Johann von Schadowitz, der historische Krabat? - Brandenburger Geschichten

  • Johann von Schadowitz, der historische Krabat?


    Geografisch ist unsere heutige Brandenburger Geschichte eigentlich in Sachsen angesiedelt. Wir begeben uns in eine Region die die Heimat der einzigen nationalen Minderheit auf deutschem Boden ist: Die Lausitz - das Gebiet der Sorben, das sich heute die Bundesländer Brandenburg und Sachsen teilen. Die sorbische Kultur ist der letzte Überrest der slawischen Präsenz auf dem Gebiet zwischen Elbe und Oder. Wir erinnerten kürzlich mit der Geschichte von Tugomir dem Heveller, an den slawischen Ursprung der Orts- und Flurnamen in unserer Region.


    In den heutigen Tagen wird versucht, sorbisches Kultur- und Gedankengut am Leben zu erhalten. Ein schwieriges Unterfangen, denn obwohl die sorbische Sprache gefördert wird, obwohl die Ortsschilder in der Lausitz zweisprachig gehalten werden, gibt es kaum jemanden mehr, der sorbisch als seine Muttersprache bezeichnet. Umso erstaunlicher ist es, dass es eine Legende aus der Region geschafft hat, am Leben zu bleiben. Und nicht nur das, sie gehört inzwischen sogar zum Kulturgut der Deutschen. Die Sage, mit der wir uns befassen wollen, ist so vielschichtig, dass wir im Rahmen dieses Beitrags nicht annähernd alle Details beleuchten können. Wir wollen in erster Linie auf folgende Frage eingeben: Gibt es für den berühmten Helden der Überlieferung tatsächlich ein geschichtliches Vorbild?


    Wir befinden uns in einer Epoche, die wir heute als den „Großen Türkenkrieg“ bezeichnen. Ende des 17. Jahrhunderts bedroht der osmanische Großwesir Kara Mustafa Pascha Österreichs Hauptstadt Wien und damit auch das Machtzentrum der Habsburger Monarchie. Der Habsburger Souverän ist gleichzeitig deutscher Kaiser und er hat die Macht, ein mächtiges Bündnis zu schmieden, um die Bedrohung abzuwehren. An seinem Feldzug gegen die Türken beteiligen sich auch der sächsische Kurfürst mit seinen Truppen und zahlreiche Söldner aus dem Herrschaftsgebiet der Habsburger.


    Es tobt die entscheidende Schlacht. Das Kampfglück wogt hin und her, bis die osmanischen Kämpfer einen Teil der sächsischen Streitmacht von den anderen Truppenteilen abgeschnitten haben. Sie drohen die Sachsen vernichtend zu schlagen. Unter den Eingeschlossenen befindet sich auch der sächsische Kurfürst Johann Georg. In dieser Situation fasst sich der Kommandant eines Trupps kroatischer Söldner ein Herz. Unter Einsatz seines Lebens, gelingt es dem Hauptmann Ivan Sajatovic, mit seinen Leuten eine Bresche in die Reihen der Türken zu schlagen und den Kurfürsten zu retten. Danach wendet sich das Kampfglück und die Schlacht wird letztendlich gewonnen. Das geschlagene türkische Heer muss den Rückzug antreten, Wien und das deutsche Kaiserreich sind gerettet. Zum Dank für seinen Einsatz überhäuft der sächsische Kurfürst den Mann vom Balkan mit allen Ehren und schenkt ihm das Gut Groß-Särchen in der Lausitz. Außerdem erhebt er den Fremden in den Adelsstand. So wird aus dem Kroaten Ivan Sajatovic der Sachse Johann von Schadowitz.


    Über die Gegenwart des Johann von Schadowitz in der Lausitz sind bruchstückhafte Details historisch überliefert. Bekannt ist, dass er ein für damalige Verhältnisse enorm hochgewachsener Mann war und eine charismatische Ausstrahlung besaß. Er war ein sehr guter Reiter und hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Während der Herrschaft auf seinem Gut hob er beispielsweise die Leibeigenschaft der Bauern auf und pflegte ein gutes Verhältnis mit der einheimischen sorbischen Bevölkerung. Durch weitere Reformen erlebte die Landwirtschaft in seinen Besitzungen eine Blütezeit. Außerdem soll er ein streng gläubiger Katholik gewesen sein. Die ganze Umgebung war historisch eigentlich protestantisch geprägt, deshalb musste er zur Ausübung seiner religiösen Überzeugung die katholische Gemeinde der benachbarten Stadt Wittichenau aufsuchen.


