Simon Jaspersen: Bevor die Nacht kommt

  • Simon Jaspersen: Bevor die Nacht kommt
    Verlag: rororo 2014. 448 Seiten
    ISBN-13: 978-3499268533. 9,99€


    Verlagstext
    Über der Reichshauptstadt türmen sich schwere Wolken. Inmitten der schlimmsten Hitzewelle sucht die Berliner Polizei nach einem Serienmörder: Vier junge Frauen verschwanden bisher, alle wurden erdrosselt aufgefunden. Nun hat der Täter erneut zugeschlagen. Die Reichskriminalpolizei glaubt, in Wilhelm Legner den Täter gefunden zu haben. Der junge Psychiater Dalus hegt jedoch Zweifel. Sein ehemaliger Patient ist zwar im Rotlichtmilieu bestens bekannt - aber ein Serienmörder?
    Oberkommissar Mohrfels gerät immer stärker unter Druck. Auch Dalus rückt der Fall plötzlich schrecklich nah: Seine Schwester Marie ist wie vom Erdboden verschluckt. Ist sie ein weiteres Opfer dieser Stadt der korrupten Politiker, gierigen Finanziers und skrupellosen Gangsterbanden?


    Der Autor
    Simon Jaspersen, geboren in Hamburg, studierte Soziologie und Literaturwissenschaft in seiner Heimatstadt. Danach war er als freier Autor und Regisseur für den NDR im Bereich Hörspiel tätig, arbeitete als Lektor. Seit 2012 arbeitet Simon Jaspersen als freier Übersetzer und Lektor. Bevor die Nacht kommt ist der erste Roman des Autors wie auch der erste Fall für die Ermittler Dalus und Mohrfels.


    Inhalt
    Im außergewöhnlich heißen Sommer 1920 fiebert Berlin der Reichstagswahl am 6. Juni entgegen, die zum Verlust der Mehrheit der Weimarer Koalition führen wird. In der Stadt hat es eine Reihe von Morden an jungen Frauen gegeben, die vor ihrem Tod offenbar gefangen gehalten und schwer misshandelt wurden. Eine weitere junge Frau wird nun vermisst. In der Woche vor der Wahl spitzt sich die Suche nach dem Täter zu, den die Presse sensationshungrig den „Schlitzer“ nennt. Von der Polizei wird in dieser unruhigen Epoche erwartet, dass sie das Bedürfnis nach Sicherheit erfüllt und der Öffentlichkeit schnell einen Verdächtigen präsentiert.


    Ermittler der Reichskriminalpolizei ist Ernst Mohrfels, der als Person erst spät im Buch Konturen annimmt. Mohrfels verlangt vom Psychiater Dr. Johann Dalus, einen polizeibekannten Verdächtigen in die Psychiatrie einzuweisen, um den Volkszorn zu beschwichtigen. Dalus hat (vermutlich als Folge seiner Tätigkeit als Feldchirurg im Ersten Weltkrieg) mit einer unbehandelten Angsterkrankung zu kämpfen. Dalus Schwester Hedwig, die er seit Jahren nicht gesehen hat, konfrontiert ihn in dieser spannenden Woche mit verdrängten Ereignissen seiner Kindheit.


    Mohrfels sieht sich in seinen Ermittlungen durch den Korpsgeist der Kaisertreuen in Militär und Polizei behindert und beginnt nicht nur an seiner professionellen Beobachtungsgabe zu zweifeln, sondern auch an der Solidarität innerhalb seiner Abteilung. Während der Kriminalkommissar sich von „ganz oben“ ausgebremst fühlt, läuft den Ermittlern die Zeit davon. Sie ahnen noch nicht, dass ein Anschlag auf ein Gala-Diner geplant ist, der mitten in Berlins linksgerichtete Kulturschickeria gerichtet ist.


    Die komplexe Handlung mit ihrem sehr gut recherchierten historischen Hintergrund spielt in Berlin in der Woche vor der Reichstagswahl 1920 und folgt abwechselnd Mohrfels, Dalus und verschiedenen (verdächtigen) Personen, die zunächst vom Leser noch nicht eingeordnet werden können. Auch die Perspektive eines Hundes fliesst in die Geschichte ein. Auf einer zweiten Zeitebene erlebt man beunruhigende Ereignisse des Jahres 1905 auf einem Gut in der Grenzmark in Markersdorf/Niederschlesien mit. Die verschiedenen Blickwinkel und Zeitebenen müssen von den Lesern des Krimis entwirrt und einander zugeordnet werden. Obwohl die Leser den Ermittlern stets ein paar Schritte voraus sind, bleibt der Plot durch zahlreiche falsche Fährten bis zum überraschenden Finale spannend.


    Fazit
    Leider bieten Jaspersens Figuren wenig Gelegenheit, dem Volk aufs Maul zu schauen. Der außenstehende Erzähler mit seiner für die Zeit der Ereignisse auffallend modernen Ausdrucksweise dominiert zu stark und lässt zu wenig Raum für lebendige Dialoge. Für einen so komplexen Plot, der den detektivischen Jagdinstinkt der Leser anregt, wirkt die Sprache des Romans nicht immer präzise. Beim Rätseln, ob eine Szene so oder vielleicht doch anders gemeint sein könnte, fühlte ich mich unnötig oft im Lesefluss unterbrochen. Stolpersteine waren nicht ortstypische Ausdrücke (Krapfen für Pfannkuchen), Redensarten, die im Berlin der 20er noch unbekannt waren (mitten in der Pampa für Jottwehdeh) und für die Zeit zu salopp wirkende Modernismen (Sie müssen einen Arzt sehen, jemandem auf den Senkel gehen). Einige Details wirken für die Epoche vor 100 Jahren zu modern (China-Imbiss, fotografierender Journalist statt Fotograf, Persönlichkeitsrechte für Psychiatrie-Patienten). Letztlich ist es Geschmacksache, wie authentisch Leser der Gegenwart sich historische Krimis wünschen und wie viel Neutralisierung ein Stoff verträgt mit Blick auf mögliche Leser, die nicht zu tief in eine weit zurückliegende Epoche eintauchen wollen.


    Lesern, die von einem historischen Berlin-Krimi nicht erwarten, dass darin authentisch „dem Volk aufs Maul geschaut“ wird, bietet sich hier ein komplexer, spannender Plot mit zahlreichen Verwicklungen.


    7 von 10 Punkten

  • Berlin, 1920: an einem Kanal wird eine übel zugerichtete Frauenleiche gefunden. Die Wunden lassen auf das Werk des "Schlitzers" schließen, der bereits 4 Frauen getötet hat. Oberkommissar Mohrfels ist ratlos. Wer ist der Mörder?
    Der Psychiater Dr. Dalus hat hingegen ganz andere Probleme. Sein Patient Legner wird verdächtigt, die Frauen getötet zu haben. Dies kann sich der Arzt aber so gar nicht vorstellen. Zudem hat sich seine Schwester Hedwig angekündigt, deren Besuch Dalus so gar nicht gebrauchen kann. Doch dann wird Hedwig entführt und Dalus kennt nur ein Ziel: er will seine Schwester finden!


    "Bevor die Nacht kommt" ist das Debüt von Simon Jaspersen und hat mir gut gefallen. Der Autor hat sich eine besonders instabile politische Kulisse ausgesucht, in dem sein Kriminalfall spielt. Und so kommt es, dass der Krimi mehr einem politischen Thriller gleicht.


    Die Geschichte wird aus der Erzählerperspektive wiedergegeben. Dabei folgt man Dalus, Mohrfels und ab und an auch unbekannten Personen, deren Geschichte in Kursiv erzählt wird. Die häufigen Perspektivenwechsel haben mir gut gefallen, da ich somit sowohl die polizeilichen Ermittlungen als auch Dalus' Suche verfolgen konnte.


    Die Story selbst wird mit jeder Seite komplexer und so manches Mal musste ich zurückblättern, damit mir die Zusammenhänge klar werden konnten. Wer sich geschichtlich in dieser Zeit nicht auskennt, sollte sich darauf gefasst machen, dass er so manchem unbekannten Begriff begegnet und sich geschichtliche Details nicht sofort als verständlich herausstellen.


    Obwohl sich der Krimi zu Beginn auf die Frauenmorde konzentriert, entwickelt er sich im Verlauf zu einem politischen Thriller, in dem die ersten Morde stark in den Hintergrund rücken. Das fand ich schade, denn ich hatte mich auf einen historischen Krimi eingestellt. Dennoch haben mir die Verwicklungen, Intrigen und politischen Schachzüge, die Simon Jaspersen beschreibt, nach einer kurzen Gewöhnung sehr gut gefallen. Allerdings wäre der öftere Bezug auf die Frauenmorde nicht schlecht gewesen.


    Die Figuren, die Simon Jaspersen erschafft, sind nicht zwingend sympathisch, dafür aber grundsolide und ich konnte ihre Vorgehensweisen zum größten Teil nachvollziehen. Dalus und Mohrfels sind keine glatten Männer, die sich überall Liebkind machen, sondern haben Kanten und Ecken. Das hat mir gut gefallen.


    Die letzten 100 Seiten haben mich dann in Atem gehalten, da hier dann alle losen Fäden endgültig zusammen geführt wurden. Das Ende bietet Potenzial für eine Fortsetzung, die ich gern lesen würde.


    Der Stil des Autors ist gut und flüssig zu lesen. Seine Erzählweise ist komplex und verlangt Konzentration. Daher ist der Krimi nichts für zwischendurch, sondern eher was für längere Leseabende.


    Fazit: ein solider politischer Thriller im Berlin der 20er Jahre. Geschichtsinteressierten kann ich diesen Thriller empfehlen.

  • Trotz der wirklich freundlichen und engagierten Bemühungen des die Leserunde begleitenden Autors (in der Hinsicht hatten wir in der letzten Zeit eigentlich generell Glück! :-]) :anbet konnte ich mich aus den bereits von Buchdoktor genannten Gründen leider nicht so sehr für dieses Buch erwärmen, wie es die Geschichte an sich vielleicht verdient hätte.
    Abgesehen von "Krapfen", "Pampa" & co und mehrere Interpretationen zulassenden Schilderungen fühlte ich mich unsäglich genervt von der nicht allein der gewählten Vergangenheitsform anlastbaren viel zu häufigen Verwendung von "hätte" und "war". Ein wenig mehr Sorgfalt, ein wenig mehr Vielfalt, bitte-bitte!
    Unsere deutsche Sprache verfügt doch über unendlich viele Möglichkeiten, ständige Wiederholungen zu vermeiden. Man muss nicht ein Kleid anhaben, man kann es tragen oder darin gekleidet sein. Ebenso muss man auch nicht eine Frisur haben, die Frisur kann nebenbei und ohne Verb erwähnt werden. Aber ich will hier nicht meine Beispiele aus der Leserunde wiederholen, wen es nach weiteren Beispielen dürstet, der mag sich dort selbst ein Bild machen.
    Übrigens zählt eine Vermeidung derartiger Schwächen für mich zu den Zuständigkeiten eines guten Lektorats!
    Möglicherweise kam dieses ja bereits seiner diesbezüglichen Aufgabe nach, immerhin gab es durchaus Passagen, in denen das nicht auftrat, aber es erschien mir insgesamt einfach viel zu viel.
    So, sorry, aber das "musste" jetzt "raus", trotz des netten Autors und trotz der sympathischen Protagonisten, denen ich bei einem weiteren Buch durchaus noch einmal eine Chance einräumen würde.
    4 Punkte

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Auf dem Klappentext hinten heißt es in einem Zitat: „Ein kenntnisreiches Gesellschaftsporträt der 1920er Jahre, eine psychologisch raffinierte, herrlich düstere Kriminalgeschichte“.
    Wie kenntnisreich das Gesellschaftsporträt ausfällt, kann ich nicht so gut beurteilen, aber eine psychologisch raffinierte, düstere Kriminalgeschichte war es für mich definitiv auch.


    Es beginnt als klassischer Krimi, die Polizei fahndet nach einem brutalen Serienkiller, bekommt aber sukzessive eine politische Dimension, die einen immer größeren Raum einnimmt. Etwa zum gleichen Zeitpunkt als das letzte Mordopfer gefunden wird, verschwindet eine junge Frau, die zunächst nur von ihrem Bruder vermisst und gesucht wird.


    Erzählt wird in mehreren Perspektiven, die man nicht sogleich durchschaut und die ihren Teil zur Vielschichtigkeit dieser Kriminalgeschichte beitragen.


    Der Autor entwickelt einen gut durchkonstruierten Plot, knifflig und zunehmend spannend, der dem Leser Konzentration abverlangt, für mich war es nicht immer ganz einfach zu folgen und die Zusammenhänge herzustellen. Lange tappt man im Dunkeln, doch nach und nach werden die Fäden verknüpft und es zeichnet sich ein Komplott ungeahnten Ausmaßes ab.


    Was mich bei anderen Büchern schon oft genervt hat, dass nämlich alles und auch jeder Gedanke lang und breit vorgekaut und „vorgedacht“ wird, trifft hier absolut nicht zu. Aufmerksames Lesen und Mitdenken ist gefordert ;-).


    Hauptfiguren sind der junge Psychiater Dalus und der kurz vor seiner Pensionierung stehende Oberkommissar Mohrfels. Zwei grundverschiedene Typen, die anfangs eher gegeneinander, im weiteren Verlauf dann auch miteinander. Generell fand ich den Handlungsstrang mit Mohrfels besser nachvollziehbar, denn die Geschehnisse mit und um Dalus hatten für mich einen leicht surrealen Touch. Aber auch das ist absolut stimmig, im Nachhinein gesehen. Je länger ich über dieses Buch nachdenke, desto genialer erscheint es mir.


    Sprach- und Erzählstil sind eigenwillig, eher sperrig und selten gefällig. Man gewöhnt sich daran, er passt zum Roman. Trotzdem hätte er nach meinem Empfinden etwas runder sein dürfen, einige auffallende Wortwiederholungen wären leicht zu vermeiden gewesen.
    8 Punkte

  • Bevor die Nacht kommt - Simon Jaspersen


    Mein Eindruck:
    Dieser Kriminalroman hat in einem begrenzten zeitlichen Umfang viel detailliert ausgeführte Handlung, dadurch wird er sehr komplex.
    Für ungeübte Kriminalromanleser wie mich kann das zu einer Überforderung führen, das Zielpublikum hingegen hat eine schöne Herausforderung.


    Anfangs hatte ich meine Probleme mit der Sprache, später wird es atmosphärischer und auch literarischer. Einiges entwickelt sich langsam. Der Leser muss durchhalten, dann wird er auch dafür belohnt.


    Am meisten hat mich Schauplatz und Zeit interessiert, die hier kühler ausgeführt ist als in vergleichbaren Romanen (Leo Wechsler-Reihe von Susanne Goga oder Volker Kutschers Rath-Romane).


    Auch ist das Ermitterlduo sehr unterschiedlich. Fast den gesamten Handlungsumfang sind sie voneinander getrennt und helfen sich eigentlich erst am Ende. Das sie so unterschiedlich in Alter und prägenden Lebenserfahrungen sind macht die Sache interessanter.
    Hinzu kommt ein in die Vergangenheit verlagerter Abschnitt, der wichtig für die Haupthandlung ist und diese gut ergänzt.


    Die Verschwörungsgeschichte an sich hatte mich weniger überzeugt, dafür war die Entführungsgeschichte stark.

  • Bevor die Nacht kommt


    Simon Jaspersen



    Inhalt und meine Meinung


    In Berlin wird die grausam verstümmelte Leiche einer jungen Frau gefunden. Da es nicht die erste so zugerichtete Leiche ist, gerät Kommissar Mohrfels heftig unter Druck. Dabei steht der kurz vor seiner Pensionierung. Gut, dass es einen Tatverdächtigen gibt. Da der bereits in der Psychiatrie behandelt worden war, drängt Mohrfels den jungen Arzt Johann Dalus zur Abfassung eines Gutachtens, das dessen Unterbringung rechtfertigt. Doch Dalus zweifelt daran, dass sein Patient ein Serienmörder sein könnte und weigert sich. Kurz darauf erfährt Dalus, dass seine Schwester, zu der er seit Jahren kaum mehr Kontakt hatte, spurlos verschwunden ist und macht sich auf die Suche.
    Ich hatte am Anfang etwas Probleme, mich auf die Geschichte einzulassen. Ein wenig sperrig der Stil, nicht leicht zugänglich die Hauptpersonen. Dazu immer wieder Einschübe, Rückblenden in Dalus Kindheit, die aktuellen Ereignisse aus der Sicht anderer Beteiligter. Es erfordert Aufmerksamkeit und Konzentration, nicht den Überblick über die vielen Handlungsstränge zu verlieren.
    Nach und nach war ich dann aber gefesselt von der immer komplexer werdenden Handlung, als erste Zusammenhänge sichtbar und der Hintergrund der beiden Protagonisten deutlicher wurde. Dalus und Mohrfels könnten kaum gegensätzlicher sein. Mohrfels, ein treuer Staatsdiener am Ende seines Arbeitslebens, geprägt von wilhelminischen Traditionen und trotzdem ein Mann mit eigenen Ansichten und Werten und Dalus, ein junger Psychiater, der sich für die neuen Methoden eines Herrn Freud interessiert und sie anwenden möchte. Es entwickelt sich ein interessantes Bild der jungen Weimarer Republik mit all ihren Problemen, verschärft durch den unbarmherzigen Kampf ihrer Gegner von rechts und links. Mittendrin stecken Dalus und Mohrfels und verfolgen unterschiedliche Spuren, die sie doch wieder zusammenführen und man kann dem im Buch vorkommenden Satz, dass alles politisch ist, hier nur zustimmen.


    Für alle, die Krimis mit historischem und politischem Hintergrund mögen, eine gute Empfehlung.

  • Es ist der Sommer 1920 in Berlin und die ganze Stadt leidet unter einer schlimmen Hitzewelle, doch es geht auch politisch heiß her. Unterschiedliche politische Vereine und Gruppen bilden sich und gehen nicht gerade zimperlich miteinander um.


    Mitten in dieser nicht besonders friedlichen Atmosphäre, muss Oberkommissar Mohrfels nach einem Serienmörder suchen, der junge Frauen brutal ermordet. Hilfe erhofft er sich dabei von Dr. Dalus, einem Psychiater, dessen Patient Wilhelm Legner als Täter verdächtigt wird. Dalus aber hat ganz andere Probleme; seine politisch sehr aktive Schwester ist plötzlich verschwunden und als ihm ein rätselhaftes Lebenszeichen von ihr in die Hände fällt, macht er sich auf die Suche nach ihr und ahnt nicht, in welche Gefahr er sich begibt.


    Nach einem sehr spannenden Beginn verwandelt sich dieser Kriminalroman immer mehr in eine Art Polit-Thriller und die eigentliche Suche des Oberkommissars nach dem brutalen Mörder, der junge Frauen grausam quält, bevor er sie tötet, gerät ein wenig in der Hintergrund.


    Stattdessen spielt die Suche von Dr. Dalus nach seiner vermissten Schwester eine immer größere Rolle, aber auch das, was sich in der gewaltbereiten politischen Szene abspielt, nimmt an Bedeutung immer mehr zu.


    Als Leser bekommt man nicht nur einen Blick auf den Oberkommissar und Dr. Dalus, sondern erhält in verschiedenen Einblendungen Einblick auf verschiedene kriminelle Aktivitäten bestimmter Leute, sowie immer wieder Rückblenden auf die Kindheit von Dr. Dalus.


    Bei den Sprüngen zu den unterschiedlichen Handlungsorten und Personen muss man sich oft schnell umstellen und gut bei der Sache bleiben, sprich das Buch nicht aus der Hand legen, damit man die komplexen Zusammenhänge verstehen kann. Die Spannung wird die meiste Zeit über aufrechterhalten und oft dienen dazu Cliffhanger am Ende einer Sequenz. Das sorgt dafür, dass man aufmerksam bei der Sache bleibt und sich die ganze Zeit überlegt, wer, wie, wo und warum miteinander verbandelt ist.


    Mein Fazit: Mir hat das Buch gut gefallen, es war anspruchsvoll, gut durchdacht und es hat mich gut unterhalten. Was will man mehr?

  • Als ersten DANKE an Wolke und den Verlag für das Buch, ebenso ein herzliches Dankeschön an den Autor für die Begleitung der Leserunde



    Schauplatz Berlin Sommer 1920


    Ein Serienmörder ist im glutheißen Berlin unterwegs. Der Schlitzer, wie er aufgrund seiner bestialischen Vorgehensweise genannt wird, hat bereits vier Frauen ermordet. Die Reichskriminalpolizei mit Oberkommissar Ernst Mohrfels, hat bereits einen Verdächtigen. Dr. Dalus, ein junger Psychiater, der den Beschuldigten Legner kennt, soll dazu ein Gutachten abfassen, aber er bezweifelt dessen Schuld. Als dann auch noch die Schwester von Dalus spurlos verschwindet, stehen die beiden unter großem Druck. So verschieden die Mohrfels und Dalus sind, so gehen sie auch den Fall getrennt an und erst am Ende entsteht eine Zusammenarbeit.


    In diesem sehr komplexen Fall ist auch die aktuelle, politische Situation eine Woche von der Reichstagswahl Thema. Zusätzlich kommen noch politische Verflechtungen aus der Vergangenheit zutage.

    Den Plot dieses Kriminalromans fand ich sehr gut und spannend. Durch die Perspektivenwechsel und auch Zeitsprünge muß man als Leser konzentriert dabeibleiben. Es ist kein Krimi, den man so nebenbei schmökert. Mir persönlich kam aber die Atmosphäre im Buch zu kurz. Ich tauche sehr gerne ein in das Geschehen und „lebe“ mit den Figuren. Das war mir in dem vorliegenden Buch leider nicht möglich. Ich fühlte mich als Beobachter und habe alles distanziert von außen gesehen. Das Jahr 1920 wurde für mich lediglich durch die Politik vermittelt, aber ich konnte z. B. die große Hitze nicht spüren und das tatsächliche Leben des Volkes – die Sprache, die Kleidung, die Wohnverhältnisse – das Feeling haben mir gefehlt.


    Von mir 7 Eulenpunkte

  • Ich bedanke mich schon mal bei allen für die Rezensionen und die Teilnahme an der Leserunde!!!


    Es hat Spaß gemacht und ich habe das Gefühl eine Menge daraus mitnehmen zu können!


    Einen netten Gruß an die Runde - und natürlich an die Büchereule selbst!


    All the best,


    Simon

  • 1920 werden in Berlin vier Frauen verschleppt, schwer misshandelt und tot aufgefunden. Die Polizei hat schnell einen Schuldigen gefunden, doch der junge Psychiater Johann Dalus kann nicht an die Schuld des Mannes glauben.
    Was zunächst als recht spannender Krimi beginnt, entwickelt sich zu einem Politthriller, der sich eine Weile gut tarnt, dann aber doch nach und nach erkennbar wird. Dabei gerät die Suche nach dem Frauenmörder im Verlauf der Geschichte zur Nebenhandlung und wird verdrängt durch Dalus’ Nachforschungen nach seiner vermissten Schwester sowie die Umtriebe einiger militanter Gruppen bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele.


    Ich glaube, bei diesem Buch habe ich komplett versagt. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich
    - kein Gespür für die Protagonisten entwickeln konnte
    - keinen Ansatz zum Miträtseln oder Äußern von Vermutungen fand
    - die Handlung an mir vorbeilief, ohne Bilder in meinem Kopf entstehen zu lassen


    Ein in einem historischen Umfeld angesiedelter Krimi muss dieses für mich greifbar machen und ein Gefühl für die damalige Zeit, die Lebensumstände und das örtliche Ambiente, kurz gesagt eine angemessene Atmosphäre erzeugen. Dass bei jedem Perspektiv- oder Szenenwechsel erst einmal erraten werden musste, aus wessen Sicht gerade erzählt wird, verhinderte, dass ich mich näher mit der jeweiligen Situation beschäftigt habe. Zunächst ging es nur darum, um welche Person es sich handelt und dann war die Szene auch meist schon wieder vorbei und das ganze Spiel fing von vorne an.


    Seltsam distanziert erscheint mir alles an diesem Buch: der Erzählstil, die Charaktere, die Handlungsorte, ja selbst der Schluss. Am Ende gibt es eine schlüssige Auflösung, bei der allerdings nicht alles aufgeklärt wird. Vielleicht wird das ja in der Fortsetzung aufgegriffen, in der offenbar das ungewöhnliche Gespann aus altgedientem Oberkommissar und jungem Psychiater wieder aufeinander trifft.

  • Mich lässt das Buch unbefriedigt zurück. Was für eine grandiose Idee einen Krimi auf den Wahltag für den ersten Reichstag einzuschreiben und dem Leser klarzulegen woran und warum diese Republik dann schließlich scheiterte. Welch verpasste Möglichkeit Parallelen zur Gegenwart herauszuarbeiten, welche Schwächen in der Sprache, die das eh schon komplexe Buch schwer lesbar machten. Nein, in den Flopthread schafft es das Buch bei mir nicht, dazu waren der traumatisierte Dr. Daus und der zerknitterte Mohrfels zu gut, aber ich trauere über das was da hätte sein können, wenn ein gutes Lektorat mit der Feinstufe Schmirgelpapier an dem Buch gearbeitet hätte.

  • Erst einmal vielen Dank an den Verlag der im Rahmen einer Leserunde Leseexemplare zur Verfügung stellte.


    Das Cover von Bevor die Nacht kommt, hat mir gefallen da es hier ein Berlin in den 20er Jahren zeigt. Auch das schwarz-weiße mit den rotgefärbten sieht ansprechend aus.


    Es ist 1920 und in Berlin herrscht ein heißer Sommer. In dieser Hitze muss Kommissar Mohrfels einen Serienmörder jagen. Gleichzeitig ist die politische Stimmung mehr als angespannt da es immer mehr Vereine und Banden gibt die sich nichts nehmen lassen. Als eine neue Frauenleiche gefunden wurde, fordert sich Mohrfels Hilfe von Dalus an. Dieser lehnt jedoch ab da er Zweifel hat das der Tatverdächtige wirklich ein Mörder sein soll.


    Ebenfalls hat sich Dalus Schwester angekündigt, die aber plötzlich spurlos verschwunden ist. Dalus fängt an auf eigene Faust zu ermitteln und bekommt Hilfe.


    Die Geschichte ist auf jeden Fall nicht schlecht. Anfangs hatte ich noch Probleme mit den Protagonisten Mohrfels. Diese legten sich im Laufe der Zeit. Dennoch wurde ich nicht richtig warm mit dem Buch, woran das lag kann ich nicht so genau sagen. Vielleicht lag es an der Komplexität des Buches. Erzählt wird aus Erzählersicht und wir begleiten einmal Dalus und dann wieder Mohrfels. Zwischendurch gab es noch kursivgeschriebene Texte die weitere Personen zuzuordnen sind. Diese lockerten den Text auch immer ein wenig auf.


    Ich empfehle jeden, der ebenfalls Probleme beim lesen des Buches hat, nicht aufzugeben. Die Story selbst wurde, je weiter man las, spannender. Die verschiedenen Erzählstränge führten zum Ende des Buches alle zusammen und es blieb so gut wie keine Frage offen.


    6 Punkte

  • Ich gestehe, ich habe mich doch sehr schwergetan mit diesem Krimi.
    Beim ersten Anlauf ging es gar nicht, beim zweiten etwas, besser.


    Dalus und Oberkommissar Mohrfels waren für mich Personen, mit denen ich leider so gar nicht klarkam.
    Was mich insbesondere im Falle Dalus etwas frustrierte, da ich ihn mir anders vorgestellt hatte.


    Ein wenig mag es auch der "Zeit" geschuldet sein. Ich bin zwar ein Geschichtsjunkie, habe hier allerdings das Gefühl bekommen, daß diese Zeit in Deutschland nicht die ist, die ich präferiere.
    Ok, bisher habe ich auch weder Gereon Rath, noch Leo Wechsler gelesen, die ja auch in dieser Zeti angesiedelt sind. Habe also wenig Vergleichsmöglichkeiten.
    Den Kutscher hatte ich schon einmal kurz begonnen, dann aber wieder abgebrochen.
    Ich wollte es einfach noch einmal mit dieser Zeit versuchen, was aber scheinbar bei mir - jedenfalls im Krimigenre - nicht zu funktionieren scheint.
    ( mit Falladas - ein Mann will nach oben - sah es da ambivalenterweise völlig anders aus)


    Auch war es bei mir der Schreibstil, und die Figurenzeichnung, die mich nicht so richtig gepackt und mitgenommen haben.
    Ich konnte mit keinem der Charaktere warm werden und da halfen auch die wechsenden Perspektiven nicht. Hier waren sie für mich persönlich eher hinderlich, da mir das "warmwerden" so durch die Unterbrechungen noch schwerer fiel.
    Ich würde es für mich als sperrig bezeichnen. Wohl auch, da dem eigentlichen Fall letztliche weniger Aufmerksamkeit zugute kam, als dem persönlichen Umfeld.


    Die Krapfen haben mich jetzt nicht so gestört, unerheblich, ob es diesen Ausdruck damals schon gab oder nicht. Ich denke mal, Berliner hießen in Berlin noch nie Berliner :grin

  • Titel: Bevor die Nacht kommt
    Autor: Simon Jaspersen
    Verlag: Rowohlt
    Erschienen: Oktober 2014
    Seitenzahl: 441
    ISBN-10: 3499268531
    ISBN-13: 978-3499268533
    Preis: 9.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Über der Reichshauptstadt türmen sich schwere Wolken. Inmitten der schlimmsten Hitzewelle sucht die Berliner Polizei nach einem Serienmörder: Vier junge Frauen verschwanden bisher, alle wurden erdrosselt aufgefunden. Nun hat der Täter erneut zugeschlagen. Die Reichskriminalpolizei glaubt, in Wilhelm Legner den Täter gefunden zu haben. Der junge Psychiater Dalus hegt jedoch Zweifel. Sein ehemaliger Patient ist zwar im Rotlichtmilieu bestens bekannt - aber ein Serienmörder? Oberkommissar Mohrfels gerät immer stärker unter Druck. Auch Dalus rückt der Fall plötzlich schrecklich nah: Seine Schwester Marie ist wie vom Erdboden verschluckt. Ist sie ein weiteres Opfer dieser Stadt der korrupten Politiker, gierigen Finanziers und skrupellosen Gangsterbanden?


    Der Autor:
    Simon Jaspersen, geboren in Hamburg, studierte Soziologie und Literaturwissenschaft in seiner Heimatstadt. Danach war er als freier Autor und Regisseur für den NDR im Bereich Hörspiel tätig, arbeitete als Lektor beim DA Seit 2012 arbeitet Simon Jaspersen als freier Übersetzer und Lektor.


    Meine Meinung:
    Mich hat dieser Krimi nicht sehr angesprochen. Die Handlung zieht sich zäh über 441 Seiten. Und so quält man sich mehr durch das Buch als es wirklich zu geniessen. Zudem hat es der Autor nicht geschafft das Flair von 1920 zu schildern. Da wirkt vieles einfach nur wie stinknormales Wikipedia-Wissen. Und so wirken auch die handelnden Personen wenig authentisch. Sicher hat Simon Jaspersen keinen schlechten Krimi geschrieben und es wird Leser geben, die diesen Krimi positiv sehen – mich aber hat er (der Krimi) nicht fessseln können.
    Und man merkt, dass der Krimi rund 100 Jahre später geschrieben wurde – als die Zeit in der er handelt. Es macht nicht den Eindruck, als hätte der Autor die Zeit auch nur ansatzweise in irgendeiner Form verinnerlicht.
    Objekt sicher ein ordentlicher Krimi – aus subjektiver Sicht aber für mich leider ein Flop. Trotzdem gibt es für – mit Blick auf das Handwerkliche – 5 Eulenpunkte. Denn der Schreibstil des Autors ist ordentlich und auch flüssig – wobei die Flüssigkeit des Schreibstils nichts an der Zähflüssigkeit der Handlung ändert.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.