Kinderfreundlichkeit in Deutschland

  • Zitat

    Original von Behrnie
    ... ist und bleibt die Entscheidung, ob, wann und wieviele Kinder man sich leistet, bei den Leuten, die überhaupt gewohnt sind, ihren Kopf zu benutzen, eine Kopfentscheidung. Völlig unabhängig von den äußeren Umständen nur aus dem Bauch heraus zu entscheiden, wäre nämlich schlicht und einfach dumm.


    Und ich sage dir: Eine reine Kopfentscheidung ist ziemlich herzlos. Solche Eltern hätte ich nicht haben wollen.


    Wer sich Gedanken um Kinder macht, überlegt selbstverständlich, ob er sie auch einigermaßen gut groß bekommt. Dazu gehört sicher auch die finanzielle Lage und die Gedanken um die Organisation des Familienlebens in allen Facetten. Wer allein seinen Kopf einsetzt, um rauszukriegen, ob er Kinder in die Welt setzt, sollte es besser gleich bleiben lassen.


    Kinder sind anstrengend, kosten Geld und Nerven, aber wer sich dennoch willentlich dafür entscheidet, tut es sicher mit dem Wissen, dass es Einschränkungen mit sich bringt, aber aus dem Wunsch heraus, ein Kind auf dem Weg ins Leben zu begleiten, wie steinig das auch werden mag. Auf ein Investitionsobjekt reduziert möchte ich mir das lieber nicht vorstellen.


    Ich wußte auch recht früh, dass ich mir ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen kann und bin trotz aller Einschränkungen froh, dass ich sie habe. Wieviel Mühe noch vor mir liegt, kann ich nicht absehen. Beim besten Willen kann man nicht alles einkalkulieren und ich werde heilfroh sein, wenn ich es schaffe, dass sie selbständig leben können und einen Beruf gefunden haben, der möglichst ihren Neigungen entspricht und dann auch Arbeit finden. Da liegen noch ein paar Klippen, die ich umschiffen muss. Aber um nichts auf der Welt möchte ich sie missen.

  • Doc was du schreibst, ist der Idealfall. So sollte es sein.
    So ist es aber nicht.


    Kinder von Eltern mit wenig Geld, überlegen sich schon, ob sie sich noch weitere Kinder anschaffen.
    Kinder von Eltern mit wenig Geld, haben auch in der Schule manchmal Nachteile, weil sie sich nicht Diesel, Lewis oder was sonst noch immer leisten können.
    Und so könnte man noch eine ganze Reihe von Gründen aufzählen.


    Aber sind Eltern mit wenig Geld denn wirklich schlechtere Eltern?


    Und was das Verhältnis des Staates zu Kindern angeht - Kinder sind in diesem Staat zwar erwünscht (weil der Staat nun langsam immer älter wird) - aber bitte schön immer mit den Gedanken im Hinterkopf "Kümmern müsst ihr euch schon alleine darum".
    Klar muss oder soll man als Eltern seine Kinder selber erziehen, aber es gibt auch bestimmte Rahmenbedingungen, die geschaffen werden müssen, um überhaupt Kinder vernünftig großzuziehen. Und das betrifft nicht nur das Kindergeld. Es betrifft auch die Erziehung im Kindergarten und in der Schule. Es betrifft auch die Gleichstellung der Kinder - das Kind kann doch nichts dafür, wenn Vater oder Mutter arbeitslos sind - jedes Kind muss die gleichen Chancen erhalten.


    Es kann doch nicht sein, dass bei uns Hunde besser behandelt werden, als Familien mit Kindern.



    Micha !!!

    Auf dem Dachboden lebten wir vier, Christopher, Carrie, Cory und ich.
    Nur drei gehen wieder fort von hier.


    V.C. Andrews

  • Aber Micha, natürlich weiß ich, daß es genügend Eltern gibt, die Kinder (auch in Deutschland) aus wirtschaftlichen Gründen bekommen bzw. im umgekehrten Fall auch ablehnen. Nur sollte das eben nicht so sein. Das wollte ich ausdrücken.


    Und das eine Kindheit in Deutschland vor 30 oder 40 Jahren besser war als heutzutage, halte ich schlichtweg für nostalgische Verklärung.


    Gruss,


    Doc


  • .............na, immerhin durften wir noch auf Bäume klettern, auf der Straße spielen, hinterm Haus bolzen, Lärm machen, Klingelmännchen machen, Streiche spielen .......... und das alles in einer Großstadt.


    Meine Kinder können es nicht, die beiden jüngsten noch weniger als mein Großer ................... es dauert nicht lange und jemand schreit 'Verboten' oder 'Ruhe' oder es wird sogar mit der Polizei gedroht. Vielleicht ist der Grund dafür ja auch der, dass ich NICHT im Norden unserer Stadt wohne, wo es noch auf der Straße spielende Kinder gibt aber auch jede Menge sozialer Mißstände. Dort möchte ich nicht wohnen und im Süden unserer Stadt geht es halt halt gesitteter und vornehmer zu, da passen Kinder einfach nicht für jeden. Ich glaub nicht, dass ich das nostalgisch verklärt sehe ............ die Veränderungen habe ich in dem Stadtteil, in dem ich groß geworden bin, hautnah mit erlebt. 25 Jahre in ein und derselben Straße, da merkt man so etwas.


