'Welt in Flammen' - Seiten 709 - Ende

  • Die Bemerkung mit dem die Welt rettenden Amerikaner sollte auch keineswegs als herbe Kritik aufgefasst werden. Das schoss mir gestern Abend so ganz spontan durch den Kopf, als ich die entsprechende Stelle las. Aber in einem der vorderen Leseabschnitte wurde ja schon von SiCollier(?) bemerkt, dass die Figuren zwar für sich, aber gleichzeitig auch für eine Gesinnung stünden. Unter diesem Aspekt ist es auch vollkommen logisch und stimmig. Damals haben haben die Amerikaner ja auch noch einiges zur Rettung der Welt beigetragen. Damals eben.

  • Mal provokativ gefragt: wer soll denn die Welt retten, außer den Amerikanern?!


    Seit Bekanntwerden der NSA-Affäre ist meine Sympathie für die USA deutlich in den Keller gegangen. Und eine gewisse Paranoia kann man denen gewißlich nicht absprechen. Aber nüchtern betrachtet: wer sollte die Welt retten damals - und heute genauso.


    Europa lag weitgehend unter Hitlers Knute, die UdSSR konnte dem auf Dauer auch nichts entgegensetzen, jedenfalls nicht genug, um den Krieg zu ihren Gunsten entscheiden zu können. Ich bin inzwischen zu der Überzeugung gelangt, daß ohne das Eingreifen der USA Hitler den Krieg vermutlich gewonnen hätte. Eine grauenhafte Vorstellung. :yikes
    (Und für mich immer wieder seltsam bis irritierend, daß ich dem „eigenen Land“ die Niederlage wünsche.)
    N.B. Wer weiß, ob die Amerikaner in den Krieg eingetreten wären, hätte Japan nicht Pearl Harbour überfallen.


    Und heute? Welche (Groß-) Macht gibt es denn realistischerweise noch? Rußland? China? Man kann sich leicht ausmalen, was passieren würde, wenn die einen Konflikt lösen sollten. Der Flickenteppich Europa? Wie man es auch dreht und wendet (und mir paßt ziemlich vieles nicht an den USA): es läuft immer wieder auf die Amerikaner hinaus.


    Ich muß zugeben, daß mich die Zeit des 3. Reiches nie sonderlich interessiert hat. Mir sind ein paar Namen geläufig (so kannte ich zwar Canaris, hätte aber nicht sagen können, was der außer Admiral noch für eine Funktion hatte) und das, was man halt zwangsweise so mitbekommt. Vermutlich habe ich dadurch so manche Anspielung hier im Buch gar nicht bemerkt. Mein Interesse an Geschichte war seit jeher im Jahre 1914 zu Ende. Erst durch das „Jubiläum“ des Kriegsbeginns 1914 bin ich dazu gekommen, mich näher damit zu befassen. Und erst die Sturmzeiten-Bücher und vor allem dieses hier bringen mich jetzt dazu, meine Wissenslücken für die Zeit der 2. WK zu verkleinern.


    Das Buch von Raulff werde ich mir mit hoher Wahrscheinlichkeit besorgen und lesen, danke für die Emfpehlung! :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Mal provokativ gefragt: wer soll denn die Welt retten, außer den Amerikanern?!


    Tim Benzko? :grin
    Ich wollte nur sagen, dass ich, obwohl der Dezember wahrlich proppevoll mit interessanten Leserunden steckt, hier noch mitlese.
    Und ich entdecke in euren Beiträgen auch immer wieder selbst zu erwähnen vergessene Dinge wie zB das tolle Vorrechnen des de la Rosa während der politischen Audienz :grin
    Die Rezi hoffe ich, am WE zu posten. :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Ein starkes Finale. ich bin zwar nicht absolut glücklich mit dem Buch geworden, muss aber dem Autoren Respekt zollen. Da steckt sicher eine Menge Herzblut und Arbeit drin. Trotz der Länge ist mir eigentlich nie langweilig geworden. Das sagt doch schon mal eine Menge aus...

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Bei seinen Überlegungen zur Kupplung hatte ich die stille Hoffnung, daß der Autor da gut recherchiert hat. Es klingt nämlich überzeugend. Ich habe mich schon oft gefragt, wie die Schraubenkupplungen diese oft enormen Belastungen aushalten können. Vor allem direkt an der Lokomotive, denn an der Kupplung hängt der gesamte Zug. Von den Kräften, die auf die Rahmen wirken ganz zu schweigen. Die Überlegungen Pauls klingen für mich sehr einleuchtend. Zumal ich kürzlich als Zuhörer beim theoretischen Teil eines Fahrsicherheitstrainings dabei war, wo der Trainer einen Vortrag über die auf die Räder wirkenden Kräfte hielt. Ist natürlich etwas ganz anderes, aber physikalisch klang die Erklärung hier ähnlich.


    Ich hatte mich schon die ganze Zeit gefragt, wie der Zug denn zum Stillstand kommen soll und gehofft, daß die Fahrdienstleiter die Strecke frei gemacht haben, denn sonst ... Irgendwann mußte ja der Dampf im Kessel erschöpft sein. Oder die Geländegegebenheiten hätten den Zug abgebremst (Stichwort Steigung --> erhöhter Dampfverbrauch --> keine Nachfeuerung --> „automatisches“ Abbremsen). Nach dem Abreißen der Verbindung zwischen vorderem und hinterem Zugteil hätten allerdings mMn beide Teile mit einer Vollbremsung stehen bleiben müssen. Zugbremsen sind i. d. R. Druckluftbremsen, die anziehen, sobald der Druck fällt. Wenn die Bremsleitung unterbrochen wird, entweicht Luft, und es passiert eine Zwangsbremsung. Aber im Roman war es sicherlich effektvoller, die Lok auf die Sperren krachen zu lassen. :grin ;-)


    Als ich hier noch einmal las, wurde mir gerade klar, dass ich da noch einige Antworten schuldig bin. :-)


    Ja, die technische Seite war ein großes, großes Problem, zu dem ich mich erst einmal kundig machen musste. Es ist ja wirklich unglaublich, dass diese im Vergleich ja geradezu filigranen Kupplungen so viele Tonnen um Tonnen ziehen, und doch sind sie nicht kaputt zu kriegen. Auf der anderen Seite aber, wenn die Verbindung mal geschwächt ist, kann sich die Kerbwirkung in Bruchteilen von Sekunden potenzieren. Das einzige Detail, bei dem ich mir nicht sicher bin, ist die Frage, ob sich Paul in diesem Moment an seinem exponierten Punkt überhaupt noch hätte halten können. Aber das ließ sich nun beim besten Willen nicht prüfen.


    Zum Bremssystem: SiCollier, Du hast ja den Sölch inzwischen: S. 33 oben, ein Vorfall aus dem Jahr 1913 nach einem Schaden in der Kesselrückwand. Zu diesem Zeitpunkt muss der Zug eigentlich schon mit Vakuumbremsen ausgestattet gewesen sein. Und doch hat er nicht gehalten. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum das nicht geschehen ist, denn es wird ja nicht erklärt. Aber offenbar konnte das vorkommen. Das war dem effektverliebten Autor Ansporn genug. :-]

    "Ich bin nicht der Meinung, dass jemand, der eine andere Meinung hat als ich, nur deswegen kritisiert werden muss. Er muss dann kritisiert werden, wenn er etwas vertritt, was nicht echt ist." (Helmut Schmidt)

  • @ maikaefer
    Jetzt mußte ich erst mal eine bekannte Suchmaschine bemühen, um zu erfahren, wer Tim Benzko ist. :grin



    Zitat

    Original von Cyriacos
    Ja, die technische Seite war ein großes, großes Problem, zu dem ich mich erst einmal kundig machen musste.


    Das denke ich mir. Und die Beschreibungen von Zug wie Technik waren dermaßen gut, daß ich die ganze Zeit über wirklich das Gefühl hatte, in einem Zug zu reisen.



    Zitat

    Original von Cyriacos
    Es ist ja wirklich unglaublich, dass diese im Vergleich ja geradezu filigranen Kupplungen so viele Tonnen um Tonnen ziehen, und doch sind sie nicht kaputt zu kriegen. Auf der anderen Seite aber, wenn die Verbindung mal geschwächt ist, kann sich die Kerbwirkung in Bruchteilen von Sekunden potenzieren. Das einzige Detail, bei dem ich mir nicht sicher bin, ist die Frage, ob sich Paul in diesem Moment an seinem exponierten Punkt überhaupt noch hätte halten können. Aber das ließ sich nun beim besten Willen nicht prüfen.


    Das mit der Kerbwirkung klingt völlig überzeugend. Für mich ist es schon seit meiner Kindheit ein Rätsel, daß so ein Zug nicht auseinander reißt. Man denke z. B. auch an einen Erz-Ganzzug!


