SiCollier, jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Es war wirklich bereichernd eure Diskussionen zu verfolgen und man merkte, daß das deine Welt ist.
Das Lob solltest du schon annehmen
SiCollier, jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Es war wirklich bereichernd eure Diskussionen zu verfolgen und man merkte, daß das deine Welt ist.
Das Lob solltest du schon annehmen
ZitatOriginal von Richie
SiCollier, jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Es war wirklich bereichernd eure Diskussionen zu verfolgen und man merkte, daß das deine Welt ist.
Das Lob solltest du schon annehmen
Was wäre diese Runde gewesen ohne deine Diskussionen mit Cyriacos bezüglich der Wagenreihung und anderer technischer Aspekte!?
Gerade das hat riesigen Spaß und die Leserunde so besonders gemacht :knuddel1!
Na gut, na gut. Dann in aller Bescheidenheit danke.
(Aber die Wagenreihung war nun mal wichtig in diesem Roman. Es gibt sogar Bücher dazu. :schnellweg)
Anm.: Epoche 2 = 1920 - 1945, also passend zum Buch, allerdings hier nur für die DRG, also Deutsches Reich.
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Ich bin jetzt auch durch und mit der Auflösung eigentlich ganz zufrieden - alle, die mir wichtig waren, haben es geschafft! Nur um Paul Richards ist es schade. Mich hat es übrigens nicht gestört, dass "schon wieder" ein Ami dir Europäer rettet, aber ich fand Cyriacos' Ausführungen dazu sehr interessant. Ich für mich hatte eher das Gefühl, dass es Paul nichts ausgemacht hat, in den Flammen umzukommen, da sein Glück eh schon zerstört war, dass er aber mit dem guten Gefühl gehen konnte, dass sein Tod einen Sinn hatte.
Die Aktion mit der zersägten Schraube fand ich hoch interessant, auch wenn ich die technischen Zusammenhänge nicht wirklich verstanden habe. Es war also so, dass die Haken, die die Wagen von unten zusammenhielten, auseinandergerissen wurden, sobald die Schraube gebrochen war, oder?
Dass Boris überlebt hat, hat mich doch überrascht, aber gut. Die Sache mit dem Kreuz in der Kirche fand ich fast ein wenig kitschig, v.a. frage ich mich, wozu sollte das gut sein? Nur, damit Boris Katharina ein Lebenszeichen gibt??? Oder soll das auch eine Art Drohung sein, damit sie weiß, dass er nicht aus der Welt ist? Wobei, die Sache mit den Juwelen hat sich ja nun erledigt, das muss auch Boris mitbekommen haben.
Die Rolle des Inders im Zug habe ich auch nicht ganz verstanden - der kann doch nicht zur dazu da gewesen sein, um zu demonstrieren, dass Basil auch Hindi spricht, oder?
Jetzt werde ich das Buch noch einen Moment nachwirken lassen und dann meine Rezi schreiben. Auf jeden Fall schon mal vielen herzlichen Dank an Cyriacos für die intensive und engagierte Begleitung dieser Leserunde - dies war für mich eine der schönsten und interessantesten LRs, die ich mitgemacht habe! Es hat großen Spaß gemacht, Eure Fachsimpeleien mitzuverfolgen, auch wenn ich nicht wirklich mitreden konnte...
LG, Bella
ZitatDass Boris überlebt hat, hat mich doch überrascht, aber gut. Die Sache mit dem Kreuz in der Kirche fand ich fast ein wenig kitschig, v.a. frage ich mich, wozu sollte das gut sein? Nur, damit Boris Katharina ein Lebenszeichen gibt???
Ich war mir da gar nicht so sicher.
Es wird nirgendwo gesagt, dass Boris überlebt hat.
Sehr vage und nebulöse Andeutungen lassen es als eine Möglichkeit erscheinen, jedenfalls in meiner Wahrnehmung.
