'Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao' - Kapitel 4 - 5

  • In diesem Abschnitt lernen wir den Erzähler selbst etwas näher kennen. Yunior ist mit Lola befreundet und zieht ihr zuliebe bei Oscar ein, auf den man, ihrer Meinung nach, nach einem Selbstmordversuch aufpassen muss. Was ihm aber nicht wirklich gelingt, denn Oscar versucht ein weiteres Mal sich das Leben zu nehmen. Auch dieses Mal gelingt es ihm nicht. Eine Art Geist scheint der Meinung zu sein, dass seine Zeit noch nicht gekommen ist.


    Oscar selbst passt irgendwie nicht in die Welt, in der er leben muss. Er ist sehr sensibel und hadert mit sich und seinem unerfüllten (Sex-)Leben. Er glaubt er ist verflucht, wie seine ganze Familie. Er ist einsam und lebt in einer Welt von Fantasy-Rollenspielen und seinen Sci-Fi-Romanen.


    Diesen Familienfluch habe ich bis hierin nicht wirklich verstanden. Interessant wird es dann im zweiten Teil dieses Abschnitts, in dem wir die Geschichte von Oscars und Lolas Großvater erfahren, der leider erfolglos versucht hat in der Diktatur Trujillos zu überleben.
    Aber anstatt die Diktatur und all ihre Verbrecher für das Leid der Familie verantwortlich zu machen, ist natürlich der Fluch schuld. :pille
    Das ist etwas, womit ich persönlich nichts anfangen kann. Aber ich kann gut nachvollziehen, wie sehr das einen sensiblen, depressiven Menschen wie Oscar belastet.

  • Zitat

    Original von Saiya
    In diesem Abschnitt lernen wir den Erzähler selbst etwas näher kennen.


    Bist du sicher? Für mich teilte sich das noch einmal in zwei Erzähler auf.
    Einmal Yunior, und dann der, der die Geschichte auch begonnen hat (der die ganzen Fußnoten benutzt). Der Schreibstil war bei Yunior auch ganz anders...


    Wir hätten also als Erzähler einmal Lola, einmal Yunior, einmal, eventuell sogar zweimal Unbekannt (muss aber einer aus der näheren Familie sein).


    Ich komme den Hauptpersonen durch die distanzierte Erzählweise nicht so richtig nahe.
    Für mich ist das Buch eher eine - bis zu einem gewissen Grad (vorher nicht bekannte) - Schließung einer Wissenslücke (was das Regime in der DR betrifft, ich habe mich da vorher nie mit beschäftigt).


    Dieser Abschnitt lässt mich vermuten, dass Oscar und Lola verschiedene Väter haben. Wenn Beli den Vater von Lola hasst, würde das auch ihr Verhalten Lola gegenüber erklären.


    Der "goldene Mungo", der schon Beli zum Aufstehen im Zuckerrohrfeld bewegt, taucht nun wieder bei Oscar auf, als dieser sich umzubringen versucht...


    Die Geschichte von Abelard (wurde der so geschrieben :gruebel) hat mich nun mehr berührt. Unglaublich, was Menschen anderen Menschen antun können. Unvorstellbar für mich.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Zitat

    Original von killerbinchen
    Aber der dritte Erzähler benutzt doch die ganzen Fußnoten und die vielen spanischen Ausdrücke und Wörter. :wow


    Hat noch jemand eine Meinung dazu?


    Das ist Yunior, wenn er die Erlebnisse aufschreibt, die er nicht direkt miterlebt hat. Aber ich bin ja da kein Experte, sondern das war nur mein Empfinden beim Lesen. Ich kann mich da natürlich auch täuschen.

  • Für mich gibt es auch nur Lola und Yunior als Erzähler.


    Ja, die Geschichte von Abelard ist tragisch, aber für ein Regime wie es zu der Zeit in der DR herrschte typisch. Menschen, die in Ungnade gefallen sind, verschwinden auf Nimmerwiedersehen in Haft. So erlebt er Belis Geburt nicht. Der kränkelnde Sägling wwir herumgeschoben und erledet grausames. Die Sache mit dem Öl ist ja unvorstellbar.