    Daß Paul sich halten konnte, kann ich mir allerdings gut vorstellen. Wenn die Verbindung reißt - und wie hier der vordere Zugteil weiterfährt - gibt es in seinem Wagen ja keinen zu großen Ruck, den gibt es im hinteren Zugteil. Und wenn es eine Vollbremsung gegeben hätte, wäre er in den Wagen hineingeschleudert worden. Also das schien mir schon nachvollziehbar, daß er dann in den Wagen hineinging.



    Zitat

    Original von Cyriacos
    Zum Bremssystem: SiCollier, Du hast ja den Sölch inzwischen: S. 33 oben, ein Vorfall aus dem Jahr 1913 nach einem Schaden in der Kesselrückwand. Zu diesem Zeitpunkt muss der Zug eigentlich schon mit Vakuumbremsen ausgestattet gewesen sein. Und doch hat er nicht gehalten. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum das nicht geschehen ist, denn es wird ja nicht erklärt. Aber offenbar konnte das vorkommen. Das war dem effektverliebten Autor Ansporn genug. :-]


    :grin Weil der Fehler nicht im Bremssystem sondern anscheinend im Dampfkessel lag. Als der Lokführer nach vorne ging und und ein Luftventil öffnete, entwich die Luft aus dem Bremssystem, worauf der Zug abgebremst wurde. Denn Luftdruckbremsen ziehen (aus Sicherheitsgründen) an, wenn der Druck fällt. Damit es bei einem Defekt eben zum Abbremsen, nicht zum Weiterfahren kommt.


    Allerdings, wie früher schon erwähnt: das ist hier ein Roman, kein Sachbuch, da macht mir solches nichts aus. (In einem Roman darf - übertrieben ausgedrückt - auch das Wasser bergauf fließen, wenn der Autor eine stichhaltige Begründung dafür liefert.) Ist mir halt als "alter Eisenbahner" aufgefallen. Nichts für ungut, aber wenn ich schon mal ein Buch lese, bei dem ich etwas Ahnung habe und mir etwas auffällt, muß ich doch die Gelegenheit ergreifen, das auch anzubringen. :grin :wave



    Bei der Gelegenheit, da die Leserunde anscheinend langsam ausläuft (ich bleibe allerdings an Bord, bis alle durch sind), ein herzliches Dankeschön an Cyriacos für die prima Begleitung der Leserunde. Das war eine meiner besten Leserunden, die ich noch lange in Erinnerung behalten werde (das Buch sowieso). Ich hoffe, daß bald wieder etwas von Benjamin Monferat erscheinen wird. :-) Und es dann hier eine Leserunde dazu geben wird. :wave

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    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Zitat

    Original von SiCollier
    @ maikaefer
    Jetzt mußte ich erst mal eine bekannte Suchmaschine bemühen, um zu erfahren, wer Tim Benzko ist. :grin


    Musste ich auch. Hatte nur die Liedzeile übers Weltretten im Kopf :grin :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Oh. Jetzt hab ich auch mal nach Tim Benzko gegoogelt. Ich dachte, das wäre dieser Koch. Aber da gibt es ja auch mehrere. :gruebel


    Und auch wenn wir noch nicht "durch" sind (bei einer Leserunde scheint es sich ja um ein offenes System zu handeln, und jeden Tag fließt noch etwas zu), möchte auch ich mich an dieser Stelle schon einmal ganz, ganz herzlich bei Euch bedanken. Es hat mir wirklich einen Riesenspaß gemacht, diese tausend Gespräche, all die kleinen Irrrsinnigkeiten, die am Rande aufgetaucht sind, all das, was ich selbst dabei gelernt habe. All die Anregungen, über die ich noch immer nachdenke und immer wieder werde nachdenken müssen - speziell zu dem Gegenstand, der mir so besonders am Herzen liegt: Wie lässt sich Verhalten in einer so ganz anders verfassten historischen Welt beurteilen? Lässt es sich darstellen im "Historischen Roman"? Auf den einen Seite kann alles Wissen nicht wichtig sein für die Vergangenheit. Die lässt sich nicht mehr ändern. Aber wir können etwas lernen für das, was wirklich ist. Unsere Zukunft, unsere Gegenwart. Und hier allgemeine Prinzipien zu erkennen, sie abzusetzen, von dem, was "Zeitgeist" ist, das ist eine Herausforderung.


