaut, frech, selbstbestimmt - das ist Manuela Sperling. Aber sie hat einen guten Riecher. Und bald stoßen die beiden auf eine Spur, die zu einem einsamen, verfallenen Gehöft im Niemandsland an der Grenze zu Tschechien führt, auf dem illegal Hunde gezüchtet werden...


    Autor (Quelle: Verlagsseite)
    Andreas Winkelmann, geboren im Dezember 1968 in Niedersachsen, ist verheiratet und hat eine Tochter. Er lebt mit seiner Familie in einem einsamen Haus am Waldesrand nahe Bremen. Bei Wunderlich erschienen bisher seine sehr erfolgreichen Thriller «Wassermanns Zorn» und «Deathbook».


    Allgemeines
    Erscheinungstermin: 30. Januar 2015 bei Wunderlich, broschiertes Taschenbuch mit 512 Seiten
    Sechs Teile, jeweils in nummerierte Kapitel untergliedert
    Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
    Die Handlung spielt in der Gegenwart (mit gelegentlichen Rückblenden in die Vergangenheit) an fiktiven Orten im deutsch-tschechischen Grenzgebiet.


    Zum Inhalt
    Hauptkommissar Henry Conroy bekommt eine neue Kollegin: Die zierliche, aber sehr selbstbewusste und kreative Manuela Sperling, dem Leser bereits aus dem Roman "Wassermanns Zorn" bekannt, wird ihm als Mitarbeiterin zugeteilt. Ihr erster gemeinsamer Fall erfordert Ermittlungen hinsichtlich einer Kindesentführung. Der sechsjährige Oleg Schwabe wurde aus dem Garten seines einsam gelegenen Elternhauses verschleppt. Da die Eltern des Jungen einfache Leute mit wenig Geld sind, liegt der Verdacht nahe, es könne sich um die sexuell motivierte Tat eines pädophilen Entführers handeln. Die Ermittlungen ergeben, dass über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren deutschlandweit bereits drei weitere Jungen in Olegs Alter spurlos verschwunden sind. Diese Verbrechen sind bisher weder in einen Zusammenhang gebracht noch aufgeklärt worden.
    Doch plötzlich gibt es weitere Vermisstenfälle, die überhaupt nicht ins Schema passen wollen. Rieke Schneider, eine engagierte Tierschützerin, die einem vermuteten Fall von illegaler Hundehaltung nachgehen wollte, wird von ihrer Freundin Lea als vermisst gemeldet. Da die Polizei im Falle verschwundener Erwachsener nicht sofort tätig wird, machen sich Lea und ihr Freund Ralf selbst auf die Suche, um ebenfalls nicht wieder aufzutauchen. Als wäre das nicht genug, wird auch noch ein ortsansässiger Unternehmer ermordet aufgefunden.
    Manuela Sperling, die im Gegensatz zu den älteren Kollegen nicht nur in eingefahrenen Bahnen denkt, stößt auf eine zunächst geradezu absurd anmutende Spur, die die unterschiedlich gelagerten Vermisstenfälle in einen Zusammenhang zu bringen scheint.


    Beurteilung
    Die relativ kurzen, oft mit Cliffhangern endenden Kapitel dieses Thrillers sind durchgängig von einem hohen Spannungsniveau und einer unheimlichen Atmosphäre geprägt. Das dünn besiedelte, waldreiche deutsch-tschechische Grenzgebiet wird für den Leser gut vorstellbar. Die plastische Beschreibung des abgelegenen Hofes, der in den Mittelpunkt der Ermittlungen gerät, erzeugt ein beträchtliches Gefühl von Beklemmung. Auf dem Hof gehen ungeheuerliche Dinge vor, die sehr drastischen Beschreibungen mit hohem Ekelfaktor sind für sensible Leser nicht geeignet.
    Der Autor hat die Charaktere der Hofbewohner sehr detailliert ausgearbeitet, besonders die in unregelmäßigen Abständen eingefügten kursiv gedruckten und mit "Von früher" betitelten Kapitel werfen ein interessantes Licht auf die gegenwärtigen Verhältnisse auf dem Hof. Allerdings bleibt eine Leerstelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zu der eine weitere Klärung wünschenswert gewesen wäre.
    Gelungen ist auch die Charakterisierung der Ermittler: Der Leser erfährt Einzelheiten über die Vergangenheit von Henry Conroy, die dessen verschlossenes und eigenbrötlerisches Wesen nachvollziehbar machen. Der stellvertretende Polizeichef Sackstedt, nicht gerade der hellste Kopf und mit Conroy in einer Art Dauerfehde lebend, wird nicht vollkommen negativ dargestellt und ist damit weitgehend glaubwürdig. Besonders erfrischend ist jedoch die Figur der intelligenten, warmherzigen und gelegentlich respektlosen Manuela Sperling, die hoffentlich weitere Romane des Autors bereichern wird.
    Was die Gesamtkonstruktion betrifft, so wäre hier vielleicht weniger mehr gewesen, eine Verzahnung verschiedener Verbrechen begünstigt zwar den Spannungsfaktor und führt den Leser zwischendrin auf falsche Fährten, erscheint aber eher realitätsfern. Auch ein weiterer Umstand/Zufall, der an dieser Stelle nicht näher genannt sein soll, um dem Leser die Spannung nicht zu nehmen, wirkt ein wenig zu konstruiert.
    Dagegen ist das Ende, das mit einem "Paukenschlag" aufwartet und zu Spekulationen einlädt, sehr gelungen.