    Man sagte ihm auch eine Nähe zu sogenannten „schwarzen Künsten“ nach, das heißt, er beschäftigte sich mit wundertätigen Wissenschaften. Trotz aller Extravaganzen blieb er für seine Lehnsherren ein verlässlicher Untertan. Er wurde so zum Beispiel als Ehrengast Mitglied der Leibgarde bei dem Begräbnis des Kurfürsten Johann Georg. Auch die Nachfolger des verstorbenen Regenten erwiesen ihm alle Ehren. Überliefert ist der Besuch des Kroaten bei einem Festbankett, das einst der frischgebackene neue sächsische Kurfürst Heinrich August ausrichtete. Jener Herrscher, der sich später auch König von Polen nennen durfte und der mit dem Beinamen „der Starke “ geehrt wurde. Zeitgenossen berichten, Schadowitz sei damals im Eiltempo mit einer Kutsche nach Dresden gefahren, um an den sächsischen Hof zu gelangen.


    Der Fremdling besitzt im Lausitzer Dorf Schwarzkollm eine Wassermühle. Ein Ort, zu dem es ihm immer wieder hinzieht. Niemand weiß, was er dort treibt. An diesem Punkt beginnen Legende und Wahrheit sich zu einem unauflösbaren Knoten zu verstricken. Der geheimnisvolle Fremde ist ein Mensch, der sich mit den Sorben in einer fremden, aber dennoch für sie verständlichen Sprache unterhalten kann, der Sympathien für die niederen Stände aufbringt und mit einem großen Gerechtigkeitssinn ausgestattet ist. Man versteht seine Sprache, aber man begreift ihn nicht. Man fürchtet ihn und verehrt ihn gleichzeitig. Wenn er nach seiner Heimat gefragt wird, sagt Schadowitz, er sein ein „Hrvat“ – ein Kroate. Die Habsburger Militärs der Zeit pflegen die kroatischen Söldner in ihrem Heer für ihre Lippen einfacher auszusprechen, indem sie sie „Krabaten“ nennen.


    Ist also daraus die Legende entstanden? Schadowitz stirbt im hohen Alter von 80 Jahren in Groß Särchen. In den Jahren nach seinem Tode entstehen erste Überlieferungen der Figur des „Krabat“. Geschichten um ihn werden von den Sorben von Generation zu Generation weitererzählt und jedes Mal verändert sich ihr Inhalt. Krabat wird zum Volkshelden der slawischen Minderheit in Deutschland.


    In der Legende, die sich im Laufe der Jahrzehnte herausbildet, ist Krabat ein Waisenjunge, der sich mit Betteln und Stehlen durchs Leben schlägt. Im Traum erscheint ihm ein geheimnisvoller „Schwarzer Müller“, der ihn auffordert in den Ort Schwarzkollm zur Mühle zu kommen und bei ihm in die Lehre zu gehen. Krabat erlebt diesen Traum immer wieder und so wird diese Aufforderung bald zu einer Mission. Die Mühle trifft er dann tatsächlich an und er wird als zwölfter Lehrling von dem Müller aufgenommen. Schnell wird Krabat klar, dass es sich bei der Mühle um einen sehr ungewöhnlichen Ort handelt. Man erlernt dort nicht etwa die Kunst des Müllerhandwerks sondern wird mit Magie und Zauberei vertraut gemacht.


    Krabat entpuppt sich als besonders talentierter Zauberlehrling. Er findet bald heraus, dass der „Schwarze Müller“ mit einer finsteren Gestalt im Bunde steht, dem sogenannten „Gevatter“. Dieser fordert jedes Jahr als Tribut das Leben eines Lehrlings, der dann durch einen neuen ersetzt werden muss. Krabat erlebt, wie sein bester Freund unter den Gesellen sein Leben geben muss. Daraufhin beschließt er, den „Gevatter“ und dessen Handlanger, den Schwarzen Müller zu bekämpfen. In der Zwischenzeit wird er auch vom Zauber der Liebe erfasst, ohne seine Angebetete tatsächlich zu kennen.