    Wir sind nicht Maß aller Dinge. Das, glaube ich, ist es, was ein historischer Roman uns lehren kann. Wir sind nicht Maß aller Dinge, genauso wenig wie es die Menschen des Jahres 1940 waren oder die Menschen des Jahres 1240. Und doch: "Wir haben gelernt", sagt Pedro de la Rosa. Und vielleicht ist das der wichtigste Satz im gesamten Buch, und es ist kein vollständiger Zufall, dass gerade de la Rosa diesen Satz spricht, denn unsere Geschichte geht ja weiter ... Wer mag, kann ja z.B. hier einen Blick ins Buch werfen. Es ist alles eine einzige große Geschichte.


    Ganz liebe Grüße,


    Stephan

    "Ich bin nicht der Meinung, dass jemand, der eine andere Meinung hat als ich, nur deswegen kritisiert werden muss. Er muss dann kritisiert werden, wenn er etwas vertritt, was nicht echt ist." (Helmut Schmidt)

  • Zitat

    Original von Cyriacos
    (...) speziell zu dem Gegenstand, der mir so besonders am Herzen liegt: Wie lässt sich Verhalten in einer so ganz anders verfassten historischen Welt beurteilen? Lässt es sich darstellen im "Historischen Roman"? Auf den einen Seite kann alles Wissen nicht wichtig sein für die Vergangenheit. Die lässt sich nicht mehr ändern. Aber wir können etwas lernen für das, was wirklich ist. Unsere Zukunft, unsere Gegenwart. Und hier allgemeine Prinzipien zu erkennen, sie abzusetzen, von dem, was "Zeitgeist" ist, das ist eine Herausforderung.


    Wir sind nicht Maß aller Dinge. Das, glaube ich, ist es, was ein historischer Roman uns lehren kann. Wir sind nicht Maß aller Dinge, genauso wenig wie es die Menschen des Jahres 1940 waren oder die Menschen des Jahres 1240. (...)


    :write Hier sind wir beieinander. :-)



    Zitat

    Original von Cyriacos
    (...) Wer mag, kann ja z.B. hier einen Blick ins Buch werfen.


    Aber das Buch ist nix für mich. Vatikanthriller sind ohnehin nicht so ganz meins, und die Voraussetzung in diesem Buch ist für mich - wenn ich das so offen schreiben darf - schlicht nicht akzeptabel. Drum lasse ich es lieber.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Wunderbar! Betty hat überlebt :-]!
    Mit ihrem Tod wäre ich nicht glücklich gewesen.


    Katharina läuft barfuß! Ein Symbol dafür, wie sehr sie ihre Haltung verloren hat?


    Zitat

    Original von JaneDoe
    Tja, Katharina und das Kreuz. Die Szene ist mir auch nach den Erläuterungen hier nicht klarer. Boris soll also überlebt haben. Okay. Wenn es so gewesen ist, warum dieses Theater mit dem angeblichen Versenken der Leiche? Warum soll Katharina denken, er sei tot? Und wenn er ihr das Kreuz gebracht hat, ist das dann eine erneute Kontaktaufnahme oder nur eine Geste? Und woher weiß Boris, dass ihr das Kreuz wichtig ist?


    Diese Szene fand ich auch merkwürdig. Aber gut. Wie ich Cyriacos verstehe, soll es offen bleiben und der Interpretation der Leser überlassen. Die weiteren Wege der Überlebenden bleiben ja auch größtenteils offen.


    Die beiden Liebesgeschichten mochte ich. Sie entwickeln sich eher beiläufig, aber irgendwie doch berührend.


    Paul opfert sich. Als gerade noch lebendiger, fast schon Toter, mobilisiert er die letzten Kräfte, rettet er den Zug und seine Insassen und geht mit Vera in den Tod.... Das war mir zu viel des Guten. An manchen Stellen hatte ich den Eindruck, der Autor hat sich in einen Rausch geschrieben :grin.

  • Zitat

    Original von Lumos
    Paul opfert sich. Als gerade noch lebendiger, fast schon Toter, mobilisiert er die letzten Kräfte, rettet er den Zug und seine Insassen und geht mit Vera in den Tod.... Das war mir zu viel des Guten. An manchen Stellen hatte ich den Eindruck, der Autor hat sich in einen Rausch geschrieben :grin.


    Aber ja doch. Zum Teil hab ich das Gefühl, der Kater hält sogar noch an. :grin


    Doch im Ernst: Natürlich lese ich inzwischen auch Eure Rezensionen. Nachdem ich einmal begriffen habe, dass schon welche da sind. Schließlich hat das Thema null Antworten, und ich bin heute erst stutzig geworden, dass schon 58 Hits hat. Warum schauen die Leute da rein, hab ich gegrübelt, wenn doch nichts drin steht? Erst da hab ich die Weiterleitung gesehen.


