'Franziska Linkerhand' - Kapitel 07 - 08

  • Dann mal weiter:


    Selbst wenn ich wollte, könnte ich den Inhalt dieser beiden Kapitel nicht zusammenfassen.
    Aber ihr habt es ja auch gelesen... :grin


    Zentral sind in diesen Kapiteln wohl die Beziehungen der normalen und der ungewöhnlichen Art, die Franziska in Neustadt knüpft, die zu Schafheutlin, den ich lange Zeit als Ersatz Regers für sie vermutete, die zu der Sekretärin (Gertrud?) und die zur Griepentrog, der sie Nachhilfe gibt.
    Ganz entgegen ihren Vorstellungen von Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von der Meinung Anderer schlägt auch bei F. die Einsamkeit der langen Abende im winterlichen, grauen Neustadt zu. So sucht sie zaghaft die Nähe der anderen Frauen im Haus, bleibt aber ein Fremdkörper, wenn auch ein geduldeter.


    Am meisten reibt sie sich an Schafheutlin, dem Planbefolger, dem Bremser von Franziskas Ideen. Sehr treffend fand ich die Erwähnung des "Panthers"(von Rilke, was die Autorin dem Leser verschweigt, als auch wieder so eine Information für Insider) im Zusammenhang mit Schafh., denn genau so kommt er mir vor.
    Franziska ist eigentlich schon hier zum Scheitern verurteilt. Es ist, wie ihr Chef ihr sagt: Die Zeit der Einzelgänger ist vorbei. Nur das Kollektiv zählt noch, die Gesamtleistung.


    Und Ben taucht auf, jedenfalls denke ich, dass er "der Fahrer" ist. Mal schauen.

  • So, mit der "Lesung" dieses Abschnittes begonnen.


    Interessant übrigens diese Stelle, über die es sicher lohnt nachzudenken:
    "Der N. schreibt in seinem Buch, daß die Liebe schon zu Ende geht, wenn die Liebenden anfangen sich zu erinnern, an den ersten Tag, an den ersten Kuß....."


    Dieser Satz bietet sicher auch für Un-Romantiker wie mich ein gewisses Gesprächspotential.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Den Satz habe ich auch gelesen :grin, natürlich. Ich meine, dass er mir auch aufgefallen ist.


    Möchtest du über dieses Thema mit uns sprechen, Herr Un-Romantiker (wenn du das denn bist)?


    Da steckt viel Wahrheit drin, aber die Aussage ich sehr absolut. Gemeinsame Erinnerungen können auch eine Quelle der Kraft und Zusammengehörigkeit sein, wenn sie denn schön sind und beide Partner die gleichen Erinnerungen haben ;-) .

  • Mir ist dieser Satz einfach zu plakativ und es stört mich, dass er keinen Widerspruch zulässt.


    Ich denke auch, dass gemeinsame Erinnerungen durchaus das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken können.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Mir ist dieser Satz einfach zu plakativ und es stört mich, dass er keinen Widerspruch zulässt.


    Geben Schriftsteller (wie N., nicht wie Reimann, die scheint mir zu klug dafür zu sein) nicht manchmal solches und so von sich? Ein Satz jedenfalls, der sich gut im Poesiealbum macht. Ein bisschen wahr, für manche trifft es zu, aber klingen tut's gut.


    Sehr viel weiter bin ich mit dem Abschnitt noch nicht.

  • Einfach nur so kurz angemerkt. Diese Stelle gefällt mir:


    "Die Kleider bleiben kurz". meldet Franziska
    "Bewährte Waffen verschrottet man nicht", sagte er.


    Da ist sehr viel Wahres und Weises enthalten. :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Meine Notizen zu diesem Abschnitt umfassen schlappe zehn Seiten im Notizbuch. Das ist wohl niemandem zuzumuten, deshalb nur einige Gedanken:


    Die Figur des Schafheutlin (Rilke-Gedichte!) beschäftigt mich sehr. So viele Träume und sie gingen dahin im Alltragsgrau. Er hat, in gewisser Weise wie Gertrud, gelernt, um sich zu „beißen“, wenn natürlich auch nicht mit der Aggressivität wie diese. Die Darstellung Reimanns, wie sich diese doch schon verkrustet erscheinenden Strukturen durch Interesse, durch Sehnsüchte, durch Liebe aufweichen, empfinde ich als äußerst gelungen, fast mit Zartgefühl, sie muss gar nicht allzu deutlich werden, da genügt beispielsweise auch schon mal die Erwähnung von Zwiebelschälen und -schneiden.
    (Herkunfts-)Welten liegen zwischen ihm und Franziska, ihm ist das mehr als deutlich, glaube ich. Das legt man wahrscheinlich nicht mal eben so ab, auch wenn man es möchte, Gedankenlosigkeit resp. für sie Selbstverständlichkeiten wie Franziskas Art, Butterbrote zu streichen, kommen dazu.