    Nach Ablauf der drei Lehrjahre erhält Krabat vom Müller das Angebot, die Mühle zu übernehmen. Empört lehnt er dies ab. Damit erzürnt er nicht nur seinen Lehrmeister sondern auch die Gestalt des Bösen, den Gevatter. Dessen Macht ist zu groß für Krabat. Nur die Kraft der Liebe kann ihn am Ende retten. Die zwölf Lehrlinge werden in Raben verwandelt. Krabats Angebetete (in anderen Versionen seine Mutter) muss ihn unter den Vögeln erkennen, sonst sind alle dazu verdammt, das Schicksal der Verwandlung bis ans Ende ihrer Tage zu ertragen. Die Kraft der Liebe siegt über Magie und Zauberei und so erlöst die Geliebte Krabat und seine Gefährten. Der Schwarze Müller ist besiegt. Krabat erbt die Mühle und macht sich als guter Zauberer einen Namen, indem er Wundertaten vollbringt.


    In diesen Wundertaten erkennen wir Motive aus dem Leben des Johann von Schadowitz wieder. In einer Sage rettet Krabat dem König August von Sachsen das Leben, indem er ihn vor einem Giftmord der Türken warnt. Zum Dank wird er an den Hof in Dresden geladen, wohin er mit einer Zauberkutsche durch die Luft fliegend gelangt. Ein anderes Mal verwandelt er den kargen Boden der Bauern in fruchtbares Land und die Kirche in Wittichenau wird durch seine Zauberei in ein prächtiges Gebäude verwandelt.


    Die Legende um Krabat wurde oft erzählt, in unzähligen Varianten. In der heutigen Zeit bekannt sind der metaphorische Roman „Krabat oder Die Verwandlung der Welt“ des sorbischen Autors Jurij Brzan und das Kinderbuch „Krabat“ des berühmten Kinderbuchautors Ottfried Preußler.


    Im Jahre 2008 wurde der Stoff frei nach der Preußler-Vorlage verfilmt. Die Figur eines anderen Zauberlehrlings hatte als Roman- und Filmheld inzwischen weltweit Karriere gemacht. Und so nimmt es nicht Wunder, dass „Krabat“ gewissermaßen als deutscher Harry Potter sehr erfolgreich in den Kinos gelaufen ist. Wer auf eine Spurensuche des historischen Krabat und des Johann von Schadowitz gehen will, kann in einem Ortsteil der Stadt Hoyerswerda fündig werden. Dort in Schwarzkollm steht sie noch immer: Die „Krabatmühle“.

  • Danke arter für den Einbllick in die historische Vorlage das "Krabat".
    Ein Buch das ich von Anfang an geliebt habe.
    Ich habe eine wunderschöne Ausgabe von Preußler mit Grafiken von Herbert Holzing aus der edition Popp


    hab grad gesehn die wird bei zvab für 95 Euro angeboten :)

    "Leute die Bücher lesen, sind einfach unberechenbar." Spruch aus "Wilsberg "
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  • Wieder einmal ganz toll, arter![SIZE=7]und ich habe beim besten Willen keinen Fehler finden können *lächel*[/SIZE]
    :anbet
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Wieder einmal eine interessante Geschichte aus dem historischen Schatzkästchen.


    Was nicht stimmt ist, dass die Sorben die einzige nationale Minderheit sind. Die Dänen in Schleswig-Holstein sind auch eine solche Minderheit, ebenso die Friesen.


    :write
    Und auch die deutschen Sinti und Roma zählen zu den autochthonen nationalen Minderheiten.


    Danke für die schöne und interessante Geschichte, arter! :wave

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Traurig finde ich, dass sich diese alten Sprachen wohl nicht retten lassen.


    :write :write oder dass Bräuche zum Volksfest mutieren. Aber es ist wohl schwierig, wenn man von den Sinti und Roma mal abgesehen, sich in unserer alles verallgemeinernd wollenden Gesellschaft als Minderheit zu bestehen.