Ansonsten gebe ich dir recht, auch für mich wäre diese Szene nicht wirklich nötig gewesen.
An dieser Stelle noch einmal einen ganz herzlichen Dank für den Dank und ... ich hab da ja eine Weile überlegt, weil so viele von Euch so engagiert eingebracht haben und ich doch niemandes Beitrag kleinreden möchte, aber in diesem Fall denke ich, dass auch ich das noch einmal so deutlich sagen darf:
SiCollier, Du bist eine Wucht!
Dass ich nichts dazu sagen möchte, was irgendeine Zutat, die Anwesenheit einer Person oder eine Element der Handlung bedeuten soll oder sollte, wisst ihr ja schon. Das muss einfach aus dem Buch hervorgehen. Es muss auch nicht zwingend jedes Element eine tiefere Bedeutung haben. Zu überlegen wäre zum Beispiel, was Eva und Fitz-Edwards mit einem besinnungslosen Ludvig/Ingolf getan hätten, wenn ihnen der Yogi nicht versichert hätte, dass er wieder in Ordnung kommt. Ob sie die Reise überhaupt fortgesetzt hätten.
Zur Kupplung übergebe ich an meinen geschätzten Co-Referenten SiCollier.
ZitatOriginal von Cyriacos
Zur Kupplung übergebe ich an meinen geschätzten Co-Referenten SiCollier.
Der überlegt und formuliert aus, kommt aber evtl. erst nach dem heutigen VHS-Kurs über so trockene Dinge wie PC-Netzwerke zum Posten.
Das heißt, kurz ergänzt, wenn ich das richtig verstanden habe: die Kräfte, die auf das Gewinde der Schraubenkupplung wirken, sind dermaßen groß, daß schon eine kleine Beschädigung die Kupplung zum Brechen bzw. Reißen bringt.
In dem früher erwähnten theoretischen Teil eines Fahrsicherheitstrainings zeichnete der Referent die Kräfte, die auf die Antriebsräder eines Autos wirken, auf. Da habe sogar ich verstanden, weshalb bei einer Bremsung keine Lenkung mehr möglich ist. Diese physikalischen Dinge habe ich "einfach" auf die Kerbwirkung der Kupplung übertragen und konnte mir vorstellen, daß schon eine kleine Beschädigung ausreicht, um eine große Wirkung zu erzielen.
Im Übrigen kommt es bei der Bahn immer auf kleine Dinge an. Die meisten Menschen würden vermutlich nicht mehr mit dem Zug fahren, würden sie sich die Räder mal genauer ansehen. Deutlicher: die Spurkränze, die den Zug im Gleis halten. Die sind nämlich ziemlich klein. Wichtig ist aber nicht die Größe, sondern die Ausrundung der Schiene und des Rades, damit ein einwandfreier Lauf zustande kommt.
Ganz schön technisch, liest sich aber sehr interessant, SiCollier. Das mit der kleinen Wunde in der Kupplung müsste wohl ähnlich wirken wie ein kleiner Einriss in einem Blatt Papier. Die Stabilität ist dadurch ja auch sehr schnell nicht mehr vorhanden.
Überlegt habe ich noch, ob Paul als amerikanischer Selfmade-Millionär wirklich so selbstlos reagieren würde. So einen stelle ich mir eigentlich nach JR-Art grundsätzlich viel pragmatischer vor. Aber im Buch ist er ja vorher auch schon als bis über beide Ohren verliebter Mann und sehr gefühlvoll dargestellt worden.
Wie würden wir reagieren? Bringen wir uns hinten im Zug eher in Sicherheit oder übernehmen wir die Heldenrolle?
ZitatOriginal von SiCollier
Aber erst durch diese Bücher wurde mir bewußt, wie sehr Hitlerdeutschland dabei war, den Krieg zu gewinnen. Ich kann mich nicht entsinnen, das jemals so deutlich vor Augen geführt bekommen zu haben. Wie dicht wir an einer Welt waren, in der die Nazis gewonnen hätten - und am Ende noch heute die Macht hätten. :yikes.