    Gabi

  • :-( Ich denke, dass so viele Menschen sich beschweren wenn Kinder laut sind, liegt einfach an der steigenden Intoleranz in Deutschland. Kinder sind nunmal laut und das stört so viele.

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner

  • Ok, dann schätze ich mich einfach mal glücklich, daß meine Kinder und ich solche Erfahrungen nicht gemacht haben.


    Vielleicht liegt das Problem auch darin, daß man eben stets nur von negativen Erfahrungen hört. Die Leute, die positive Erfahrungen gesammelt haben melden sich halt weit weniger zu Wort. Ist halt so.


    Gruss,


    Doc

  • Ja, die gibt es leider. Aber zum Glück überwiegen dann doch die guten Erfahrungen.


    Nach der Trennung von meinen Mann suchte ich mit zwei kleinen Kinder (damals 7 und 5 Jahre) eine neue Wohnung.
    Von 7 Wohnungen, die ich besichtigt habe, wurde ich bei zweien ganz offensichtlich wegen der Kinder nicht genommen.
    Eine davon wurde von einem Markler vermittelt, der mir folgendes sagte:
    Ich denke die Wohnung ist zu klein. Sie wissen ja wie das ist: Da geht man als alleinstehende Frau in die Disco und ruckzuck ist ein drittes Kind da.


    Damals war ich so baff, daß ich nur noch den Telefonhörer aufgeknallt habe.
    Heute würde ich so einem Affen etwas anderes erzählen.



    Als ich dann endlich eine schöne Wohnung gefunden habe, kamen direkt nach ein paar Tagen Beschwerden über meine Kinder. Mich hat niemand angesprochen, sondern es ging direkt ein Brief an die Hausverwaltung.


    Nicht nur, daß ich damals eine Menge Probleme durch die Scheidung hatte, mir wurde auch noch das Leben schwergemacht, weil ich alleinstehend und Kinder hatte.


    Mittlerweile wohne ich nun schon 8 Jahre in dieser Wohnung und habe in dieser Zeit festgestellt, daß die meisten Nachbarn sehr nett und auch kinderfreundlich sind. Es gibt halt überall ein paar Idioten, die man einfach ignorieren muß. Und damit können meine Kinder und ich jetzt gut leben :-)

  • Ich meinte eigendlich die Kinderfreundlichkeit in Deutschland.
    Ich glaub nicht, daß es in diesem unserem Lande, sehr weit her ist mit der Kinderfreundlichkeit. Es ist eher so, daß für jedes Auto mehr Platz ist, als für ein Kind.

    Du mögest arm sein an Unglück und reich sein an Segen, langsam im Zorn, schnell in der Freundschaft. Doch ob arm oder reich, langsam oder schnell, nur das Glück sei dein Begleiter von heute an
    Irisch

  • Zitat

    Original von Sirius Black
    Es ist eher so, daß für jedes Auto mehr Platz ist, als für ein Kind.


    Wie kommst du auf diese Behauptung? Würde mich wirklich interessieren, ob es darüber irgendwelche Erhebungen gibt.

  • Zitat

    Original von Iris
    Fazit:
    »Leute, rechnet nicht, macht einfach. Rechnen macht arm. Machen macht glücklich. Nicht Deutschland. Einen selber.« :grin


    Korrekt.
    Und man wird mit Kindern zwar nicht finanziell reicher, aber immerhin um ganz viele Erfahrungen. Was ja auch nicht zu unterschätzen ist. :-]


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Doc als Gast
    Und das eine Kindheit in Deutschland vor 30 oder 40 Jahren besser war als heutzutage, halte ich schlichtweg für nostalgische Verklärung.
    Doc


    Das ist mir zu pauschal, Doc. du berücksichtigst m. E. nicht den Unterschied zwischen Stadtkindern und Landkindern. Meine Kindheit war unbeschwerter und abenteuerlicher damals als die Kindheit meiner Tochter. Zu meiner Zeit gab es noch unweit unseres Hauses richtige natürliche Wildnis, in der wir Sommer und Winter spielen konnten, Baumhäuser bauten aus Trümmerteilen zerstörter Häuser und von Vattern geklauten Nägeln. Wir konnten Schilf am Fluss schneiden und uns damit den Fluss hinabtreiben lassen. HInterher gabs zwar Keile, weil das ja nicht ungefährlich war, aber wir habens trotzdem immer wieder getan. Wir hatten Höhlen unter meterdicken Weidenbäumen und dergl. mehr. Über unseren Lärm regte sich keiner auf.
    Alle diese Schätze sind heute in Parks verwandelt, mit tausend Verbotsschildern belegt, mit strengen Ordnungshütern bepflastert und vor allem überall mit Hundek.. versehen. Schreien und Toben ist ohnehin nicht mehr möglich, denn sonst steht gleich der Peterwagen auf der Matte. Das erste, was Kinder heute lernen müssen, ist, daß sie von Verboten umgeben sind. Wir konnten noch auf Wiesen tollen, dort Blumen pflücken und niemand verwehrte uns das. An derselben Stelle ist heute ein gepflegter Rasen, den niemand betreten darf.
    In der Stadt mag das anders gewesen sein und der Wandel deshalb auch nicht so krass spürbar. Auf dem Land aber merkst du wohl den Unterschied.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    In der Stadt mag das anders gewesen sein und der Wandel deshalb auch nicht so krass spürbar. Auf dem Land aber merkst du wohl den Unterschied.


