Augustas Garten / Andrea Heuser

  • "Die Mama weiß nicht, dass sie keinen Geburtstag haben will. Es gibt vieles, was die Mama nicht weiß. Bald gehen wir wieder nach Hause, hat die Mama gesagt. Immer wieder hat sie die Mama das gefragt, und immer wieder hat die Mama geantwortet: 'Bald.' Und dann stimmt das gar nicht."


    Augusta und ihre Mama haben ihre Sachen gepackt und machen jetzt Urlaub bei Eduard. Das hat die Mama zumindest gesagt, doch die Zeit bei Eduard zieht sich ganz schön hin. Augusta möchte jetzt gerne zurück zum Papa. Da hat sie doch auch all ihre Sachen. Ihr Lieblingsspielzeug, ihr Bett und eben den Papa. Die Mama hat gesagt, dass sie bald zum Papa zurückgehen, aber eigentlich hat die Mama eh vieles versprochen, was sie dann nicht eingehalten hat, was man eigentlich nicht darf. Einen eigenen Garten z.B., denn den wünscht Augusta sich schon ganz lange. Weil die Mama keine Zeit hat und ihr Versprechen nicht hält, macht Augusta sich allein auf den Weg zum Papa.


    " 'Wann darf man mit dem Denken anfangen? Mit vierzig?'
    'Wie bitte?'
    'Eine altersgemäße, aber selbstständige Auseinandersetzung mit den Dingen führt dazu, dass die Kinder Werte wie etwa die von > gut < und > richtig < später auch als ihre eigenen zu erkennen vermögen. Während ...' [...]
    'Was soll so ein Kind denn bei mir lernen? Dass es noch nicht mal lachen darf über Dinge, die unseren Alltag manchmal so rätselhaft, ja, und auch komisch machen? Mit den Geschichten, die ich mit ihren Kindern lese, oh ja, die ich ihren Kindern zutraue, möchte ich ihnen vor allem eins zeigen: dass ich sie ernst nehme.'"


    Völlig unaufgeregt skizziert Autorin Andrea Heuser den Ablauf einer Mutter-Tochter-Beziehung einer Familie, die in Trennung lebt. Kleine Szenen eines "normalen" Alltags verfließen mit Momentaufnahmen aus der Vergangenheit, der eigenen Geschichte der Mutter, zu einem Strom aus Schwierigkeiten und Missverständnissen. Sehr bildlich zeichnet Andrea Heuser ihre kurzen Kapitel in feiner, leichter Sprache, wechselt zwischen den Gedanken der Mutter und der Tochter so mühelos hin und her, als wären die beiden aus einem Guss, obwohl gerade eine große Barriere zwischen ihnen steht, die vor allem bei Augusta zu vielen Enttäuschungen führt.


    "Und morgen, morgen ist nicht heute. Einfach nur ein anderer Tag, mit Augusta in ihrem Zimmer, mit Eduard im Wohnzimmer oder im Garten, und sie selbst mit irgendetwas Alltäglichem beschäftigt."


    Sehr realistisch stellt Autorin Andrea Heuser, die bereits mit Preisen ausgezeichnet wurde, die Situation des neuen Beziehungsgefüges und die damit einhergehenden Konsequenzen dar. Augusta, die aus ihrem kindlich naiven Blickwinkel nicht versteht, warum auf einmal alles anders ist, warum die Mutter sich verändert und warum die Kommunikation so schlecht geworden ist. Miteinander reden ist schwierig, die Wahrheit auszusprechen noch viel mehr, Schuldgefühle lähmen die Zunge ebenso wie der Wunsch allen gerecht zu werden.


    "Auch einen Gutenachtkuss hat sie ihr heute nicht gegeben, sondern nur rasch ihr Gesicht gegen sie gedrückt. Vielleicht, weil auf ihrem Mund kein Platz mehr für einen Kuss ist, denn da sitzt ja jetzt die Farbe vom Lippenstift."



    "Augustas Garten" ist ein sehr menschlicher Roman, sehr dicht an der Realität, herrlich unspektakulär und gerade deswegen hebt sich Andrea Heuser Debüt auch von anderen Romanen ab. Sprache und Layout decken sich, passen in ihrer schlichten Schönheit perfekt zusammen und machen "Augustas Garten" zu einem wahren Lesegenuss.

  • Mit 5 Jahren verlässt Augusta mit ihrer Mutter Barbara ihren Vater. Als sie aus dem Autofenster zurückblickt und dem immer kleiner werdenden Vater sieht ahnt sie noch nicht das es ein Abschied für immer sein soll. Sie denkt es ist sei eine Reise. Augusta ist in ihrem neuen zu Hause bei Eduard gar nicht glücklich , sie möchte in ihr altes zuhause zurück und zu Andreas ihrem Vater. Sie hasst Eduard , sein Haus , ihr neues Zimmer und das Schwarzbrot. Der einzige Trost ist ihr Garten den sie mit Mama ans Fenster ihres Zimmers gemalt haben und dem Männchen ihrem imaginären Freund ,das Mama noch hinein gemalt hat. In ihrer Kindlichen Fantasie träumt sie sich in ihren Garten, hier ist die Welt noch Heil und bunt . Ihr Freund versteht sie und hört ihr zu , ihm kann sie erzählen wie sehr sie sich nach ihrem Papa sehnt. Er lügt und verspricht nichts . Er sagt auch nicht "Bald" , wie wenn sie ihre Mutter fragt wann sie wieder nach Hause zurückkehren... Am Vorabend ihres 6. Geburtstags gesteht ihr ihre Mutter endlich die Wahrheit. Das dies nun ihr neues zuhause ist und sie für immer bleiben. Augusta ist sehr verzweifelt und stellt fest das man sie belogen hat und beschließt ihren Papa zu besuchen. Am Morgen des 6. Geburtstages , macht sie es wahr und geht alleine fort , diesmal lügt sie auch in dem sie behauptet auf den Spielplatz zugehen... Eine verzweifelte Mutter wartet auf die Rückkehr ihres Kindes, ihre Fehler der Vergangenheit haben sie eingeholt... Augustas Flucht endet in einem dramatischen geschehen nur weil Erwachsene sie belogen haben...... Haben alle Beteiligten durch dieses Drama gelernt und vielleicht die Chance auf einen Neubeginn...........


    Der Autorin Andrea Heuser ist mit ihrem ersten Roman ein großartiges , berührendes und überwältigendes Debüt gelungen. Man spürt wie viel Herzblut in ihre Wörter ,Zeilen, und in die Geschichte geflossen sind .Ihr Erzählstil ist mehr als brillant , Ihr Stilgefühl ist Klar und Kraftvoll. Sie erzählt aus der Kindlichen Sicht aus , schließlich geht es ja auch um die 5 Jährige Augusta. Man spürt hier die Sehnsucht nach ihrem Vater , dem alten zuhause , das es schon weh tut . Eine verletzte und unverstandene Kinderseele kommt zum Vorschein , die man belügt und vertröstet mit "BALD" . Dem Verschweigen der Wahrheit mit tragischen Folgen. Sie öffnet das Fenster zu Vergangenheit der Erwachsenen , zeigt Risse in deren Kindheit auf . Sie hat deren dunkle Vergangenheit und der jetzigen Gegenwart geschickt mit einander verbunden. Sie lässt einem tief abtauchen in die Geschichte , lässt Augustas Garten für einem Bildhaft erscheinen. Ihre Protagonisten , ihre Charaktere , Gefühle und Ängste kommen sehr lebendig herüber. Man hat das Gefühl ein Teil der Geschichte zu sein.


    Selten hat mich ein Buch so gefesselt ! " Ein bewegender und Kluger Roman , der von dem Verlust und Hoffnung auf einen Neubeginn erzählt "


    Ich Glaube wir werden noch Oft von der Autorin hören !

  • Inhalt
    Augustas Mutter ist mit ihrer fünfjährigen Tochter zu einem neuen Partner gezogen. Auf Fragen, wann Augusta wieder in ihr vertrautes Zuhause ziehen und wann sie ihren Vater wiedersehen wird, antwortet die Mutter ausweichend „bald“. Über ihre Beziehung zu Eduard hüllt sie sich in Schweigen, zumindest kommt bei Augusta nichts darüber an. Bei Eduard soll das kleine Mädchen sich anpassen, respektvoll und leise sein. Augusta fühlt sich in seinem Haus nicht wie ein Kind, eher als Besuch. Die Beziehung der Erwachsenen schließt Augusta und ihre Gefühle aus. Eduard wirkt geradezu altmodisch streng. Moralischer Druck – aus Richtung von Augustas Mutter - ist spürbar, dass Augusta doch möglichst Eduard in die Kirche begleiten sollte, selbst wenn die Mutter das nicht tut. Die Kleine sieht nur einen Ausweg, sie erträumt sich einen Fantasiegarten und schafft sich einen imaginären Freund, der in diesem Garten lebt.


    Der Focus der Geschichte richtet sich auf Denken und Fühlen einer Fünfjährigen, der nicht erklärt worden ist, warum ihre Eltern sich getrennt haben. Doch bald wird deutlich, dass die Eltern Barbara und Andreas beide während des Zweiten Weltkriegs geboren und Kinder von Kriegsteilnehmern sind. Ihre Väter haben die Kriegserlebnisse in sich verschlossen, kannten vermutlich auch keinen anderen Weg der Verarbeitung. Die folgende Generation lernte in der Nachkriegszeit nur strenge, hart strafende Väter kennen und Mütter, die dazu schwiegen. Sie selbst haben als Kriegskinder den Umgang mit ihren Gefühlen und Enttäuschungen nicht gelernt und erziehen nun eine neue Generation von Kriegsenkeln. Dass Andreas auf der Suche nach seinem im Krieg verschollenen Vater ist, erfährt Barbara nur zufällig, gesprochen wird über ihre Familiengeschichten offenbar nicht. Den Kontakt zu ihren eigenen Empfindungen als Kind hat Barbara verloren; denn auch sie hat sich als Kind ungerecht behandelt gefühlt. Augusta durchbricht die sich abzeichnende Wiederholung des Familienschicksals. Sie fühlt sich bei Eduard und ihrer veränderten Mutter nicht willkommen - und darüber hinaus von Mutter Barbara belogen. Mit kleinem Gepäck macht sie sich auf den Weg zu ihrem Vater und setzt damit eine dramatische Entwicklung in Gang.


    Fazit
    In ihrem bewundernswerten Einblick in die Gefühlswelt einer Fünfjährigen lässt Andra Heuser ihre Leser mit Augusta und wie Augusta fühlen. Die zeitlose Geschichte eines aus seiner vertrauten Umgebung herausgerissenen Kindes zeigt beispielhaft, wie Sprachlosigkeit und fehlende Einfühlung in andere über Generationen weitergegeben werden kann. Die Sprache des Romans hat mich nicht vollständig überzeugt, sie könnte - harmonierend mit Augustas gradlinigen Gedanken – an einigen Stellen knapper sein. Inhaltlich ein großartiges Porträt einer Fünfjährigen.


    9 von 10 Punkten


    erscheint im Juli als Taschenbuch