Volker Kutscher - "Märzgefallene"

  • •Gebundene Ausgabe: 608 Seiten
    •Verlag: Kiepenheuer&Witsch (6. November 2014)
    •Sprache: Deutsch
    •ISBN-10: 3462047078
    •ISBN-13: 978-3462047073


    Inhaltsangabe:


    Seinen neuen Fall erbt Gereon Rath von einem ungeliebten Vorgesetzten, von Wilhelm Böhm, der sich unter dem neuen Nazi-Polizeipräsidenten ins politische Abseits manövriert hat: Ein Obdachloser ist erstochen am Nollendorfplatz gefunden worden. Dessen Vorgeschichte führt weit zurück in den Krieg, in den März 1917, als deutsche Soldaten während der »Operation Alberich« in Nordfrankreich verbrannte Erde hinterließen. Ungesühnte Morde, unterschlagene Goldbarren und eine perfide Sprengfalle, in die ein deutscher Hauptmann gerät, münden sechzehn Jahre später in eine Mordserie. Der Schlüssel zu alldem scheint der kurz vor der Veröffentlichung stehende Kriegsroman des Leutnants a. D. Achim Graf von Roddeck zu sein. Rath ermittelt, doch immer wieder kommen ihm andere Dinge dazwischen, und da sind die Vorbereitungen für seine Hochzeit mit Charlotte „Charly“ Ritter noch das geringste Problem. Er wird in die Kommunistenhatz der Politischen Polizei eingebunden, muss sich mit SA-Hilfspolizisten und dem neuen Polizeipräsidenten herumschlagen und einen Geschäftsfreund des Gangsterbosses Johann Marlow aus den Klauen der SA befreien.


    Autoreninfo:


    Volker Kutscher, Jahrgang 1962, arbeitete zunächst als Tageszeitungsredakteur und veröffentlichte mehrere Regionalkrimis, bevor er sich voll und ganz dem Romanschreiben widmete. Die Rath-Romane wurden mehrfach ausgezeichnet: 2010 mit dem Burgdorfer Krimipreis, 2011 mit dem "Krimifuchs", 2013 mit dem "Krimi-Blitz". Kutscher lebt mit seiner Familie in Köln.


    Meine Meinung:


    Titel: Fall Nummer 5 für Gereon Rath


    Nach "Akte Vaterland" war ich so begeistert von Gereon Rath, dass ich unbedingt wissen wollte, wie es mit ihm und seiner Charly weiter geht.


    Im vorliegenden fünften Teil der Reihe bewegen wir uns in sehr düsteren Zeiten Deutschlands, denn wir schreiben das Jahr 1933. Gereon erbt den Fall seines Vorgesetzten Böhms, doch der Kriminalfall ist für Gereon wohl das kleinere Übel.


    In diesem Band lagen definitiv die historischen Elemente im Vordergrund. Man spürt förmlich die Umbrüche im damaligen Deutschland. Mir hat vor allem die Schilderung des Reichstagsbrandes eine Gänsehaut beschert.


    Auch unsere handelnden Protagonisten entwickeln sich weiter, der eine zum Positiven, manch anderer zum Negativen. Konstant stark blieb für mich vor allem Charly, denn ihr Schicksal als Frau hat mich doch sehr berührt. Gereon ist weiterhin ein cooler Kerl, den man als Frau nicht immer gern hat.


    Mit "Märzgefallene" ist Volker Kutscher wieder einmal ein komplexer und vor allem seitenstarker Krimi gelungen, der den Leser in eine andere Zeit mitnimmt und durch den man eine dunkle Zeit Deutschland live miterleben kann. Schockmomente und jede Menge Spannung vorprogrammiert.


    Einziges Manko: Der Roman ist solide, konnte aber für mein Empfinden nicht ganz mit dem Vorgänger mithalten.


    Fazit: Gelungene Fortsetzung der Reihe. In meinen Augen auch ohne Vorkenntnis der anderen Bände lesbar, aber man würde etwas verpassen, wenn man nicht auch die anderen lesen würde. Empfehlenswert!


    Bewertung: 8/ 10 Eulenpunkten

  • Auch der fünfte Teil dieser Krimireihe ist wieder eine spannende Geschichte aus dem historischen Berlin.
    Volker Kutscher beschreibt wieder sehr anschauliche die Geschehnisse in Berlin, und diesmal geht es auch nach Köln und auch nach Wuppertal.
    Um den eigentlichen Kriminalfall werden die geschichtlichen Ereignisse aus der eher dunklen Zeit (der Krimi spielt im Jahr 1933) doch sehr in den Vordergrund gestellt.
    Nicht zuletzt kommen auch die Charaktere nicht zu kurz. Die bekannten Personen entwickeln sich weiter, leider manchmal nicht in die Richtung wie ich mir dies gewünscht hätte. Aber das ist wohl auch im realen Leben oft so.


    Mir hat dieser Krimi wieder sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf einen eventuellen sechsen Teil. Da wäre ich dann sehr gespannt wie es weitergeht.


    Ich vergebe 9 Punkte

  • Ich oute mich hier auch mal als Fan der Reihe. Doch ist mir der Preis noch zu hoch. Da warte ich lieber auf's Taschenbuch oder suche in der Bücherei danach.


    Grüße von missmarple

    "Ein Archäologe ist der beste Ehemann, je älter eine Frau wird, um so mehr interessiert er sich für sie."
    Agatha Christie

  • Die Reihe um Gereon Rath wird zunehmend politisch. Waren in den vergangenen Bänden die historischen Umstände, in denen der Kriminalkommissar in Berlin ermittelt, ein angenehmes Hintergrundrauschen, so drängen sich jetzt die Ereignisse in den Vordergrund. Das muss wohl auch so sein, denn im ausgehenden Winter 1933 passieren mit dem Reichstagsbrand und der Machtergreifung der NSDAP Ereignisse, die das Leben in Deutschland komplett veränderten. Wie der Leser muss auch Gereon Rath seine neutrale - um nicht zu sagen desinteressierte - Haltung verlassen und sich mit den politischen Veränderungen auseinandersetzen.


    Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen, denn ich mochte das historische „Nebenbei“ der vergangenen Bände. Und so war ich direkt froh, als sich Geron nach dem ersten Drittel doch wieder einem spannenden Mordfall zuwenden konnte, der in den Wirren dieser Zeit fast unterzugehen droht. Hintergrund dabei sind Geschehnisse während des 1. Weltkrieges und so spielt auch diese Zeit immer wieder in den Roman hinein.


    Meine Lieblingsbücher dieser Reihe kann dieser Teil zwar nicht vom Thron stoßen, aber ein würdiger Nachfolger ist es allemal! Ich mag den Stil Kutschers, der es immer schafft, mich wirklich in diese vergangene Zeit mitzunehmen. Gereon Rath ist auch diesmal kein „sympathischer“ Protagonist, aber weitaus handsamer als früher. Die Liebe wirkt manchmal Wunder :-), wobei es in seiner Beziehung zu Charly nach wie vor Höhen und Tiefen gibt. Bei ihr habe ich mich gefreut, dass sie wieder mehr Raum bekommen hat und die Situation weiblicher Kriminalbeamtinnen dieser Zeit darstellen durfte.


    Fazit: Wie immer ein Lesevergnügen! Da es mir anfangs etwas zu viel Politik war, gibt’s 8 gute Punkte.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ein außergewöhnlich politischer Krimi von Volker Kutscher. Waren in den bisherigen Bänden die aufsteigende Macht der Nazis nur andeutet, wird es hier sehr akut.
    Gereon Rath hofft allerdings, wie so viele andere damals, dass der "braune Spuk" schnell vorbei ist.
    Wieder andere haben nun Oberwasser was sich auch bei den polizeilichen Ermittlungen im Fall des toten Obdachlosen auswirkt.



    Stellen werden klammheimlich oder auch sehr provokant mit Nazisympathisanten und Mitgliedern der Partei besetzt. Charly ist sehr unglücklich und quittiert den Polizeidienst trotzdem steht der Hochzeit mit Gereon diesmal nichts im Wege.


    Der Fall an sich ist interessant und klug verschachtelt, gerät aber angesichts der politischen Ereignisse fast ins Hintertreffen. Schaden tut das dem Buch keineswegs. Dass Charly sich eigene Wege sucht und nach einem heftigen Streit mit Gereon wieder mal zu Freundin Great flüchtet kann man auch verstehen. Privates und berufliches der Protagonisten mischt Kutscher gekonnt zu einem spannenden Stück, auch zeitgeschichtlich.


    9 Punkte

  • 1933 verbringt Gereon Rath den Karneval in Köln, bis er nach Berlin zurückbeordert wird: Der Reichstag brennt und alle Polizeikräfte werden gebraucht. Doch Gereon wird nicht der Aufklärung des Reichstagsbrandes zugeordnet, sondern soll sich um Todesfälle unter Weltkriegsveteranen kümmern. Dennoch haben die Auswirkungen des Brandes auch Einfluss auf seine Arbeit.


    „Märzgefallene“ ist bereits der fünfte Roman um Gereon Rath. Man kann die Romane unabhängig voneinander lesen, da aber nicht nur die Charaktere sondern auch ihr Umfeld und Deutschland selbst Entwicklungen durchlaufen, ist es sinnvoller, sich an die Reihenfolge zu halten. Der erste Band spielt 1929, so konnte man schon in den letzten Bänden erleben, wie die Nazis eine immer größere Rolle im Land spielen, 1933 ist nun das Jahr der Machtergreifung und dies wirkt sich sehr konkret auch auf alle schon bekannten Charaktere aus. Ich bin sehr gespannt auf deren weiteres Schicksal in den zukünftigen Bänden, denn Vieles ändert sich nun.


    Es ist schön, Gereon, Charly und all die Anderen wieder zu treffen und ihre weitere Entwicklung zu erleben. Wer wird sich den Nazis andienen, wer Probleme mit ihnen bekommen? Wie sieht das weitere Leben in Nazideutschland aus? Aber nicht nur die großen politischen Fragen spielen eine Rolle, auch kleine, private, vor allem natürlich in der Beziehung zwischen Gereon und Charly. Kutscher schafft es sehr gut, (mehr oder weniger) liebgewonne Charaktere einer glaubhaften Weiterentwicklung zu unterziehen und diese mit der aktuellen politischen Lage zu verknüpfen. Alle Charaktere wirken dabei sehr authentisch und vermitteln gut, wie sich die Menschen dieser Zeit mit den Verhältnissen zu arrangieren versuchten (oder das eben nicht konnten). Da gibt es fanatische Nazis, Mitläufer, auf eine bessere Zukunft Hoffende, aber auch Gegner, mehr oder weniger offen, und solche, die unter den veränderten Verhältnissen leiden müssen oder gar in Lebensgefahr geraten.


    Der Autor hat dies alles sehr gut in seine Geschichte integriert, die sich verändernde Stimmung sehr gut herausgearbeitet, auf den Leser, der ja bereits weiß, wie sich das Ganze noch entwickeln wird, wirkt es sehr bedrückend. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven, so dass die Geschehnisse, nicht nur die des Falles, auch die politischen, von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Der Fall ist ebenfalls gut in das politische Geschehen eingearbeitet und sehr interessant. Man kann gut mitraten und die Auflösung stellt zufrieden.


    Volker Kutscher steigert sich mit jedem Roman, für mich ist dieser sein bisher bester und ich bin sehr gespannt auf die weiteren Bände. Von mir gibt es verdiente volle Punktzahl und eine uneingeschränkte Leseempfehlung für die gesamte Reihe.

  • Kutscher erzählt eine ausgefeilte, spannende Geschichte, in der der Kriminalfall ein wenig durch die sich zusehends verändernde politische Situation in den Hintergrund gerät. Kein Wunder, haben doch Hitler und seine Gefolgsleute mehr und mehr Einfluss auch auf das öffentliche Leben. Der Status des ehemals so hoch gelobten preußischen Beamten zählt nicht mehr viel, wenn er sich nicht bereitwillig der neuen Ordnung anpasst. In einem solchen Klima gedeiht das Verbrechen prächtig, während moralische Werte zusehens verkommen.


    Mir hat sehr gut gefallen, wie Kutscher das zunehmende Vergiften der Atmosphäre beschreibt, das aufkommende Misstrauen überall. Dass es Kommissar Rath überhaupt gelingt, im Fall eines toten Obdachlosen zu ermitteln, während der in Flammen stehende Reichstag alle Ermittlungen in den Hintergrund drängt, grenzt schon an ein Wunder.


    Die Figuren werden nachvollziehbar weiterentwickelt, wobei Gereon Rath in meinen Augen noch immer keine Sympathiepunkte erringen kann, ganz im Gegenteil zu Charly, die arg damit zu kämpfen hat, dass ihre beruflichen Möglichkeiten immer mehr eingeschränkt werden. Dass die Beziehung der beiden sich nicht harmonischer entwickelt, kommt noch verschärfend hinzu.