    Oscar wiegt 140 kg. Er ist wohl mehr als ein strammer Bursche. Dass Yunior ihn zum Joggen animieren will, ist ja an sich sehr gut. Aber eigenlich müsste Oscar langsam beginnen, seine Gelenke müssen sich ja an die ungewohnte Aktivität auch erst gewöhnen. Aus dem Grund kann ich sein Scheitern schon irgendwie verstehen. Er will der dominikanische Tolkien werden und schreibt eifrig Geschichten. Ich bin sehr gespannt, ob er damit Erfolg hat. 70 Seiten habe ich ja noch vor mir.

  • Naja, jeder interpretiert es anders.
    Für mich sind deutliche Unterschiede in den Formulierungen usw.


    Aus der Welt zitiert (übrigens ein sehr interessanter Artikel über das Buch):


    Zitat

    Auch wer den Roman nur oberflächlich liest, nimmt in ihm drei deutlich unterschiedene Grundstimmungen wahr: erstens einen heiligen Zorn – er befeuert vor allem die langen Fußnoten, mit denen der Text des Romans geschmückt ist. Zweitens gibt es säckeweise sarkastischen Humor, drittens die Blues-Töne der Traurigkeit.


    Das sind dann wohl "meine" drei Stimmen.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Für mich gibt es auch noch einen weiteren Ton, die gelegentliche Langeweile. :rolleyes


    Die Abschnitte um Beli und Abelard haben mir richtig gut gefallen, aber die anderen Personen bleiben mir fremd. Bei den sie betreffenden Kapiteln lasse ich micht sehr schnell ablenken und muss mich selbst motivieren, am Buch zu bleiben. a empfine ich Längen. Dazu stoße ich mich etwas an der Sprache. Ich weiß gar nicht wie sie bezeichnen soll, gewollt jugendjargonlastig, wie hingeworfen. Auch in den Fußnoten, die ich ansich recht gut und informativ finde, wird munter geflapst. Da will ich eigentlich nur Information, ohne Wertung eines Erzählers oder Autors.

  • Ich frage mich, warum Yunior wich Oscars annimmt, welche Motivation wirklich dahibter steckt. Ich verstehe, warum die beiden zusammengezogen sind, Yunior wäre sonst nicht im Studentenwohnheim untergekommen. Hat er alles darüber hinaus wegen Lola getan?


    Abelars Geschichte finde ich auch sehr traurig. Mir war gar nicht bewusst, dass selbst die Wohlhabendenen zu Trujilos Zeiten das Land nur mit staatlicher Genehmigung verlassen durften. Da empfinde ich es eigentlich geradezu als Fluch, vermögend zu sein, da man auch dann keine Möglichkeit hatte, Trujilos Blick zu entgehen bzw. seine Töchter vor ihm zu schützen. Dann doch lieber arm. Zwar kommen sie aus der DR auch nicht raus, erregen aber weniger Aufmerksamkeit.


    Was die Anzahl der Erzähler angeht ... ich hatte auch den Eindruck, dass es neben Lola und Yunior noch einen dritten Erzähler gibt ( ich weiß leider nicht mehr, an welcher Stelle ). Ich bin gespannt, ob sich das am Ende auflöst.


    killerbinchen : wie komst du darauf, dass Lola und Oscar verschiedene Väter haben? Ich habe das so verstanden, dass der Mann, den Beli auf dem Flug in die USA kennengelernt hat, ihre dritte ernsthafte Liebe und auch der Vater ihrer Kinder war. Auf jeden Fall war sie zwei Jahre mit ihm zusammen ... fragt sich nun, wie groß der Altersunterschied der Kinder war.


    Etwas verwirrend fand ich Oscars Namensgebung in Oscar Wao. Er hat sich an Fasching als Doctor Who verkleidet, sah aber wie Oscar Wilde aus. Und deshalb Oscar Wao. Versteh ich nicht. ?(

  • "Wao" heißt "Wilde" auf Spanisch. Ich habe das beim ersten Lesen auch nicht verstanden, sondern habe das gegoogelt. :-)


    Yunior war für mich auch immer der, den ihr als 3. Erzählstimme empfindet. Einmal hat er die Ereignisse geschildert aus Sicht des jungen Kerls, der er damals war und an anderen Stellen als Erwachsener und eben auch mit dieser "Stimme" rückblickend erzählt.


    Irgendwo habe ich gelesen, dass Yunior eine Art "Alter Ego" von Junot Diaz ist.

  • Zitat

    Original von Saiya
    ...