Das die Nazis bereits so nah an ihrem Ziel der Unterwerfung Europas waren, war mir eigentlich auch nicht so bewusst. Aber ob diese Welt wirklich bis heute Bestand hätte haben können? Ich will das nicht glauben und bin froh darüber, dass wir das nicht erleben mussten.
ZitatOriginal von SiCollier
Und für mich immer wieder seltsam bis irritierend, daß ich dem „eigenen Land“ die Niederlage wünsche.
Ich kann dieses Nazideutschland nicht als mein Land ansehen. Das passierte eher in unserem Land bzw. hatte unser Land besetzt. Von daher ist der Wunsch der Niederlage recht einfach.
Cyriacos: Danke für das Buch, es hat mir sehr gut gefallen.
ZitatOriginal von xexos
...
Das die Nazis bereits so nah an ihrem Ziel der Unterwerfung Europas waren, war mir eigentlich auch nicht so bewusst. Aber ob diese Welt wirklich bis heute Bestand hätte haben können? Ich will das nicht glauben und bin froh darüber, dass wir das nicht erleben mussten.
...
Das ist in der Tat eine interessante Fragestellung, die zu Hypothesen verleitet. Fast 70 Jahre nach Kriegsende lässt sich leicht sagen, dass das Regime sicher keinen Bestand mehr hätte. Aber das Gedankengut wäre ja viel länger verbreitet worden und es hätten viel mehr Menschen verinnerlicht. Bei den Strafen tippe ich mal darauf, dass wir heute wieder eine Population vom Steinzeitmenschen hätten.
Insofern bin ich ebenfalls froh, dass sich alles im Osten wendete und wir das nicht miterleben mussten.
Nochmals zur Kupplung: damit das so passiert, müßte man natürlich den „relevanten Teil“ des Gewindes ansägen. Aber wie kommt man da dran? Kupplung etwas lockern, ansägen, Kupplung wieder spannen, jetzt reißt’s? Physikalisch ist mir das schon klar, nur die Praxis dürfte auch für einen Texaner nicht ganz einfach sein. Aber das sind Marginalien. Hey, das ist ein Roman, und die entsprechende Szene eine „Äktschnszene“ - da darf (oder sogar muß) das „ordentlich krachen“.
ZitatOriginal von xexos
Wie würden wir reagieren? Bringen wir uns hinten im Zug eher in Sicherheit oder übernehmen wir die Heldenrolle?
Gute Frage, über die ich auch schon nachgedacht habe. Das kann man wohl erst entscheiden, wenn man in so einer Situation ist. Und nur hoffen, niemals in diese Lage zu kommen.
ZitatOriginal von Büchersally
Das ist in der Tat eine interessante Fragestellung, die zu Hypothesen verleitet. Fast 70 Jahre nach Kriegsende lässt sich leicht sagen, dass das Regime sicher keinen Bestand mehr hätte.
Ich weiß nicht. Hätte Hitler sich mit dem erreichten zufrieden gegeben und keinen Krieg mit der UdSSR riskiert, die beiden (Hitler und Stalin) hätten sich Europa aufteilen können. Wer hätte sie aufhalten sollen?
ZitatOriginal von SiCollier
Ich weiß nicht. Hätte Hitler sich mit dem erreichten zufrieden gegeben und keinen Krieg mit der UdSSR riskiert, die beiden (Hitler und Stalin) hätten sich Europa aufteilen können. Wer hätte sie aufhalten sollen?
Nein, Hitler hat sich ja mit dem Erreichten nicht zufrieden gegeben. Retrospektiv kann man fast sagen "zum Glück". Damit hat er dann alle gegen sich aufgebracht, die eine Allianz gebildet haben. Mein Gedanke ging aber eher dahin, ob sich dieses Regime auch danach hätte halten können? Spätestens bei einem Generationenwechsel hätte es brechen können. Auf der anderen Seite wäre aber dieses Nazideutschland auch eine Atommacht gewesen und dadurch noch mächtiger ... und skrupellos.
@ Cyriacos: Mit dieser Frage haben sich doch sicher bereits zig Historiker befasst. Wie ist denn die herrschende Meinung dazu. Bestand wirklich die Gefahr eines tausendjährigen Reiches?
ZitatOriginal von xexos
@ Cyriacos: Mit dieser Frage haben sich doch sicher bereits zig Historiker befasst. Wie ist denn die herrschende Meinung dazu. Bestand wirklich die Gefahr eines tausendjährigen Reiches?
Hm, die Gefahr wird vermutlich ebenso lange Bestand haben, wie der Homo "sapiens" diesen Planeten bevölkert. Wie groß sie ist, dürfte abhängig sein vom Ausmaß, in dem unsere Spezies in der Lage ist zu lernen.
Wir haben uns in dieser Leserunde ja schon sehr viel über die Bewertung historischer Denkweisen aus dem Jetzt heraus unterhalten. Über den "Zeitgeist", der wandelbar ist - und der mit Sicherheit ein anderer wäre, wenn bestimmte historische Ereignisse einen anderen Ausgang genommen hätten. Die Frage ist letztendlich die, ob eine noch so lange Indoktrinierung durch ein totalitäres System in der Lage ist, Gedanken zu vernichten. Wie es schon Otto Wels, der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, am 23. März 1933 in der letzten freien Rede im Deutschen Reichstag an die Adresse der Nationalsozialisten zum Ausdruck brachte, während vor dem Plenarsaal bereits die Schläger von SA und SS Aufstellung genommen hatten:
"Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. (...) Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen zu vernichten, die ewig und unzerstörbar sind."
In letzter Konsequenz hat dieser Mann recht gehabt. Der Widerstand hat gehandelt, Stauffenberg und sein Kreis und manche andere. Sie haben gehandelt, und können wir behaupten, dass sie vollständig erfolglos waren? Sie haben nicht verhindern können, dass das Morden weiterging, die Verbrechen ein noch nicht gekanntes Ausmaß erreichten. Aber sie haben dokumentiert, wie Menschen handeln können, und dafür müssen wir ihnen dankbar sein.
„Das Attentat muss erfolgen, coûte que coûte. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.“ (Henning von Tresckow an Claus Stauffenberg, wenige Tage vor dem 20. Juli)
Cyriacos, danke für die Antwort. Es trifft zwar nicht ganz meine Frage, war aber wirklich sehr interessant und hat mich zum weiteren Googlen über das Ermächtigungsgesetz und über Otto Wels motiviert.
Ich meinte weniger die grundsätzliche Gefahr, die sich jederzeit durch das nationale Gedankengut ergeben kann. Ich dachte eher, dass es konkrete Analysen von Historikern gibt, die die potenziellen Überlebenschancen (-gefahren) des damaligen NS-Regime behandeln, wenn es den Krieg nicht verloren hätte. Wie lange hätten diese Irren wirklich regieren können? Wären sie z. B. nicht an ihrer eigenen Großmannssucht und ihren Germania-Plänen zusammengebrochen? Selbst die Sowjetunion konnte sich nicht ewig halten und ist in ihre Einzelteile zerfallen, obwohl das Land dort voller Bodenschätze ist.
Das Zitat "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. (...) Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen zu vernichten, die ewig und unzerstörbar sind." deutet zumindest auf die Vermutung oder Hoffnung hin, dass es immer irgendwie einen Widerstand geben würde.
