Jette ist fast ein Schulkind, sie kann es kaum noch erwarten. Die Kita ist schrecklich langweilig, immer die gleichen Bilderbücher und die Baby-Spiele. Gut, daß in ihrer Familie etwas wirklich Aufregendes passiert: Tante Greta ist schwanger. Jette möchte, daß das Baby ein Junge wird, Sander soll er heißen. Greta und ihre Partnerin Ruth hätten lieber eine Tochter. Das Glück ist auf Jettes Seite, Sander wird geboren.
Allerdings kommt er zu früh. Jette findet das gut, sie wartet nicht gern. Sie liebt Sander, genauso wie Miralda, die Katze ihn liebt. Daß die Erwachsenen sich Sorgen machen, kümmert Jette wenig. Außerdem rückt der erste Schultag näher und näher. Das Leben ist so spannend!
Doch dann stirbt Sander. Plötzlich ist Jettes Welt erstickend voll mit Trauer.
Helga Gutowski erzählt in kurzen Sätzen, im Präsens, immer auf das Wesentliche konzentriert. Das Wesentliche sind Jettes Eindrücke und Gefühle. Jette ist ein lebhaftes Mädchen, neugierig auf Neues, vor allem auf das Leben. Sie hat eine Neigung, die Dinge positiv und hin und wieder auch ein bißchen zu einfach zu sehen. Sie ist offen und nicht immer taktvoll. Ihre Art, das Leben zu nehmen, wie es kommt, ist erfrischend und entspricht in vielem dem kindlichen Blick auf die Dinge. Die Reaktionen ihrer Umgebung und deren Ansichten bilden den kritischen Kommentar zu Jettes Worten und ihrem Tun. Sie bringen Komplexität in die Handlung und verhindern jede Art der naiven Betrachtung des Themas.
Viel Raum nimmt Jettes Interaktion mit anderen ein. Sie ist spontan, sie geht auf andere zu. So spricht sie etwa beim Friedhofsbesuch mit ihrer Großmutter ohne Scheu die Frau am frischen Nachbarsgrab ab oder später ein Mädchen, das schon in die Schule geht und das Jette sehr bewundert. Ihr Kinderleben steht im Vordergrund. Es ist munter, spaßig, abenteuerlich. Gutowski hat eine besondere Ausdrucksweise gefunden, die vielem Alltäglichen etwas Neues abgewinnt, beim Beschreiben der Tageszeiten, z.B. oder bei Jettes drolligen Schreibversuchen.
Als die Erwachsenen mit Sanders Tod konfrontiert werden, steht Jette auf einmal recht allein da. Das ist eine überraschende Sichtweise auf das Thema, die Familie reagiert nicht mit Zusammenrücken, sondern mit Vereinzelung. Unter Jettes Augen verändern sich die Erwachsenen. Das muß sie ebenso verarbeiten wie den Tod ihres kleinen Cousins. Lange glaubt sie nicht, daß er tot ist. Sie wird hin – und hergerissen zwischen Ausnahmesituation und den trotzdem weiterhin geltenden Ansprüchen des Alltags.
Eine besondere Rolle nimmt die Katze Miralda ein, auch das ein origineller Aspekt dieses Kinderbuchs. Friedhofsbesuche, der Tod, Sanders Beerdigung werden ausführlich geschildert, es sind wichtige Momente der Handlung. Der Hintergrund dabei ist der christliche. Seine Darstellung zeigt allerdings, in welch großen Maß theologische Doktrin bereits verlorengegangen ist. Beschreiben wird eine Mischung aus christlichen Versatzstücken mit Allerwelts-Esoterik und einfachem magischen Denken, das herhalten muß, wenn Menschen Trost und Sinnstiftung brauchen. Insofern ist das Buch nicht nur ein Kinderbuch, das das Thema Trauer auf eine neue, sehr anspruchsvolle Weise beleuchtet, sondern auch ein aufschlußreiches Zeitdokument.
Unterstützt wird die Geschichte mit Kerstin Meyers detailreichen schwarz-Weiß Illustrationen, die Emotionen jeder Art nicht nur in den Gesichtern, sondern auch in der Körperhaltung der Figuren feinst nuanciert übermittelt.