Sven Regener - "Herr Lehmann"

  • Also ich hatte mich wirklich amüsiert bei dem Buch, aber mir ist klar, dass es Geschmacksache ist. Natürlich ist Lehmann ein Langweiler. Das ist Voraussetzung, damit diese Geschichte funktioniert. Sie erzählt ja nicht, was jemand macht, sondern was mit jemandem passiert.

  • War also doch noch interessant genug, der "Herr Lehmann", um ihn zuende zu lesen. Ich muss sagen, ich finde das Buch gegen Ende doch eher traurig als zum Brüllen komisch.


    Ich meine, ist es nicht traurig, wenn Karl einen Nervenzusammenbruch erleidet, weil er plötzlich das Gefühl hat, dass er keine andere Identität hat als in einer Kneipe hinter dem Tresen zu stehen? Und ist es nicht traurig, wenn Herr Lehmann feststellt, dass er nun langsam zu alt wird für diesen Job und diese Lebensform, aber gar keine Alternativen für sein Leben sieht? Und als Herr Lehmann nicht weiß, mit wem er seinen 30. Geburtstag feiern soll und ganz allein durch die Kneipen zieht, um sich zu betrinken. Das finde ich nicht zum Brüllen. :wow


    Einerseits ist "Herr Lehmann" absolut professionell aufgebaut und geschrieben. Ich kann sogar verstehen, dass Sven Regener einen Preis für diesen Roman bekommen hat. Andererseits finde ich den Charakter, den er aufbaut, dermaßen uninteressant, dass es kaum auszuhalten ist. Mir ging es beim Lesen wie Lehmanns Affäre Katrin. Erst dachte ich: Das kann ja nicht alles sein, der hat doch bestimmt mehr auf dem Kasten. Dann dachte ich: Der muss doch mal was ändern in seinem Leben, der kann doch nicht zufrieden sein mit dem, was er tut!


    Ich war neugierig auf das Buch, weil ich gelesen hatte, dass "Herr Lehmann" 1989 kurz vor dem Mauerfall in Berlin spielt. Natürlich gehört es zum Charakter von Herrn Lehmann, dass ihn Ost-Berlin, die Politik, der Mauerfall - eben alles was sich außerhalb seines Mikrokosmos "Kreuzberger Kneipenszene" abspielt - nicht die Bohne interessieren. Aber mich hat es dann doch enttäuscht, dass die Geschehnisse der damaligen Zeit überhaupt keine Rolle spielten.


    Alles in allem: Dreimal Daumen hoch, weil es gut zu lesen, ganz unterhaltsam und gut konstruiert war. Aber nur dreimal, weil die Handlung einfach zu flach war.


    LG, die Waldfee

  • Anschließend an den Beitrag von Rabarat frage ich mal vorsichtig:


    wird mich das Buch genauso enttäuschen wie der Film? Sowohl bei der Presse als auch hier im Forum ist "Herr Lehmann" durchweg positiv bewertet worden.


    Das gehäufte Lob hatte mich veranlasst, Herrn Lehmann eine Chance (beim Bügeln :-) ) zu geben. Zugegeben, die Zeit war nicht vertan, aber der Film hat mich nicht vom Hocker gerissen. M.E. war die Handlung nicht schlüssig und nachvollziehbar dargestellt.


    Wie nah ist denn der Film am Buch? Und wird durch das Buch einiges klarer?
    Ich habe kein Problem damit, wenn Regisseur und Produzent sich künstlerische Freiheiten nehmen und sich nicht strikt an die Vorlage halten, aber der Film sollte aus sich heraus verständlich sein und der Zuschauer sollte nicht gezwungen werden, im Anschluss an den Film das Buch lesen zu müssen.

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Ich habe gestern den Film gesehen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich da alles kapiert hätte, wenn ich nicht vorher das Buch gelesen hätte.



    Ich ihn gestern Abend gesehen und fand ihn gut, keine Ahnung, ob ich alles verstanden habe, aber das werde ich dann rausfinden, wenn ich das Buch in Angriff nehme.

  • Ich habe das Buch noch nicht zu Ende gelesen. Zwar habe ich während des Rückflugs aus dem Urlaub damit angefangen, war aber nach einiger Zeit vom Schreibstil so genervt, dass ich mir bei einem Zwischenstopp ein anderes Buch für den restlichen Flug gekauft habe. Ich mag es nicht, wenn innerhalb eines Satzes zwei- bis dreimal "dachte er [..] dachte Herr Lehmann [..] hat Herr Lehmann sich gedacht" steht. Es sind einfach zu viele Wiederholungen drin, warum wird z.B. ständig erwähnt, dass der Protagonist jetzt nur noch "Herr Lehmann" genannt wird? Das versteht der Leser auch nach einer Erwähnung.


    Schade, denn die Geschichte mit dem Hund und den Dialog mit der Mutter fand ich eigentlich auch ganz witzig. Vielleicht versuche ich es irgendwann noch einmal.