Hm, da bin ich mir nicht sicher, ob man da sinnvoll extrapolieren kann. Wer will beurteilen, welchen Weg die gesellschaftliche Entwicklung genommen hätte? Die wirtschaftliche Entwicklung? Ein kleines bisschen haben wir das im Buch angerissen, wenn immer mal wieder von den carpathischen Ölfeldern die Rede ist. Deren reales Gegenstück hat eine entscheidende Rolle gespielt für die deutsche Militärmaschinerie und hätte sich auf lange Sicht durch synthetische Treibstoffe nicht ersetzen lassen. An solchen Stellen lassen sich nach Ursache-Wirkung bestimmte Punkte benennen, aber gesellschaftliche Veränderungen bewegen sich dann doch auf einem Grad der Komplexität. Da ist nicht allein nach Gründen zu fragen, sondern auch nach Anlässen. Der Tod von Benno Ohnesorg war zum Beispiel ein Anlass für die Radikalisierung der APO von 1968 mit ganz massiven Konsequenzen für die gesellschaftliche Entwicklung. Ein solches isoliertes Ereignis ist aber unmöglich vorhersehbar. Es kann eintreten - oder auch nicht.
Was wäre, wenn-Fragen sind reizvoll. Aber es sind eigentlich keine Fragen, die in der historischen Wissenschaft in größerem Maßstab gestellt werden oder auch nur gestellt werden können. Faktisch sind sie nicht seriös zu beantworten. Das sind schlicht Gleichungen mit zu vielen Unbekannten.
Klar ist das schwierig und von vielen Prämissen und Hypothesen abhängig. Aber dadurch doch auch ne schicke akademische Übung.
Vielleicht ist aber auch die Antwort zu schrecklich. Das Zarenreich hat fast 200 Jahre angedauert und die Nazis hätten benötigte Rohstoffe einfach irgendwo geklaut und Atomwaffen hatten sie ja auch schon entwickelt. Das deutet wohl eher auf eine lange dunkle Zeit hin. Innenpolitisch würde ich wenig Druck sehen, da die meisten Deutschen eher profitieren, Widerstand wird platt gemacht. Erst nach mehreren Generationen wäre dann vielleicht mal ein schwächerer Führer an der Macht auf den dann Druck ausgeübt werden könnte.
ZitatOriginal von xexos
Atomwaffen hatten sie ja auch schon entwickelt.
Das trifft nun definitiv nicht zu. Eingeweihte Kreise in den Vereinigten Staaten waren da zwar in großer Sorge, und Karlsch hat vor ein paar Jahren geglaubt, nachweisen zu können, dass man in Deutschland "nah dran" war, aber über tatsächlich waffenfähiges Material war auf gar keinen Fall vorhanden.
Wobei wir uns da dann auch auf ein Feld bewegen, das mich persönlich nicht so wahnsinnig interessiert. Da finde ich dann die Wagenreihungen und Kupplungen doch interessanter. Ganz zu schweigen von Betty Marshalls filmischem Schaffen, Sitbezüge im Lx-Wagen, die Feinheiten der carpathischen Erbfolge, Hochzeitszeremonien in den orthodoxen Kirchen oder die späten sizilischen Staufer. Oh, und die Hutmode im Jahre 1940. Was hab ich über Nylonstrümpfe recherchiert ... Ein harter Job manchmal, diese Recherchen.
Das darf ja auch jeder für sich selbst aussuchen. Ich bin eher an den politischen Themen interessiert, ein Buch über Sitzbezüge hätte ich in keinem Fall gelesen.
ZitatOriginal von xexos
Ich kann dieses Nazideutschland nicht als mein Land ansehen. Das passierte eher in unserem Land bzw. hatte unser Land besetzt. Von daher ist der Wunsch der Niederlage recht einfach.
Ich habe jetzt weniger an die Nazis, sondern an "Deutschland an sich" gedacht. Ich wiederhole mich, aber gerade die dezenten Beschreibungen, Anspielungen und Erwähnungen hier im Buch haben mir manches näher gebracht (bzw. überhaupt erst klar gemacht), was damals gelaufen ist; so einfache Bemerkungen wie "Kontakt zu den Eltern abgebrochen" (sinngemäß irgendwo so im Buch zu Eva) etwa. Ich habe dieses Jahr einige Bücher um den 1. Weltkrieg herum gelesen, jetzt dieses im 2. (neben den Sturmzeiten-Büchern, auch 2. Weltkrieg), dadurch ist bei mir so eine Art "Verbindung zur Vergangenheit" (ich weiß nicht, wie ich das sonst ausdrücken soll) entstanden. Meine Güte - das war die Generation meiner Eltern (auch wenn meine Mutter zu Zeiten des 3. Reiches ziemlich klein bis jung war)! Mein Großvater hat im 1. Weltkrieg gekämpft (die meiner Frau auch), zwei meiner Onkel wurden im 2. WK schwerkriegsbeschädigt. Wenn ich dann zudem manche Entwicklung heute betrachte - sorry, aber einfach ist das für mich nicht.
ZitatOriginal von Cyriacos
Ganz zu schweigen von Betty Marshalls filmischem Schaffen, Sitbezüge im Lx-Wagen, die Feinheiten der carpathischen Erbfolge, Hochzeitszeremonien in den orthodoxen Kirchen oder die späten sizilischen Staufer. Oh, und die Hutmode im Jahre 1940. Was hab ich über Nylonstrümpfe recherchiert ... Ein harter Job manchmal, diese Recherchen.
Dabei wäre das mit der Recherche ganz einfach gewesen. Einfach in einem der heutigen "Orient Expresse" (oder wie auch immer die Mehrzahl heißt) fahren, kostet ja nur ein paar Tausend Euro. Die Wagen sind originalgetreu renoviert. Da wäre bei der Recherche dann noch die dritte Dimension (Fahrerlebnis im Luxuszug) dabei gewesen.
So ähnlich, SiCollier, sieht das auch in meiner "Ahnenreihe" aus. Mein Großvater war Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg - ich lege das Foto hier noch mal an; auf der Webseite ist es nur so klein zu sehen. Aufgenommen irgendwo in Frankreich im März 1918. Meine Onkel und mein anderer Opa im Zweiten Weltkrieg, und alle kamen mit Verletzungen zurück. Einer meiner Onkel hat die letzten Jahre seines Lebens in der Schmerzklinik verbracht.
Diese Männer waren keine glühenden Nazis, aber sie haben eben doch für ihr Land gekämpft. Wie das auch Canaris getan hat. Und Stauffenberg. Das Ziel des Widerstands in Deutschland bestand nicht darin, dass das Land den Krieg verlieren sollte. In unsrem Buch findet sich das im Zwischenspiel mit Canaris wieder: Oster und Dohnanyi (übrigens der Vater des späteren Hamburger Bürgermeisters) waren bereit, weiter zu gehen als er und den Alliierten die Aufmarschpläne zu stecken. Für Canaris wäre das nicht in Frage gekommen.
Für die heutige jüngere Generation klingt da sicherlich sehr stark von Weizsäckers Rede im Kopf. Sie stellt eine Perspektive dar, die Dinge zu betrachten. Die in unserer Zeit angemessene Form. Doch mit Sicherheit war sie nicht die Perspektive der Zeitgenossen. Und genau da haben wir ihn wieder, den historischen Roman mit seinen Fallen: Soll er von heute aus denken? Dann ist er nicht historisch. Soll er von damals her denken? Dann ist er kein moderner Unterhaltungsroman.
Ich habe an den Sitzbezügen geschnuppert, SiCollier, und gedenke das ... wer weiß ... noch mal zu vertiefen.
@ Cyriacos
Danke für Deine Ausführungen. Ich sehe, Du hast verstanden, was ich meinte. Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können (wenn ich es denn hätte ausdrücken können).
ZitatOriginal von Cyriacos
Ich habe an den Sitzbezügen geschnuppert, SiCollier, und gedenke das ... wer weiß ... noch mal zu vertiefen.
Nun, ich bin gespannt. Und ich würde auch ein Buch über die Sitzbezüge im Orient Expreß lesen.