    Diesen Familienfluch habe ich bis hierin nicht wirklich verstanden. Interessant wird es dann im zweiten Teil dieses Abschnitts, in dem wir die Geschichte von Oscars und Lolas Großvater erfahren, der leider erfolglos versucht hat in der Diktatur Trujillos zu überleben.
    Aber anstatt die Diktatur und all ihre Verbrecher für das Leid der Familie verantwortlich zu machen, ist natürlich der Fluch schuld. :pille
    Das ist etwas, womit ich persönlich nichts anfangen kann. Aber ich kann gut nachvollziehen, wie sehr das einen sensiblen, depressiven Menschen wie Oscar belastet.


    Der Roman (ist es überhaupt einer) steckt voller Magie. Viele Völker rund um die Erde glauben an magische oder mysthische Wesen und je älter ich werde, um so mehr kann ich mich einlassen auf die verschiedensten Dinge, die zwischen Himmel und Erde existieren.
    Was ist angenehmer? An einen Fluch zu glauben oder sich einzugestehen, dass man sein Leben selbst verkackt hat?
    Zu Oscar und seiner Familie passt der Mungo, finde ich.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Karthause
    Für mich gibt es auch nur Lola und Yunior als Erzähler.
    ...


    :write
    Die pubertäre Ausdrucksweise in den Fußnoten ist Yuniors Stimme- man denke nur an F...fresse. :grin


    Zitat

    Original von Karthause
    ...
    Oscar wiegt 140 kg. Er ist wohl mehr als ein strammer Bursche. Dass Yunior ihn zum Joggen animieren will, ist ja an sich sehr gut. Aber eigenlich müsste Oscar langsam beginnen, seine Gelenke müssen sich ja an die ungewohnte Aktivität auch erst gewöhnen. Aus dem Grund kann ich sein Scheitern schon irgendwie verstehen. Er will der dominikanische Tolkien werden und schreibt eifrig Geschichten. Ich bin sehr gespannt, ob er damit Erfolg hat. 70 Seiten habe ich ja noch vor mir.


    Oscar ist eine so liebenswert tragische, Figur, ein absoluter Nerd, den vermisse ich jetzt schon, wenn das Buch zu Ende ist. Ich mag solche Figuren sehr, die jenseits aller Vorstellungen liegen, die sich nicht nach den Wünschen von Lesern richten, sondern im Buch ihr eigenes Ding durchziehen.
    Ich bin auch sehr gespannt, ob es Oscars Geschichten zwischen zwie Buchdeckel schaffen. Es würde zu diesre märchenhaften Geschichte passen, wenn er mit seinen Büchern den Fluch brechen könnte. Posthum versteht sich.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von -Christine-
    killerbinchen : wie kommst du darauf, dass Lola und Oscar verschiedene Väter haben? Ich habe das so verstanden, dass der Mann, den Beli auf dem Flug in die USA kennengelernt hat, ihre dritte ernsthafte Liebe und auch der Vater ihrer Kinder war. Auf jeden Fall war sie zwei Jahre mit ihm zusammen ... fragt sich nun, wie groß der Altersunterschied der Kinder war.
    (


    Hm, das mit dem Typen im Flugzeug habe ich anscheinend überlesen. Oder dann nicht mit den Kindern in Verbindung gebracht.


    Erklärt habe ich mir meinen Gedanken bezüglich unterschiedlicher Väter mit der Tatsache, dass Beli Oscar sehr liebt, sie mit Lola aber eher eine Hass-Liebe verbindet, oder vielmehr ein ziemlicher Kontrolldrang?
    Und Oscar war für mich so um die 22 Jahre alt und Lola eher älter...
    ach, ich weiß es auch nicht :-(

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Der bisher namenlose Erzähler bekommt nun also einen Namen (an den ich mich gar nicht mehr erinnern konnte), und die tragische Geschichte der Familie wird erzählt. Und wieder Stelle ich fest, dass das gelesene Buch bei mir andere Gefühle auslöst als das Hörbuch. Abelard wirkt nun zwar immer noch tragisch auf mich (sein Schicksal ist schrecklich), aber sein Handeln finde ich außerordentlich unsympathisch. Nicht nur, dass er völlig selbstverständlich eine Geliebte hat, nein, er zieht es außerdem vor, den Kopf in den Sand zu stecken und nichts zu tun. Weder kann er sich aufraffen, eine Wahl zwischen Geliebter und Ehefrau zu treffen, noch versucht er, seine Familie aktiv zu schützen. Nicht, dass er viele Möglichkeiten gehabt hätte, aber er versucht es ja nicht einmal!