Zum Inhalt:
Lang war die Reise, lang wie die Reisen in Märchen. Gül hat Tage gebraucht, um nach Deutschland zu kommen, und sie weiß noch nicht, dass die Jahre wie Wasser dahinfließen werden, bis ihr Haus in der Türkei gebaut ist und sie zurückkehren kann. Bis dahin lernt sie alle Arten der Sehnsucht kennen: die nach ihren beiden Töchtern, nach ihrem Vater, dem Schmied, nach Düften und Farben und Früchten. Doch unmerklich wird die Heimstraße in diesem kalten, unverständlichen Land zu einer anderen Heimat. „Euer Leben wird in der Fremde vergehen“, warnt man sie. Aber die ganze Welt ist eine Fremde, wenn man nicht bei den Seinen ist.
Der Autor:
Selim Özdogan wurde 1971 in Köln-Mühlheim geboren. Er wuchs zweisprachig deutsch-türkisch auf. Nach dem Abitur (Hölderlin-Gymnasium) studierte er Völkerkunde, Anglistik und Philosophie, brach sein Studium jedoch ab. Seit 1995 ist er als Autor tätig.
Meine Meinung:
Wer "Die Tochter des Schmieds" über Güls Kindheit gelesen hat, wird auch diese Fortsetzung lieben. Sie beginnt in den 1960er Jahren mit Güls Reise von Anatolien nach Deutschland. Es liest sich aber auch als ganz eigenständige Geschichte ohne Vorkenntnisse des ersten Bandes wunderbar.
Eine alltägliche Geschichte, wie sie wohl viele Einwanderer erlebt haben. Und auch heute noch erleben. Selim Özdogan hat eine wunderbare Art die türkische Kultur so zu beschreiben, dass man sich gleich mittendrin fühlt. Sie ist so ganz anders als die, in der ich aufgewachsen bin, auch wenn ich wohl nur ein paar 100 Meter neben einer anderen Straße ähnlich der Heimstraße aufgewachsen bin. Viele Berührungspunkte gab es damals zwischen meiner deutschen Kultur und der türkischen nicht. Und so anders diese Kultur auch sein mag, in dieser Geschichte sie mir nicht mehr "fremd".
Der Klappentext preist das Buch als "modernes Märchen" an, aber das ist es so gar nicht. Dafür ist die Erzählung einfach viel zu realistisch. Die Poesie, die in Özdogan Sprache durchklingt, die Liebe zu seinen Protagonisten, das Verständnis für Kulturen - all das erlaubt es dem Leser auch von den Widrigkeiten des realen Lebens hier gerne zu lesen. Es braucht kein Happy End, die Hoffnung auf ein besseres Leben bleibt immer.