Titel: Goodbye, Jehova
Autor: Misha Anouk
Verlag: Rowohlt
Erschienen: Oktober 2014
Seitenzahl: 544
ISBN-10: 3499628910
ISBN-13: 978-3499628917
Preis: 9.99 EUR
Der Psychologe Raphael Aron sagte über die Zeugen Jehovas:
„Ein grausame Religion ohne Seele.“
Und damit trifft er es eigentlich punktgenau.
Dieses Buch ist weniger eine Abrechnung eines Ausgestiegenen – es ist vielmehr eine Bestandsaufnahme und Zustandsbeschreibung dieser wohl weltweit bekanntesten Sekte. Hervorzuheben ist die akribische Recherche des Autors. Zudem ist das Buch auch noch hervorragend geschrieben.
Misha Anouk beschreibt sein Leben in dieser Sekte, beschreibt die Einflussnahme und den Verlust des eigenen Willens. Schon seine Eltern gehörten dieser Sekte an. Jeder Bereich des Lebens wird beherrscht von den Vorgaben der Sektenführung, der „Leitenden Körperschaft“. Kritik und Zweifel sind nicht erlaubt. Es geht der Sekte um völlige Milieukontrolle. Um die Kontrolle über das gesamte Leben der Sektenmitglieder. Es wird ein perfider sanfter Druck auf den Einzelnen ausgeübt. Ein Druck dem sich niemand entziehen kann.
Frauen haben kaum Rechte. Sie dürfen keine leitenden Funktionen ausüben und müssen den Mann als das alleinige Oberhaupt der Familie anerkennen. Und was wirklich kaum zu glauben ist, das die Frauen sich dieser Frauenfeindlichkeit bereitwillig unterordnen. Das sie offenbar mit ihrer „Nebenrolle“ einverstanden sind. Eine Rolle die an die amerikanische Hausfrau in den Fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erinnert.
Die Zeugen Jehovas treten nach außen immer freundlich und verständnisvoll auf. Nie hört man von ihnen ein böses Wort. Aber genau damit versuchen sie „Menschen einzufangen“. Sie begegnen ihnen mit Verständnis und haben für alle Gelegenheiten einen Bibelspruch parat. Und sie bieten ein Bibel-Heimstudium an, nur wird da eben nicht die Bibel studiert, sondern die Publikationen des Wachturm-Verlages.
Die Mitglieder dieser Sekte sind pausenlos mit irgendwelchen Diensten beschäftigt. Dadurch verhindert man, das sie sich wirklich einmal intensiv über sich selbst Gedanken machen.
Misha Anouk berichtet wie schwer es ihm gefallen ist sich aus der Sekte zu lösen. Seine Eltern waren darüber in tiefer Trauer und er hat seit dem nur noch sehr wenig Kontakt zu ihm. Denn in diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, das er selbst schreibt, er wäre in einer glücklichen Familie aufgewachsen. Nur irgendwann merkte er, dass ihm etwas fehlen würde: Persönliche Freiheit.
Zu seinem Bruder hat er überhaupt keinen Kontakt mehr.
Und er schafft es erst mit einer Therapie sich von seinen Schuldgefühlen und seinen Ängsten zu lösen. Ein sehr, sehr harter Weg liegt hinter ihm - ein Weg den auch andere gegangen und manchmal auch daran zerbrochen sind.
Dieses Buch von Misha Anouk ist sehr lesenswert. Ich kann mich nicht entsinnen, schon einmal ein Buch über die Zeugen Jehovas gelesen zu haben, dass einem diesen bemerkenswerten Blick in das Innenleben der Sekte gewährt. Und immer wieder ertappt man sich bei der Frage: „Merken die denn gar nicht wie sie verarscht werden?“.
Nach der Lektüre dieses Buches versteht man, wie die Menschen in dieser Sekte ticken, wie sie denken, handeln und fühlen. Sie halten sich für die Auserwählten und sind der Ansicht, dass nur sie bei dem immer wieder angekündigten – und immer wieder verschobenen – Harmagedon gerettet werden.
8 Eulenpunkte für ein wirklich bemerkenswertes und hochinteressantes Buch.