    Was immer wieder beeindruckt, ist die Zugewandtheit Franziskas, egal, ob es sich um ihre Kollegen handelt, um Gertrud, um Kersten, die Frauen im Haus. Sie möchte auf alle zugehen, kann aber manchmal doch nicht den rechten Ton finden, aber ihr Bemühen ist deutlich. An Durchhaltevermögen scheint es hin und wieder zu fehlen, wobei ich mich schon gefragt habe, ob ihr Bedürftnis nach Alleinsein, vielleicht sogar Einsamkeit nicht tiefere Gründe hat. „Das Tier“, das ihren Bruder heimsucht(e?), scheint ihr nicht ganz unbekannt zu sein (die Distanz zu sich selber, die ich im Teil 2 ansprach; wie sehr kennt bzw. durchschaut sie sich eigentlich selbst? Ist das, was wir von uns erzählen, nicht in der Regel das Bild, das wir uns von uns machen? Wir können nur das erzählen, was wir auch sehen, vielleicht könnte man es so besser umschreiben.)


    Das Leben in den Wohnsilos, die „Dressurakte mit Meerschweinchen“, die Selbstmorde … es ist eindrucksvolle Kritik am Leben in der DDR. Manchmal frage ich mich, wie dieser Roman ausgesehen hätte (wenn es ihn denn überhaupt gegeben hätte), wenn Brigitte Reimann nicht in/bei/auf „Schwarze Pumpe“ gelebt und gearbeitet hätte. Eigentlich müsste man die Tagebücher und wenigstens den Briefwechsel mit Henselmann als Ergänzung dazu lesen. Die Frage jedenfalls, die in diesem Zusammenhang bei mir auftauchte: Fällt es Franziska mit ihrem familiären und bildungstechnischen Hintergrund schwerer, sich an die Gegebenheiten zu gewöhnen? Vielleicht ist man dann eher zum Widerspruch bereit?


    „Das Zimmer war taubstumm“ - das ist doch mal ein Satz, perfekt widerspiegelt er Wohnsituationen, die es nicht nur in der DDR gab. Ausstellungsräume, diesen Begriff habe ich für dergleichen schon öfter gehört, Reimanns Formulierung gefällt mir aber wesentlich besser.


    Seite 342: Das Buch von Günther Weisenborn – mag es sich dabei wohl um „Die Aussage“ handeln? Das hätte ich sogar gelesen, allerdings: Erinnern kann ich mich mehr an den Streit mit einem Lehrer um bzw. über dieses Buch (er lehnte es strikt ab) als an den Inhalt.


    Abschließend drei Dinge, die mir aufgefallen sind: Die Einsamkeit des Gebärens mit der des Sterbens zu vergleichen, die Beschreibungen von Frau Schafheutling, die mir fast überzeichnet, fast grotesk erscheinen – und die vielleicht deshalb um so wahrer sind -, dass die Sorbinnen in ihrer Tracht auftreten.

  • Endlich habe ich mal wieder einen Abschnitt lesen können.
    Obwohl es schon ein paar Wochen her ist, seit ich in diesem Buch gelesen habe, habe ich gleich wieder hinein gefunden. Das hat mich eigentlich ziemlich gewundert.
    Ein Zeichen dafür, dass Reimanns Figuren eindrücklicher sind als gedacht.



    Zitat

    Original von Voltaire
    Einfach nur so kurz angemerkt. Diese Stelle gefällt mir:


    "Die Kleider bleiben kurz". meldet Franziska
    "Bewährte Waffen verschrottet man nicht", sagte er.


    Da ist sehr viel Wahres und Weises enthalten. :grin


    :grin
    Den Satz habe ich mir auch notiert.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin