Hitler-Biographien

  • Hallo ihr Lieben,


    nachdem mir am WE in der Bahnhofsbuchhandlung die Hitler-Biographie von Fest (siehe unten) ins Auge gesprungen ist, wurde mir klar, dass ich einmal eine lesen sollte. Im Wust der angebotenen Biographien habe ich jetzt 3 gefunden, die in irgendeiner Form als "Standardwerk" betitelt werden. Meine Fragen an euch:


    1. Hat jemand eine dieser 3 Biographien gelesen und kann seine persönliche Meinung äußern? Welche würdet ihr empfehlen?


    2. Möchte vielleicht noch jemand in geraumer Zukunft (im weiteren Sinne, also dieses Jahr oder so) eine davon lesen? Ich glaube ich würde mich bei einer solchen Lektüre sehr viel wohler fühlen, wenn man sich direkt austauschen könnte...


    Liebe Grüße,
    milla

  • Hallo milla!


    Die zwei Bände von Kershaw habe ich auch. Kurz nachdem Band zwei herauskam, war der Autor selbst unterwegs, um diesen vorzustellen. So eine Art Diskussionsrunde mit Übersetzer. Hab ich mir angehört und hat mich sehr beeindruckt. Hänge immer noch in Band 1 fest. Was nicht daran liegt, dass es langweilig geschrieben wäre, sondern einfach sehr viel Zeit kostet. Sehr sehr detailliert, und was ich besonder gut finde: es hat für mich nicht den typischen Sachbuch-Ton, liest sich stellenweise wie ein Roman. Ohne unsachlich zu werden. Gefällt mir sehr. Meine aber auch, es ist gut recherchiert. Aber es kostet Zeit, man muss sich schon drauf einlassen. Ich versuche das immer wieder, stelle aber gleich fest, dass mir vieles vom Anfang fehlt und dann fange ich irgendwo vorn wieder an :-) Ich habs mir aber fest vorgenommen, weil ich beim Lesen jedes Mal begeistert bin.
    Für eine Leserunde wirds vielleicht zuviel, weiß nicht. Ist ja schon ein ganz schönes Pensum. Aber solltest Du Dich dafür entscheiden, können wir uns gerne austauschen :wave

  • es hängt davon ab, wo du deinen schwerpunkt legst, milla. Auf die psychosoziale Struktur Hitlers, auf die Einbettung in die gesellschaftliche Umgebung, auf die biographische prägung?


    kershaw ist auf jeden fall zu empfehlen; er lässt eine ungeheure bandbreite einfließen. Sebastian Haffner ist für mich einer der besten SCHRIFTSTELLER unter den Historikern. Und Fest ist sozusagen seit längerem ein fester Standard. Ich bin leider im Moment nur kurz hier; zu ein paar ausführlicheren Worten und Gedanken dazu komme ich wahrscheinlich erst heute abend. Was interessiert dich denn im Detail?
    Gruß, columbo

  • Für mich wäre das nichts. Ich habe Hitler in Geschichte durchgenommen und ich mag diesen Mann nicht und bin froh, dass er gestürzt wurde.... aber wen es interessiert, für den sind diese Bücher sicherlich gut. :-)

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner

  • Hat doch nix damit zu tun, ob man Hitler mag oder nicht :wow Einfach ein gesundes Interesse an der deutschen Geschichte, das über den Geschichtsunterricht hinausgeht. Beschäftige mich jobbedingt viel mit der Nazizeit und lese da auch sehr viel, breitgefächert. Ist mir auch so wichtig, nennen wir es Geschichts-Wissensdurst ...

  • meist ist das so, dass ich die person mag, deren biografie ich kaufe.
    aber ich lese sehr wohl auch biografien von leuten, die ich nicht mag. einfach aus interesse...
    ich meine, vor jahren mal sowohl haffner als auch fest gelesen zu haben, habe aber leider keine sehr deutliche erinnerung mehr daran.


    :wave

  • Nö, finde ich nicht. Handhabe ich auch nie so. Ich bin zB mit dem was Hitler getan hat nicht im Mindesten einverstanden. Aber ich möchte das auch verstehen, oder es zumindest versuchen, soweit das möglich ist. Dazu gehört eben auch, die Dinge von möglichst vielen Seiten zu beleuchten. Die Kershaw-Biografie beispielsweise ist sehr kritisch. Versucht u.a. auch soziale und psychologische Untiefen auszuloten, um Ursachen zu finden. Ich finde das sehr aufschlussreich.

  • columbo
    Es wäre schön, wenn du noch ein paar Worte zum Unterschied zwischen Haffner und Kershaw skizzieren könntest.


    Ich finde auch nicht, dass man die Person, über die man liest, unbedingt mögen oder sympathisch finden muss. Es hängt halt viel vom Biographen ab, ob was gescheites dabei rauskommt und einen möglichst authentischen Einblick in die Person zulässt.

  • Zitat

    Original von columboalsgast
    es hängt davon ab, wo du deinen schwerpunkt legst, milla. Auf die psychosoziale Struktur Hitlers, auf die Einbettung in die gesellschaftliche Umgebung, auf die biographische prägung?


    kershaw ist auf jeden fall zu empfehlen; er lässt eine ungeheure bandbreite einfließen. Sebastian Haffner ist für mich einer der besten SCHRIFTSTELLER unter den Historikern. Und Fest ist sozusagen seit längerem ein fester Standard. Ich bin leider im Moment nur kurz hier; zu ein paar ausführlicheren Worten und Gedanken dazu komme ich wahrscheinlich erst heute abend. Was interessiert dich denn im Detail?
    Gruß, columbo


    Hallo columbo,


    puh, schwere Frage... Also natürlich am liebsten von allem etwas :grin Wenn ich mich entscheiden müsste, dann natürlich den Schwerpunkt auf die psychosoziale Struktur Hitlers vor seinem biographischen Hintergrund. Es wäre natürlich toll, wenn gesellschaftliche Entwicklungen nicht nur als Schlagwort auftauchen, sondern zur Verdeutlichung plastisch erklärt werden. Ich will allerdings AUF KEINEN FALL irgendwelche psychoanalytischen Spekulationen, sondern wenn schon Interpretationen, dann sollten sie auf relativ fundierten Belegen beruhen.


    Hm ich fürchte, das war keine klare Antwort... Vielleicht helfen mir deine ausführlicheren Worte weiter, wenn du Zeit und Muse hättest, das wäre toll! :-)


    Liebe Grüße,
    milla

  • @ Flöt


    Das was du von Kershaw erzählst, klingt schonmal sehr sehr gut, vielen Dank! Du hast recht, für eine richtige Leserunde, wäre es wahrscheinlich zu aufwendig, aber wenn ich mich für den Kershaw entscheide, komme ich auf jeden Fall auf dich zurück!


    @ Branka


    Ich kann das bei relativ unbedeutenden Personen total nachvollziehen, also würde ich eine Dieter Bohlen-Biographie oder ähnliches nicht mit der Kneifzange anfassen, weil mich es a) nicht interessiert und ich b) den Menschen auch total unsympathisch finde.
    Aber bei Personen, die auf eine solch widerwärtige Art die Welt umgekrempelt haben ist das Interesse bei mir einfach so groß, dass ich mehr wissen will über den Menschen Hitler. Auf keinen Fall, weil ich in irgendeiner Weise etwas gutheiße, was er getan hat, das tue ich unter keinen Umständen, sondern weil mir eine solche Entwicklung einfach schwer verständlich ist. Um vielleicht eine Ahnung davon zu bekommen, möchte ich gerne eine Biographie über Hitler lesen.



    @ Doc


    Das Buch habe ich auch im Hinterkopf, aber es wird ja explizit darauf hingewiesen, dass es sich um eine Mischung aus Wahrheit & Fiktion handelt, und das reicht mir im Moment nicht aus.


    Liebe Grüße,
    milla

  • Also, ich möchte das jetzt nicht einfach als Schmarrn abtun, wenn jemand die Einstellung hat, er liest nur Biographien über Menschen die ihm sympathisch sind. Hört sich für mich aber nach einem Vorurteil an.
    Eigentlich kann ich doch erst nach der Biographie und vielleicht weiterem erhellenden Material feststellen, ob der Beschriebene mir persönlich sympathisch ist (war/gewesen wäre) oder eben nicht. Oder sehe ich das falsch?

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Zitat

    Original von Marlowe
    Also, ich möchte das jetzt nicht einfach als Schmarrn abtun, wenn jemand die Einstellung hat, er liest nur Biographien über Menschen die ihm sympathisch sind. Hört sich für mich aber nach einem Vorurteil an.
    Eigentlich kann ich doch erst nach der Biographie und vielleicht weiterem erhellenden Material feststellen, ob der Beschriebene mir persönlich sympathisch ist (war/gewesen wäre) oder eben nicht. Oder sehe ich das falsch?


    Ich hab kurz nochmal nachgedacht, und für mich muss ich wirklich sagen, es entscheidet das Interesse nicht die Sympathie. Allerdings suche ich grade nach sympathischen Menschen, die mich nicht interessieren :gruebel

  • Bin kein Freund von Biographien, aber die Behauptung, es würden nur Biographien gelesen, weil die Leser den jeweils biographierten Menschen mögen würden, ist natürlich Unsinn. Man liest sowas, weil man erfahren möchte, wie die Rolle der entsprechenden Person in Gesellschaft/Kultur/Religion/Geschichte entstanden ist oder entstehen konnte. Ich denke, es gibt wenige Leute, denen Hitler "sympathisch" ist; bei den meisten Käufern der o.g. Bücher (ich kenne nur den "Fest", der ist wirklich verhältnismäßig gut) würde ich das Gegenteil unterstellen.


    Außerdem kann und darf man Hitler nicht sympathisch finden. Hier liegt auch eines der Probleme sämtlicher Biographien - sogar das größte Arschloch der Welt hat seine menschlichen Züge. Jeder Biograph aber, der nur einen Halbsatz zuviel auf derlei verschwenden würde, würde sich sofort des Sympathisantentums verdächtig machen. Insofern gehe ich davon aus, daß es in all diesen Bücher gewisse Auslassungen gibt, weshalb sie auch nicht wirklich Biographien sind, sondern - meistens - Erklärungsversuche. (Wie gesagt, das ist eine Annahme.)

  • Zitat

    Original von Tom
    Jeder Biograph aber, der nur einen Halbsatz zuviel auf derlei verschwenden würde, würde sich sofort des Sympathisantentums verdächtig machen. Insofern gehe ich davon aus, daß es in all diesen Bücher gewisse Auslassungen gibt, weshalb sie auch nicht wirklich Biographien sind, sondern - meistens - Erklärungsversuche. (Wie gesagt, das ist eine Annahme.)


    Da kann ich dir nur zustimmen, ich habe schon etwas gestutzt, dass es in dem Haffner-Buch zwei Kapitel "Leistungen" und "Erfolge" (wahrscheinlich im weitesten Sinne militärischer Art oder propagandistischer Art?) gibt.

  • Zitat

    Original von Tom
    Hier liegt auch eines der Probleme sämtlicher Biographien - sogar das größte Arschloch der Welt hat seine menschlichen Züge. Jeder Biograph aber, der nur einen Halbsatz zuviel auf derlei verschwenden würde, würde sich sofort des Sympathisantentums verdächtig machen


    Ja, und genau da hat mich Kershaw beeindruckt. Ich war nicht auf der Suche nach Rechtfertigungen! Ich wollte ganz emotionslos Entwicklungen nachvollziehen, soweit das überhaupt möglich ist. Kershaw zeichnet keinen symphatischen Jungen, der aus den und den Gründen zum Diktator und Unmenschen geworden ist. Er sieht das sehr sehr kritisch, und das hat mir gefallen. Man kann an diesen Teil der Geschichte nicht unvoreingenommen rangehen. Trotz der negativen Haltung bewegt sich Kershaw soweit ich mich jetzt erinnere doch auf der Sachebene. Und auch das halte ich ihm zugute.


    Zu Biografien allgemein vielleicht noch: Mit Symphatie hat es nie zu tun, wenn ich zu einer solchen greife. Im Gegenteil! Meist sind es sogar nicht ganz unumstrittene Personen, über die ich auf diesem Wege einfach mehr erfahren möchte.