  • Herr Lehmann hatte ich ja schon als Neuanschaffung länger im Hinterkopf. Anfang letzten Monats konnte ich "Element of crime" live erleben. Da fiel mir dann das Buch wieder ein und machte mich auf Grund der schrägen Songtexte noch neugieriger. :-)
    Gestern bin ich in unserer Schulbibliothek drüber gestolpert und habe es mir für die heutige Nachtschicht schon bereit gelegt. :hop
    Ich hoffe, meine Kollegin, die letzte Nacht Dienst hatte und sich gleich das Buch da behielt, hat nicht alles rausgelesen oder gar mitgenommen. ;-)

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Nun habe ich das Buch schon zu 3/4 fertig, aber es macht mich waaaahnsinnig!! :yikes :pille
    Eigentlich ist ja Herr Lehmen ganz witzig und schräg. Vor allem die Sache mit dem Köter fand ich klasse. Was hab ich gelacht, konnte es mir live in Kreuzberg vorstellen. :lache


    Aber andererseits ist er ein Typ Mensch, der mich wahnsinnig macht!!!!! Dies doppelte Denkweise, dieses Schneckentempo bis der mal endlich zu Potte kommt. Ich möchte den um himmels willen nie live (naja, zumindest länger als ne Stunde) erleben müssen. :fetch :lache


    Nun wird der Film ein MUSS sein. Mal gucken wie er da so rüber kommt. ;-)

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Herrn Lehmann habe ich gerade entnervt in die Ecke geschmissen, knapp die Hälfte habe ich geschafft, aber Herr Lehmann geht mir einfach auf die Nerven. Am Anfang konnte ich ja noch ab und zu über ihn grinsen, aber auf die Dauer finde ich das Buch einfach nur fad.


    Und dieser Schreibstil (Nikana hat das so schön beschreiben) mit den dauernden Wiederholungen und im Kreis herum... nein danke. Das reicht mir schon, wenn ich mich "in echt" mal mit so jemand rumschlagen muss, dass brauche ich nicht auch noch freiwillig als Unterhaltung.

  • Ich finde "Herr Lehmann" ist ganz groß, tolles Buch. Genau mein Geschmack!


    Mir gefällt vor allem Sven Regeners Erzählweise, absolut genial. Passt zu dem "Langweiler"- Typ Frank auf jeden Fall. Und gerade, dass er ein Langweiler ist, macht das Buch ja so gut, in Kombination mit der Erzählweise sogar nahe zu perfekt! Diese teilweise verquere Art zu denken und trotzdem nicht Unrecht zu haben finde ich spitze. Bin echt begeistert.
    Ich hab an vielen Stellen schmunzeln bis lachen müssen und finde nach wie vor, Christian Ulmen ist der beste Herr Lehmann, den man sich denken kann.


    Diese "Hintenherum-Logik" erinnert mich irgendwie an Meursault in Albert Camus - Der Fremde .


    "Herr Lehmann" ist auf jeden Fall bis jetzt unter meinen Lesehighlights 2006.

  • Es ist zwar schon einige Zeit her, dass ich dieses Buch gelesen habe, aber ich fand es aufgrund von Erzählstil und Tragikkomik sehr außergewöhnlich.


    Herr Lehmann als phlegmatischer Typ, den einerseits nichts aus seiner Ruhe bringt, der sich auch durch nichts aus seiner Ruhe bringen lassen will, er will nicht auffallen, nicht anecken, rechtfertigt sich andauernd vor sich selber und wird in sehr skurrile Situationen manövriert.


    Ein recht witziges Buch über einen skurrilen Zeitgenossen, dem wohl auch so "alltägliche" Dinge wie der Mauerfall nicht wirklich tief gehen.


    Bezeichnend für seine Lebenseinstellung auch der letzte Satz im Buch:



    Den Film habe ich auch gesehen, hat mir recht gut gefallen, wenn ich mir auch einige Details ganz anders vorgestellt habe, als im Film dargestellt. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, das Buch vorher zu lesen.

  • Zitat

    Original von Nikana
    Ich habe das Buch noch nicht zu Ende gelesen. Zwar habe ich während des Rückflugs aus dem Urlaub damit angefangen, war aber nach einiger Zeit vom Schreibstil so genervt, dass ich mir bei einem Zwischenstopp ein anderes Buch für den restlichen Flug gekauft habe. Ich mag es nicht, wenn innerhalb eines Satzes zwei- bis dreimal "dachte er [..] dachte Herr Lehmann [..] hat Herr Lehmann sich gedacht" steht. Es sind einfach zu viele Wiederholungen drin, warum wird z.B. ständig erwähnt, dass der Protagonist jetzt nur noch "Herr Lehmann" genannt wird? Das versteht der Leser auch nach einer Erwähnung.


    Schade, denn die Geschichte mit dem Hund und den Dialog mit der Mutter fand ich eigentlich auch ganz witzig. Vielleicht versuche ich es irgendwann noch einmal.


    Du sprichst mir aus der Seele, Nikana. Genau das war es, was mich immens gestört hat. Ich bin bis S. 64 gekommen und hab das Buch dann zugeklappt. Meine Zeit war mir dafür einfach zu schade. Ich hab eine Allergie gegen Wortwiederholungen. :rolleyes