Geheimer Ort - Tana French

  • Englischer Originaltitel: The Secret Place



    Klappentext
    Anmutig, behütet und golden, so scheint die abgeschirmte Welt des traditionsreichen Mädcheninternats St. Kilda. Doch vor einem Jahr ist dort im Park ein Junge erschlagen worden. Nun hängt sein Bild am Schwarzen Brett – mit der Überschrift: ICH WEISS, WER IHN GETÖTET HAT. Nur eines von acht Mädchen kann die Karte aufgehängt haben. In zwei Cliquen stehen sie sich gegenüber – unverbrüchliche Freundinnen, erbarmungslose Feindinnen. Der junge Detective Stephen Moran kennt eines der Mädchen, Holly Mackey, aus einem früheren Fall und meint zu wissen, was auf dem Spiel steht. Bis er hinter den Mauern von St. Kilda selbst in das verfängliche Netz aus Träumen und Lügen gerät.




    Die Autorin
    Tana French ist die erfolgreichste junge Krimi-Autorin Irlands. Sie wurde in den USA geboren, wuchs in Irland, Italien und Malawi auf und lebt seit 1990 in Dublin. Nach einer Schauspielausbildung am Trinity College arbeitete sie für Theater, Film und Fernsehen. Ihr erstes Buch >Grabesgrün< wurde mit dem Edgar Allan Poe Award für das beste Debüt ausgezeichnet, auch die folgenden Kriminalromane wurden sofort zu großen internationalen Erfolgen.




    Ich fürchte, ich werde mich ein wenig schwer tun, dieses Buch zu rezensieren. Denn es ist für mich ein wenig anders als die anderen Bücher der Autorin.


    Das Buch spielt an einem einzigen Tag. Stephen Moran, aus einem anderen Buch bereits bekannt (ich konnte mich nicht mehr erinnern, muss ich gestehen), arbeitet in der Abteilung für ungelöste Fälle, träumt aber davon, in Morddezernat zu wechseln. Da steht plötzlich die 16jährige Holly Mackay vor ihm mit dem im Klappentext beschriebenen Foto von der Schulpinwand. Holly vertraut Stephen, denn er hat sie vor Jahren als Zeugin in einem anderen Fall vernommen (in "Sterbenskalt"). Stephen informiert Conway, die Ermittlerin in dem Fall des ermordeteten Jungen. Sie führte vor einem Jahr die Verhöre, kam aber nicht wirklich zu einem Ergebnis geschweige denn zu einer Verhaftung. Widerwillig nimmt die sperrige Conway Stephen mit ins Internat, da er ihr glaubhaft versichern kann, das er einen besseren Draht zu den Mädchen haben könnte als sie.


    Und dann geht es los mit den Verhören. Nur 8 Mädchen kommen in Betracht. 2 Cliquen, die sich nicht leiden können. Durch die Verhören lernen wir die Mädchen besser kennen und können uns ein Bild von ihnen machen. Aber schon bald merkt man, das alle mit irgendeiner Information hinterm Berg halten.


    Es gibt noch eine zweite Erzählebene, die einige Monate vor dem Tod des Jungen einsetzt und langsam die Umstände und Entwicklungen aufzeigt, die letztendlich zu dem Mord führten. Dadurch gewinnt man einen Blick von Innen auf den Freundeskreis rund um Holly. Die andere Mädchenclique, durchweg furchtbare Zicken, bleiben außen vor.


    Die Handlung entwickelt sich nur langsam vorwärts. Die Vernehmungen werden genau aufgeführt. Ebenso viel Zeit lässt sich die Autorin bei den Rückblicken. Zuweilen erschienen mir die Mädels doch sehr abgebrüht. Und das Holly, deren Vater zwar Polizist ist, aber mehr durch Abwesenheit glänzte, so viel über Polizeiarbeit und -denkensweise weiß, erschien mir nicht immer glaubhaft. Durch den langsamen Erzählfluss kam nur langsam Spannung auf. Die Charakterentwicklung nimmt den meisten Raum ein, vor allem auch die Freundschaft zwischen den Mädchen. Breiten Raum nehmen auch die Intrigen und Zickereien zwischen den Cliquen ein.


    Nun ist Tana French ja nicht bekannt für ihre atemlose Spannung sondern ihre Erzählkunst und ihre verzwickten Geschichten. So ist es auch hier. Allerdings hatte ich oft den Eindruck, das Frau French ein paar mal zu oft gesagt bekommen hat, wie schön sie schreiben kann, denn teilweise purzeln die Metaphern nur so aus den Buchseiten. Vor allem mit Farben und Licht hat sie es diesmal. Ob es nun goldenes Prickeln am Rücken oder der weiße Geruch des Flures sei. Nach einer Weile war es mir etwas zu oft und gewollt.


    Ich kritisiere die Autorin wirklich ungern. Aber hier hat sie es mit der Langsamkeit und der Metaphernflut etwas übertrieben. Erst im letzten Drittel kommt dann Spannung auf. Für mich blieb es bis kurz vor Schluss ein Geheimnis, wer Chris getötet hat. Wie man in den Rückblenden miterleben konnte, war es eine langsame Entwicklung darauf zu. Das Hauptaugenmerk der Autorin liegt bei diesem Buch auf Freundschaft, auf den Mädchen, die Entwicklung, das Erwachsenwerden. Die Mädchenclique rund um Holly ist eingeschworen und sie haben gewisse Rituale. Trotzdem haben alle Geheimnisse voreinander, wobei jede glaubt, das nur sie sie aus einem guten Grund hat und die anderen haben keine. Diese Dinge aber treiben sie auseinander, obwohl sie diese Geheimnisse doch hüten, um ihre Freundschaft nicht zu gefährden.


    Tana French ist wieder ein vielschichtiges und auch tiefgründiges Buch gelungen, das zugleich auch Krimi ist. Es ist für mich ein nicht ganz so typisches French-Buch, nicht zuletzt, weil es an nur einem Tag spielt, weswegen es in der Gegenwartshandlung also nicht viel Entwicklung geben kann. Die Haupthandlung spielt in der Vergangenheit und läuft auf die Gegenwart zu. Zudem steht der Ermittler nicht im Vordergrund sondern die Mädchen. Bei mir reicht es wegen der für mich etwas zu ausufernden Sprache und einem etwas willkürlich eingefügten, übernatürlichen Aspekt, der auch nicht aufgeklärt wird, nicht ganz für eine hohe Punktzahl. Für mich ist es nach "Sterbenskalt" das schwächste Buch der Autorin. Zufällig wieder ein Buch, in dem Frank Mackay vorkommt (der auch als Hollys Vater kurz auftaucht). "Geheimer Ort" ist kein schlechtes Buch, aber es hat für mich nicht den besonderen Zauber entwickeln können, den "Grabesgrün", "Totengleich" und "Schattenstill" auf mich ausgeübt haben. Erst zum Schluss habe ich etwas von der Tana French durchschimmern sehen, die mir persönlich so gut gefällt. Trotzdem erwarte ich ihr nächstes Buch jetzt schon mit Spannung.

  • Danke Darcy,


    Deine Rezi trifft die Stimmung und auch meine Eindrücke zum Buch sehr gut.


    Ich möchte noch die weibliche Ermittlerin erwähnen, die ein wenig von Stuart McBrides DI Steel hat - lange nicht so extrem, aber ein wenig - das war's schon mit der Ergänzung

    Binchen
    :write
    Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält. (William Somerset Maugham) ;-)

  • Ich habe drei Viertel gelesen. Und obwohl ich Tana Frenchs Bücher mag - nicht gefallen hat mir bisher nur das eine, in dem Frank Mackey im Mittelpunkt stand - muss ich sagen, dass ich es als reichlich zäh empfinde.


    Es hätte dem Buch sehr gut getan, wenn wenigstens einige Passagen und Gespräche zusammengefasst worden wären. Die Rückblenden gefallen mir sehr, aber die Vernehmungen bestehen oft aus seitenlangem Hin- und Hergerede, das die Geschichte nicht vorwärts bringt. Ich bin froh, wenn ich es endlich durch habe.


    Was ich aber positiv hervorheben möchte, ist der Titel. Endlich ist der Verlag davon abgegangen, Tana Frenchs Bücher mit mehr oder weniger gleichklingenden Blubberkomposita zu bezeichnen. "Geheimer Ort" ist ein knackiger Titel und passt zum Inhalt.

  • So, jetzt habe ich es durch und bin froh drum, denn wirklich Spaß hat es mir im letzten Drittel nicht mehr gemacht, obwohl ich natürlich auf die Auflösung neugierig war.
    Nach wie vor finde ich die Rückblenden, die Schilderung der Mädchenfreundschaft großartig. Das war ja wohl auch das eigentliche Anliegen der Autorin. Die endlosen Vernehmungen in den Gegenwartssträngen fand ich zum Teil zäh wie Leder, und wenn ich noch ein paar Seiten "ohmeinGott" und "Hallo?!" hätte lesen müssen, hätte ich das Buch weggelegt.


    Übrigens frage ich mich bei Tana Frenchs Büchern auch immer wieder, ob das endlose Hinterfragen, die Selbstkontrolle, die unausgesetzte Beobachtung der Kollegen und Vorgesetzten, ob sie sich nicht vielleicht eine Böße geben oder was andeuten wollen, was einen irgendwie vorwärtsbringen könnte in der Karriere ... ob das eigentlich normal ist im Berufsleben.
    Ich will nicht sagen, dass es mich nervt, aber es ist eine Perspektive, die mir sehr fremd ist (ich bin allerdings auch schon lange nicht mehr berufstätig).


    Grüße von Zefira

  • Bisher war ich von allen Tana French Krimis begeistert.
    Bei diesem gilt das nur sehr eingeschränkt.


    Sehr gut gefallen haben mir die Schilderungen der Beziehungen der Schülerinnen untereinander und mit den Jungs der benachbarten Schule. Dieses Geflecht von Freundschaften, von Nähe und Intimität. Und auf der anderen Seite von Rivalität, Macht, Unterwerfung.
    Das ist der Autorin wirklich gelungen - ganz fein und subtil. Niemals platt und klischeehaft.


    Nur - als Krimi funktioniert das Buch nicht. Es ist langweilig und zieht sich wie Kaugummi. Die Machtspielchen der Ermittler bringen auch keine Spannung sondern eher ein Gefühl von: Das habe ich aber schonmal besser gelesen.


    Ich denke, Tana French hätte sich trauen sollen, mal einen ganz anderen Roman zu schreiben. Keinen Krimi, sondern ein Buch über Freundschaften. Aus einer anderen Perspektive.


    Empfehlen kann ich das Buch allen Leserinnen, die sich für die Cliquen von Jugendlichen interessieren. Krimifreunde sollte besser ein anderes Buch lesen.

  • Rumpelstilzchen@ mir ging es bei diesem Buch ganz genauso wie Dir..


    Ich habe bisher alle Tana French Krimis verschlungen, aber bei diesem ist es mir auch schwer gefallen, weiter zu lesen und ich habe lange wie noch nie gebraucht, um es zu beenden. Ich hoffe wirklich, dass es nur ein "Ausrutscher" von Tana war und der nächste Krimi wieder besser wird.


    Für alle Krimileser, die noch kein Buch von Tana French gelesen haben - bitte nicht mit diesem anfangen. Sie hat weitaus bessere Bücher geschrieben...


    :wave
    Sweetie

  • Ok, ihr scheint euch ja recht einig zu sein, dann schiebe ich das Buch mal wieder etwas weiter nach unten in meinem ZUB... :wave
    Ich finde ihre Bücher sind doch recht unterschiedlich. Grabesgrün und Totengleich waren meine Favoriten. Die anderen waren zwar auch gut, aber meiner Meinung nach schon etwas zäher.

  • Eskalina@ ja, mir auch - Grabesstill war mein Anfang - fand ich toll und war neugierig auf das nächste. Das war dann Totenstill - das fand ich einfach nur genial...danach ging es zwar nicht steil, aber es ging bergab...leider !


    :wave
    Sweetie

  • Ich kann mich den meisten hier anschließen, aufwärts geht es in der Tat nicht. Hier haben mich die Dialoge mit den Teenies ganz enorm genervt. Natürlich können Teenies in der Hinsicht nervtötend sein (bei uns hören sich viele Mädels an wie Chantal aus Fuck ju Göhte), aber diese Dialoge mit dem OmeinGott haben mir echt den Rest gegeben. Anfangs habe ich noch gerätselt, wieso das Buch so schlechte Kritiken bekommen hat - bis ich dann die letzten 200 Seiten im Schnellverfahren durchgeblättert habe. Das ging ja gar nicht.

  • Obwohl ich gerne Krimis lese und Tana French mittlerweile zur Speerspitze der Krimi-Autorinnen zählt, war "Geheimer Ort" der erste Roman, den ich von der in Dublin lebenden Schriftstellerin gelesen habe. Meine Befürchtung, dass ich mir zuerst die vier vorherigen Krimis vornehmen müsste, erfüllte sich zum Glück nicht. Zwar gibt es einige Anspielungen auf andere Werke (zum Beispiel durch das kurze Auftauchen von Ermittler Frank Mackey), dennoch ist es der erste Fall, in dem das neue Detective-Duo Moran und Conway unterwegs sind.
    Ihre Arbeit führt sie zum Mädcheninternat St. Kilda, in dem vor gut einem Jahr der Teenager Chris erschlagen wurde. Die damaligen Ermittlungen führten zu keinem Ergebnis, doch inzwischen gibt es eine neue heiße Spur.
    Um die Handlung zusätzlich zu erschweren, arbeitet Detective Moran nicht nur auf Probe im Morddezernat, sondern hat zusammen mit seiner Partnerin nur einen Tag Zeit, den Fall aufzuklären. Eine tatsächliche Notwendigkeit für diese enge Frist konnte ich zwar nicht erkennen, eine nette Idee war es aber dennoch.
    Unnötig fand ich allerdings die leichte Mystery-Komponente, die im zweiten Romandrittel eingeführt wird. Die Geschichte hätte ohne sie genauso funktioniert. Aber das soll keine Kritik sein. Der "Geheime Ort" bietet großartige Krimi-Unterhaltung, die von Anfang an zum Miträtseln einlädt. Ich freue mich schon auf weitere Fälle von Moran und Conway.