Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Hanser Berlin (25. August 2014)
ISBN-13: 978-3446246430
Originaltitel: Oorlog en terpentijn
Preis Gebundene Ausgabe: Euro 21.90
Autor
Stefan Hertmans, geboren 1951, gilt als einer der wichtigsten niederländischsprachigen Autoren der Gegenwart. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Preis der flämischen Gemeinschaft für Prosa. Der Himmel meines Großvaters war der große Überraschungserfolg des Buchherbstes 2013.
Kurzbeschreibung/Klappentext
"Man kann alles, wenn man will!", sagt der alte Mann zu seinem Enkel und schwingt sich in den Kopfstand. Die wahre Willenskraft seines Großvaters begreift Stefan Hertmans jedoch erst, als er dessen Notizbücher liest, und beschließt, den Roman dieses Lebens zu schreiben. Eindringlich beschwört er eine bitterarme Kindheit in Belgien, zeigt den 13-Jährigen, wie er bei der Arbeit in der Eisengießerei davon träumt, Maler zu werden, und stattdessen im Ersten Weltkrieg an die Front nach Westflandern gerät. Dass der Mann, der dieses Grauen überlebt, fast am Tod seiner großen Liebe zugrunde geht, ist eines der Geheimnisse, denen der Enkel auf die Spur kommt. Mit seiner Hommage an den Großvater ist Hertmans ein grandioser Roman gelungen.
Meine Meinung
Was ist dieses Buch? Eine biografische Erzählung eines talentierten Schriftstellers über seinen Grossvater? Ein weiterer 1. Weltkriegsroman wie sie derzeit zuhauf zu finden sind? Ein Schriftgut in dem eine versunkene Epoche porträtiert wird und der Region Flandern, die in der deutschen Literaturszene ein Schattendasein fristet, ein Gesicht gegeben wird? Ich glaube es ist von allem etwas, aber vor allem ist es ein Versuch anhand von Notizen das Leben eines gewöhnlichen Mannes nachzuzeichnen der in einer Zeit von grossen politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen gelebt hat. Eine Kindheit voller Entbehrungen und dem frühen Eintritt in ein hartes Arbeiterleben dann geprägt vom Schrecken des Ersten Weltkrieges und der Liebe zu einer Frau und die starke emotionale Neigung zur Kunst der Malerei in der er Frieden gefunden hat. Es ist eine Spurensuche nach einer menschlichen Existenz voller er- und gelebter Furchen wie es sie zu hunderten gegeben haben mag und bei der ein genaueres hinsehen insgesamt lohnenswert erscheint.
Aus der historischen Tiefe geholt wird dieses Leben von Urbain Martien mit einer eloquenten Sprache die ihre Höhepunkte immer wieder in ein paar wunderbaren Formulierungen findet. Besonders im ersten Teil sind mir etliche kurze Passagen aufgefallen die es wert sind markiert zu werden. Der Autor spielt dabei mit den Ambivalenzen von tragischem Schicksal, menschlicher Verunsicherung, Irritationen oder ganz schlicht dem banalem Glück und entwirft so liebevoll eine kleine Welt. Die Sprünge in der Erzählperspektive müssen vom der Leserschaft bemerkt werden und machen Sinn wenn es beispielsweise in die Ich-Form von Grossvater Urbain wechselt als er seine Erlebnisse aus den unmenschlichen Abgründen des Krieges schildert. Der Autor verwendet dabei einen wortgewandten Erzählstil der einerseits kultiviert wirkt aber sich, da wir inhaltlich mit dem Thema der Malerei konfrontiert sind, in einer Art Stilleben mit Details manifestiert. Man muss diese in sich ruhende Erzählweise akzeptieren und vor allem mögen um das Buch gut zu finden. Das dieser Roman Literaturpreise gewonnen hat erstaunt mich nicht, diese ästhetische Ausdrucksweise wird von Literatur-Jurys im Allgemeinen sehr gemocht und für preiswürdig befunden.
"Geschichten werden erzählt, um vergessen zu werden, kehren sie doch immer wieder zurück, auch die merkwürdigsten Geschichten über Kunst und Künstler" Zitat aus diesem Buch
Insgesamt bin ich in der Bewertung dieses Buches in einer leichten Uneinigkeit mit mir selbst. Ich anerkenne die literarische Leistung des Verfassers Stefan Hertmans und die schöne Prosa mit der er die Geschichten erzählt. Allerdings kann er die Kraft der Spannung nicht vollständig auf mich übertragen. Das Unterfangen ein Leben in Worten zu reproduzieren und mit philosophischem Gedankengut anzureichern gelingt zwar aber entfaltet bzw. hinterlässt bei mir nicht zu hundert Prozent die gewünschte Wirkung. Der Nachklang fehlt etwas und so geht eine Lebensgeschichte in die Vergänglichkeit alles irdischen ein. Wertung: 7 Eulenpunkte