Archi spukt in Amerika – Dieter Grimm (ab ca. 7 J.)

  • Erstmals erschienen 1975


    Archi ist ein Gespenst. Es gehört zu dem schottischen Schloß Bimborn, das allerdings seine Heimat verlassen hat. Ein US-Millionär, Mister Hillbilly, hat das Schloß gekauft und abbauen lassen, um es zuhause in Hillibillivill wieder aufzubauen. Mit dabei ist der halbe Schloßpark samt dem Gartenpavillon, in dem Tante Juliane sitzt, eine (noch lebende) Verwandte von Archi. Sie tuckern auf dem Ozean in die neue Heimat, das Schloß in Einzelteilen auf dem Schiff, der Park hintendrein.


    Nun ist Archi kein gewöhnliches Gespenst, sondern ein Gespensterkind, verschüchtert und sehr einsam. Es ist nämlich elternlos. Zu Mister Hillbilly hat es aber Vertrauen, der ist ja Millionär und Amerikaner. Das Abenteuer beginnt schon auf dem Überfahrt, ein Sturm bringt Schloßpark und Schiff fast zum Sinken.
    Glücklicherweise rettet Archi alles, aber durch die Rettungsaktion wird er riesengroß und ziemlich schwarz. Beim Einlaufen vor New York entdecken Reporter ihn. Prompt wird er zum Monster und laut Presse eine Gefahr für das Land. Da auch Mister Millionär durch eine Ritterüstung, in der ein Poltergeist steckt, in eine Klemme gerät, sind sie bald auf der Flucht. Nur ein einziger Reporter steht ihnen bei.


    Nach tollkühnen Abenteuern, bei denen Tante Juliane eine Casino-Bank in Las Vegas sprengt, sie sich mit einem Goldgräber namens Digy Digdig und weiteren putzigen Wesen anfreunden, gelingt es ihnen, Archi vom Ruf, ein Monster zu sein, zu befreien, Mister Millionärs Heimatstadt einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung mittels Massenproduktion von Corned Beef zu verschaffen und Archis Eltern zu finden.


    Es ist nicht leicht, dieses Buch zu lesen und nicht etwa, weil es der zweite Band über Archi ist. Man wird breit über die Vorkommnisse des ersten informiert. Die Geschichte ist ein einziger, gigantischer Klamauk, allerdings ohne auflockernde Ironie.
    ‚Amerika‘ ist das Land der Wolkenkratzer, Goldgräber (mit Schaufel, kariertem Hemd und Bart. Und sächsischem Akzent (sic!)), allerdings nicht ungeahnter Möglichkeiten, denn das, was passiert, muß man nicht mehr ahnen. Man kennt es. Es war schon zwei Generationen überholt, ehe das Buch geschrieben wurde. Es ist alles furchtbar lustig und voller allerliebster Einfälle, z.B. dem, daß Archi grüne Haare hat oder ihn Tante Juliane immer streng zum Spuken anhalten muß. Tatsächlich gibt es einige gute Ideen, aber die helfen nicht gegen die vorherrschende erschütternde Albernheit des Ganzen.


    Erzählt wird sehr betulich, so, als ob Kinder unterentwickelt seien, nur weil sie klein und jung sind. Dabei geraten auch die witzigeren Abschnitte unter die Räder und die Witze sowieso, auf denen so lange herumgedroschen wird, bis nicht einmal mehr ein Hauch eines Lächelns beim Lesen übrigbleibt. Jemand könnte ja etwas nicht verstanden haben.
    Archi und auch Poltergeist Anton sind kein bißchen unheimlich, den Part übernehmen die Klischees und Stereotypen, mit denen gearbeitet wird. Natürlich gelten die letzten Sätze des Buchs dem Lob des Lands der wahren Freiheit. Übergossen wird das alles mit der Soße einer wahrhaft rührenden Wiedervereinigung der Gespensterfamilie („Archibald, - die beiden dort sind deine Eltern.“).
    Man liest und schaudert.


    Bebildert wurde das Buch von Rolf Rettich, der aus dem unglücklichen Text das Beste herausholt und schräge bis skurrile Vignetten und Illustrationen liefert. Ein bißchen Vergnügen immerhin. Über den Autor war nichts herauszufinden.


    Insgesamt ein Kinderbuch, dessen Fehlen in heutigen Beständen keinen allzu schmerzlichen Verlust darstellt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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