    Fazit
    Ein vor dem realen Hintergrund krimineller Vorgänge im deutsch-tschechischen Grenzgebiet angesiedelter Thriller, der sehr spannende Unterhaltung bietet, wegen des hohen Schock- und Ekelfaktors aber vor allem "abgehärteten" Lesern empfohlen werden kann.


    7 Punkte

  • Das hört sich doch alles sehr gut an. Herzlichen Dank für diese Buchvorstellung und für eine weitere Geldbörsenbelastungsaufforderung. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Dank dem Kindle-Deal der Woche bei Amazon hat man die Möglichkeit für kleines Geld neue Autoren kennenzulernen. Verlag und Verfasser mögen am Verkauf dieses vergünstigten E-Books an mich nur wenig verdient haben aber der Thriller hat mir so gut gefallen, dass ich mir nach der Lektüre bereits Andreas Winkelmanns Thriller "Wassermanns Zorn" zum regulären Preis als E-Book gekauft habe. Und die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass ich noch weitere Bücher von ihm kaufen und lesen werde. Er hat mich von seinen Fähigkeiten als Schriftsteller überzeugt und mir gefällt, dass er uns Leser streckenweise an den Genregrenzen zum Horrorroman entlang wandeln lässt.


    Ich bin als Kind mit Hunden aufgewachsen, ein Belgischer Schäferhund und Labrador, und mag es üüüberhaupt nicht wenn Hunden in Romanen Leid angetan wird. :nono Bei diesem Thema bin ich ein Sensibelchen und werde wütend :fetch wenn ich sowas lesen muss. Katzen hingegen darf man jederzeit in Büchern quälen ... :schnellweg Die Kurzbeschreibung mit der illegalen Hundezucht lässt nichts Gutes erahnen aber ich gebe dem Buch und dem Autor trotzdem eine Chance … und voilà, er hat sie genutzt und der Thriller ist auch für Hundefreunde lesbar.


    Die Ausgangslage für das Ermittler Duo bestehend aus Hauptkommissar Henry Conroy und seiner neu zugeteilten Polizistin Manuela Sperling ist wie in der Kurzbeschreibung erwähnt. Ein Knabe wird entführt und die beiden untersuchen diesen Fall. Was wir Leser schnell bemerken aber den beiden Kriminalbeamten erstmal nicht recht bewusst wird, dass es in dieser Geschichte an allen Ecken und Enden von Hunden nur so wimmelt. Natürlich wissen wir Leser mehr da der Autor von Handlungssträngen erzählt, die die beiden Ermittler logischerweise nicht kennen können. Und da ist ein erster klitzekleiner Kritikpunkt am Buch meinerseits. Durch dieses angelesene Wissen wird der Krimi ein Stückweit vorhersehbar und zu einem Thriller, den man mit "Der Weg ist das Ziel" beschreiben könnte.


    An diesem Thriller gefällt mir, wie die beiden frisch zusammengebrachten Polizisten Conroy und Sperling miteinander agieren. Henry ist der ältere etwas mürrische Schweiger und Manuela die junge, vife Frau mit keckem Mundwerk die Henry Gunst nach und nach gewinnt. In dieser dienstlichen Beziehung stecken ganz sicher Klischees drin aber es ist gut umgesetzt und lockert die ansonsten ernste Stimmung etwas auf. Zweiter klitzekleiner Kritikpunkt: Ich finde die Gestaltung des einen verrohten Unmenschen, der einem Horrorroman entsprungen sein könnte, leicht übertrieben. Ich mag aber nicht gänzlich ausschliessen, dass es solche Scheusale im echten Leben geben kann. Für potentielle Leser dieses Buches sei erwähnt, dass der Autor die heftigen Szenen nur kurz anerzählt … aber meine Phantasie, meine pöööse Phantasie fährt dort weiter wo Andreas Winkelmann aufgehört hat zu erzählen und generiert schauderhafte Bilder vor meinen inneren Auge. Memo an mich selbst: Ich muss ein ernstes Wort mit meiner Phantasie reden. :help


    Weiter möchte ich erwähnen, dass nicht alle Nebenfiguren so handeln wie es der vernunftorientierte Mensch gemeinhin tun würde. Das kann durchaus ein dritter klitzekleiner Kritikpunkt an dieser Geschichte sein aber Spannungsromane leben nun mal zu einem Teil davon, dass Nebenfiguren sich mangels Denkfähigkeit in Stresssituationen leichtsinnig verhalten und sich in grosse Gefahr begeben.


    Und nun der Schluss … Damit meine ich die letzten drei Sätze … :bahnhof Werter Herr Winkelmann, Sie ungehobelter Schriftsteller-Flegel Sie! Das geht so niemalsnichtaufgarkeinen Fall! :fetch Wertes Lektorat beim Rowohlt Verlag, warum lassen Sie solcherlei schriftstellerisches Rabaukentum zu? :fetch Man sollte die Literaturpolizei deswegen verständigen! Jawohl! Aber falls ich was überlesen habe und der einzige Leser bin der nur Fragezeichen in den Augen hat, setze ich mir die Narrenkappe freiwillig auf. :narrenkappe Beim nächsten Thriller mit Conroy / Sperling bin ich auf jeden Fall als Leser mit dabei. Es wird doch hoffentlich eine Fortsetzung geben, oder??? Wertung: gute 8 Eulenpunkte