Taschenbuch: 720 Seiten
Verlag: Ullstein Taschenbuch
erschienen am 8. August 2014
zum Autor:
Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitet seit Jahren als Filmautor für den Bayerischen Rundfunk, vor allem für die Kultsendung "quer". Er ist selbst ein Nachfahre der Kuisls, die 300 Jahre lang die berühmteste Henker-Dynastie Bayerns waren.
zum Inhalt:
Jakob Kuisl, Henker aus Schongau, reist mit seiner Familie nach Bamberg. Sein Bruder, der Henker aus Bamberg, feiert demnächst Hochzeit und möchte die ganze Familie um sich haben. Das war weniger Bartholomäus Wunsch, sondern vielmehr der seiner Verlobten. Die Brüder, die sich vor 40 Jahren nicht gerade friedfertig getrennt haben, müssen nun einen Weg finden, sich wieder anzunähern. Abgelenkt werden sie von den neuesten Vorfällen in Bamberg. Offenbar treibt eine Bestie in den Wäldern vor der Stadt sein Unwesen, denn es werden immer wieder abgerissene Leichenteile in der Regnitz angeschwemmt. Als auch noch mehrere Leichen innerhalb der Stadtmauern entdeckt werden, ist erneut die Kombinationsgabe des Schongauers und seiner Familie gefragt.
meine Meinung:
Der fünfte Band um die bayerische Henkersfamilie steht ihren Vorgängern in nichts nach. Zwar ähnelt der dramatische Aufbau den anderen Fällen, lässt aber dennoch erst spät Schlüsse auf den Täter zu. Wie gewohnt streut Oliver Pötzsch seine Verdächtigen zahlreich ein. Er legt immer wieder Fährten, die seine Leser schon wegen der Plausibilität folgen, nur um später festzustellen, dass es eine vollkommen harmlose Erklärung für das verdächtige Vorgehen gibt. Allerdings ist man so wieder vom wahren Übeltäter abgelenkt gewesen, der sich erneut über ein unschuldiges Opfer hergemacht hat. Der Spannungsbogen wird geschickt gezogen und hält bis kurz vor Schluss an. Der diesmal über 700 Seiten starke historische Kriminalroman entwickelt schon gleich am Anfang eine Sogwirkung.
Eine weitere bemerkenswerte Stärke dieser Romanreihe ist die Recherche der jeweiligen Stadtgeschichte. Wie so oft schreibt auch hier das Leben die besten Geschichten. Vor dem Hintergrund der Hexenprozesse und eben der Anklage eines Bambergers als Werwolf hat der Autor seine Krimihandlung platziert. In sich stimmig fügt er so die reale und fiktive Geschichte zusammen, um dem Leser einen spannenden Fall zu liefern. Nebenbei entwickeln sich die Familienmitglieder der Kuisls weiter, sodass auch hier immer neue Wendungen zur Spannung beitragen. Nach nunmehr acht Jahren sind die Kinder in ein schwieriges Alter gekommen und der Henker hat dieselben Erziehungsprobleme wie wir sie noch heute kennen. Auch die brüderlichen Eifersüchteleien vermitteln bei dem bärbeißigen Mann menschliche Züge. Unterschwellig öffnet sich da die Seele eines Menschen, der gemeinhin gemieden wurde. Der Henker hatte eben nicht nur einen Job zu erledigen, sondern musste auch sein eigenes Gewissen beruhigen. Unter der undurchdringlichen Schale steckte vermutlich viel öfter als geglaubt ein weicher Kern, der verzweifelt nach einem anderen Leben suchte. Die damalige Gesellschaftsordnung verwehrte ihm das jedoch im 17. Jahrhundert.
An Spannung, Kulisse und sprachlicher Darstellung gibt es nichts auszusetzen. Die scheinbar unabhängigen Handlungsstränge fügen sich am Ende zu einem Ganzen. Der Henker kann auch im fünften Teil der Serie immer noch überraschen. Von daher ist sein Ausflug nach Bamberg ein weiterer Lesetipp und ich freue mich bereits jetzt auf ein sechstes Wiedersehen mit dem Schongauer.