    Ich bin sehr gespannt, wie es mit Charly und Gereon weitergeht und wie sie sich im Nazi-Deutschland verhalten werden. Gereons nur widerwillig angedeuteter Hitlergruß gegenüber seinem Chef macht ja schon deutlich, wie unwohl er sich in seiner Haut fühlt.

  • Die Geschichte startet ohne großes Vorgeplänkel gleich mit dem ersten Leichenfund, die handelnen Personen (so weit aus den früheren Büchern noch nicht bekannt) werden gut eingeführt, die ersten Spuren werden gelegt und die einzelnen Erzählstränge vermitteln ein gutes Bild der Zeit, in der die Story spielt.


    Die geschichtlichen Ereignisse (Wahlen, Reichstagsbrand, Bücherverbrennungen) und die historischen Figuren werden geschickt in die Handlung eingebaut und tragen zur Gesamtstimmung des Buches entscheidend bei. Die Mischung zwischen dem eigentlichen Kriminalfall und der Beschreibung der geschichtlichen bzw. politischen Entwickelung ist sehr stimmig und ausgewogen.


    Obwohl ich die ersten 4 Bücher der Reihe noch nicht gelesen habe, bin ich sehr schnell in die Geschichte reingekommen, auch die wesentlichen Informationen aus den früheren Büchern werden geschickt in die Geschichte eingetreut, ohne den Lesefluß zu stören.


    Ich freue mich schon auf die weiteren Bücher der Reihe und bin gespannt, wie sich die Geschichte der Hauptpersonen weiterentwickelt. Jetzt sind aber erst einmal die ersten 4 Bücher der Reihe dran.


    Ich vergebe 8 Punkte.

    Wer Bücher liest, kennt sogar den Zusammenhang, aus dem Zitate gerissen werden. (unbekannter Autor)

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  • Dies ist nun schon der fünfte Band in der Reihe um Gereon Rath und seine Freundin/Frau Charly und Volker Kutscher steigert sich immer mehr.


    In diesem Band geht es in erster Linie um Achim von Roddeck, einen aufstrebenden Schriftsteller, der mit Enthüllungen in seinem Weltkriegsroman für Furore sorgt. Doch dies ist, auch wenn für die Krimihandlung in diesem Roman von entscheidender Bedeutung, nicht das Hauptthema. Dieser Krimi ist vielschichtiger, schließlich lässt sich ein erster Eindruck von den Machenschaften der erstarkenden Nationalsozialisten und deren Unterwanderung der bestehenden Strukturen gewinnen.


    Es werden altgediente und hochrangige Polizeibeamte mal eben degradiert, die alten Hierarchien haben keinerlei Bewandtnis mehr. Und doch wollen die handelnden Figuren zunächst nicht oder nur zum Teil erkennen, wie sehr „das neue Deutschland“ die altbekannte Ordnung infiltriert und durcheinanderbringt. Die transportierte Stimmung in diesem Roman ist unterschwellig bedrückend und passt meines Erachtens sehr gut zur beschriebenen (Staats-)Situation.


    Rath selbst wird von seinen neuen, nationalsozialistisch geprägten Vorgesetzten teilweise mit ihm widerstrebenden Arbeiten konfrontiert und kann an der Gesamtsituation absolut nichts ändern. Beim Lesen stellte sich tatsächlich ein unangenehmes Gefühl ein, besonders, weil man um den weiteren Verlauf der Geschichte weiß – ich bin gespannt, wie dies in den nächsten beiden noch folgenden Bänden weiter umgesetzt wird. Gleichzeitig fand ich es faszinierend, wie die damalige politische Lage dargestellt wurde, wie einfach es dieser neuen Partei gelang, Leute für sich zu gewinnen, und wie bereitwillig die meisten den ausgerufenen Parolen folgten.


    Die Krimihandlung kommt dabei keineswegs zu kurz und ich habe mitgefiebert, wie sich der Fall schlussendlich auflöst. Die Ermittlungsmethoden sind dabei nicht immer legal, aber genau das macht für mich auch den Reiz an Raths Fällen aus.


    Für mich der bisher stärkste Band aus dieser Serie. Ich freue mich bereits auf die weiteren. 9 Eulenpunkte.