    Akzeptiert. Ich schrub ja auch, daß ich das aus meiner ganz persönlichen Sicht nicht so empfinde. Ich bin eben ein Stadtkind durch und durch (wie meine Kinder eben auch). Und die Hinterhöfe und Grünanlagen sehen bei uns im Grunde genommen genauso aus, wie vor 30 Jahren zu meiner Kindheit. Mein schrecklichster Urlaub war für mich Ferien auf dem Bauernhof. *grusel* :-)


    Gruss,


    Doc

  • Hi Demo,
    du magst vielleicht denken, dass ich irgendwo auf dem Mond lebe, aber solche Plätze gibts hier auch noch. Mein Sohn baut mit seinen Kumpels auch heute noch in einem kleinen Waldstück keine 5 min. von zuhaus entfernt, seine Baumhäuser und darf auch noch laut toben. Im Ort kennt man die Kinder und weiß, in welches Elternhaus sie gehören. Da kann es sogar vorkommen, dass sie beim Einkaufen gesagt bekommen: "Bring das Restgeld einfach nächstes Mal mit" wenn sie nicht genug Geld dabei haben. Es ist halt sehr übersichtlich hier. :-)


    Ihr habt schon recht, es kommt auf die jeweilige Wohnsituation an, ob die kids eine unbeschwerte Kindheit haben dürfen oder nicht.

  • Hallo Idgie,
    genau so war es in meiner Kindheit. Und wenn die Erntezeit war, sind wir immer mit dabei gewesen. Auf dem Heuwagen mitgefahren, wir haben Kartoffelfeuer angezündet und unsere Kartoffeln am Stock darin geröstet (meist noch mit der Erde dran), Kühe gehütet und jeden Schabernak getrieben, der möglich war. Auf der Straße haben wir Rollschuh-Hockey gespielt (mit Eisenrädern, andere gabs nicht und ausgedienten Schlägern der Canadierflieger). Es wurde auf der Straße ein Netz gespannt und Federball gespielt, denn Autos fuhren ja kaum und wenn, dann langsam. Am Bahndamm haben wir Kohlen geklaut, die in der Kurve vom Tender fielen und wilde Früchte im Gestüpp gesammelt und gegessen. (Durchfall war normal dabei, weil meist noch unreif). Und wenn mal einer sich die Pelle aufgerissen hatte, wurde zu Hause ein Pflaster drüber geleimt und der Spruch aufgesagt: "Bis du heiratest ist das zugewachsen". Kurz, es war ideal und wir lebten mehr oder weniger in Freiheit. Erst später, als wir schon aus dem Kinderstadium raus waren, begannen die Reglementierungen. Und das finde ich schade.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Idgie


    Wie kommst du auf diese Behauptung? Würde mich wirklich interessieren, ob es darüber irgendwelche Erhebungen gibt.


    Kommt noch aus meiner Schulzeit.
    Mein Klassenlehrer und meine Englischlehrerin (war in der 8. Klasse) haben uns damals einen Vergleich zwischen dem Verhalten zu Kindern in dem jeweilgen Land gezeigt.
    Ist bei mir seitdem so eingebrannt im Hirn, daß es so ist, obwohl die Briten im Verhältnis mehr Autos hatten als die Deutschen.
    Ich habe das Gefühl, daß das heute noch so ist.

    Du mögest arm sein an Unglück und reich sein an Segen, langsam im Zorn, schnell in der Freundschaft. Doch ob arm oder reich, langsam oder schnell, nur das Glück sei dein Begleiter von heute an
    Irisch

  • Habe heute im Radio gehört:

    Zitat

    Es ist zulässig, 5% Miete zu mindern, wenn Kinder im Hof Fußball spielen

    :fetch
    Ist das nicht traurig?
    Wie sollen die Deutschen jemals wieder Fußballweltmeister werden? :grin

    Du mögest arm sein an Unglück und reich sein an Segen, langsam im Zorn, schnell in der Freundschaft. Doch ob arm oder reich, langsam oder schnell, nur das Glück sei dein Begleiter von heute an
    Irisch

  • Das ist sehr traurig, aber nicht wegen des Fussballs, sondern weiß so viele Familien sich gegen Kinder entscheiden und das ist auch häufig einer der Gründe. :fetch

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner