Kenzaburô Ôe : Licht scheint auf mein Dach: Die Geschichte meiner Familie
Verlag: S. FISCHER 2014. 208 Seiten
ISBN-13: 978-3100552174. 19,99€
Originaltitel: Kaifuku Suru Kazoku (1994)
Übersetzerin: Nora Bierich
Verlagstext
Kenzaburô Ôe erschütternder wie berührender Bericht über das Leben mit seinem behinderten Sohn. Kenzaburô Ôe ist 28 Jahre, als sein erstes Kind, Sohn Hikari, mit einer geistigen Behinderung zur Welt kommt. Ôe steht zu diesem Zeitpunkt am Anfang seiner schriftstellerischen Karriere. Aber statt zu schreiben, muss er über Leben und Tod entscheiden. Ôe und seine Frau Yukari entschließen sich für die riskante Operation und schenken Hikari damit das Leben. Diese existentielle Bedrohung hat den Schriftsteller und Menschen Kenzaburô Ôe zutiefst geprägt. Hikari ist heute ein angesehener Komponist klassischer Musik und das Glück seiner Eltern.
Der Autor
Kenzaburo Oe, geboren 1935 auf der Insel Shikoku, Romanistik-Studium an der Tokyo University. Abschluss mit einer Arbeit über Sartre, schrieb Essays, Geschichten und Romane. Mit 23 Jahren erhielt Oe den renommierten Akutagawa-Preis, es folgten zahlreiche weitere Auszeichungen - darunter 1994 der Nobelpreis für Literatur. Oe lebt in Tokyo. Zuletzt ist von ihm der Roman „Sayonara, meine Bücher“ erschienen.
Inhalt
Als Kenzaburô Ôe 1994/1995 in zwei schmalen Bänden die Bilanz eines Lebens mit seinem körperlich und geistig behinderten Sohn zieht, ist der japanische Literaturnobelpreisträger 60 Jahre alt, Hikari, der tagsüber in einer Behindertenwerkstatt betreut wird, 31. In diesem Alter haben Eltern behinderter Kinder sich meist damit auseinandergesetzt, dass sie vor ihren Kindern sterben werden und das behinderte Familienmitglied spätestens dann in einer Pflegeeinrichtung leben wird. Ôe sinnt u. a. über den Arzt Dr. Moryasu nach, der Hikari operiert hat und der Familie bis zu seinem Tod verbunden blieb. Hikari hat einen einzigartigen Weg gefunden, sich als Komponist durch die Musik auszudrücken, auch wenn ihm im Alltag die Beschreibung von Emotionen stets schwer fiel. Die Fachsprache der Musik lässt sich von Hikari viel konkreter benutzen als die Alltagssprache. Thema dieser Bilanz ist wie schon in „Stille Tage“ auch der Einfluss des Lebens mit einem behinderten Kind auf die Geschwister. Ôe analysiert seine Phasen der Auseinandersetzung mit Hikaris Behinderung und definiert den Vorgang als eine Reifungskrise in einem noch sehr unreifen Lebensalter. Ôes erstes Buch über Hikari „Eine persönliche Erfahrung“ diente ihm zur Überwindung dieser Krise. Auch in dieser Bilanz präsentiert Ôe das Bild der Familie als Astwerk eines Baumes. Bemerkenswert finde ich noch immer die sehr stille, duldsame Rolle, die die Mutter und die Schwester Hikaris in Ôes Werk einnehmen, ganz im Gegensatz zum weltgewandten Vater, der reist und unterrichtet, während Mutter oder Schwester in dieser Zeit zuhause in Japan Hikari betreuen.
Zum Verständnis von Ôes Werk empfehle ich Ihnen, seine Bücher über Hikari in der Reihenfolge der Veröffentlichung zu lesen:
Eine persönliche Erfahrung (dt. 1994) (Kojinteki na taiken, 1964)
Stille Tage (dt. 1994) (Shizuka na seikatsu, 1964), 1995 verfilmt
8 von 10 Punkten