    Nein, ich sehe ja die Kritiken, und irgendwie habe ich zu dem Buch noch keine einzige gesehen, weder hier noch anderswo, bei der ich gesagt hätte: Das ist jetzt Blödsinn, das trifft nicht zu, da hat der Rezensent unrecht, wenn er Kritik übt. - Wobei, doch: Eine war dabei. Auf Amazon hat sich jemand beschwert, dass in dem Buch nicht mehr zur Technik und Geschichte des Express zu finden sei. Da hab ich meine Auffassung ja schon entwickelt. Wer noch mehr möchte, der muss einfach zum Sachbuch greifen.


    Grundsätzlich ist so ein Titel aber immer eine Gratwanderung. Was dem einen Leser gefällt, wird dem anderen sauer aufstoßen. Ein Patentrezept, bei dem am Ende niemand mehr Kritik üben würde, existiert schlicht nicht. Wäre es aber doch möglich, ein solches Buch zu schreiben, käme vermutlich ein ziemlich langweiliges Buch dabei raus.


    Was das Pathos anbetrifft: Da schlagen auch in meiner Brust zwei Herzen. In der Paul-Szene zum Beispiel finde ich es absolut angemessen. Die Szene, in der sich Ingolf und Eva ihre Liebe gestehen ... Sagen wir es so: Da hat mich das Lektorat recht nachdrücklich ermuntert, dass das doch bitte noch deutlicher zum Ausdruck kommen sollte, als ich es zu diesem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht hätte: "Ingolf muss da aber endlich mal ..." Und dagegen habe ich mich gewehrt. Einfach weil es nicht zu Ingolf gepasst hätte, solche Dinge zum Ausdruck zu bringen. Das Schöne dabei: Das tut er auch jetzt nicht. Er bittet Eva einfach nur, noch einen kleinen Moment in dieser Haltung zu bleiben. Alles andere passiert in Evas Kopf. Was sie da denkt, ist mit Sicherheit zutreffend, aber es wird nicht von Ingolf geäußert. Das war mir wichtig.


    Was die Action anbetrifft: Aber natürlich ist die am Ende da. Im selben Moment, in dem die Bremsen versagen, wechselt auch der Rhythmus, der die Geschichte die ganze Zeit getragen hat. Der Zug gibt das Tempo vor. Das kann sich doch nicht plötzlich ändern. :-)


    Zitat

    Original von SiCollier
    Aber das Buch ist nix für mich. Vatikanthriller sind ohnehin nicht so ganz meins, und die Voraussetzung in diesem Buch ist für mich - wenn ich das so offen schreiben darf - schlicht nicht akzeptabel. Drum lasse ich es lieber.


    Das akzeptiere ich natürlich. :-) Wobei ich mir gar nicht mal so sicher bin, ob wir nicht auch da viel näher beisammen sind als angenommen. Daran habe ich nämlich die ganze Zeit denken müssen, als wir uns über Bedingtheiten des Zeitgeistes sprachen. Ich bin nun Protestant, habe aber oft gedacht, wie gut ich Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., verstehen konnte, wenn ihm vorgeworfen wurde, er sei zu wenig kompromissbereit. Da habe ich jedes Mal den Kopf geschüttelt: Wenn ich davon überzeugt bin oder, als Dogmatiker, weiß, dass ich mich im Besitz einer offenbarten Wahrheit befinde - wie kann ich mich dann auf einen Kompromiss einlassen mit jemandem, der etwas anderes vertritt als ich? Das wäre doch nichts anderes als ein Schritt von der Wahrheit weg. Und diesen Schluss zu gehen, wäre unehrlich. So verstehe ich auch meine Signatur, das Helmut Schmidt-Zitat. Es kommt mir doch nicht zu, die Überzeugung eines anderen Menschen zu kritisieren, nur weil es nicht meine eigene Überzeugung ist. Und ich bin überzeugt davon, dass genau dort, im Überzeitlichen, weit vor 1968 oder selbst 1789, der Punkt liegt, an dem wir die Menschen einer früheren Epoche verstehen können, und seien sie noch so weit von uns entfernt. Oder sagen wir: irgendwo dort. Hier geht es um Abstrakta; da sind solche Formulierungen Erbsenzählerei. :-)

    "Ich bin nicht der Meinung, dass jemand, der eine andere Meinung hat als ich, nur deswegen kritisiert werden muss. Er muss dann kritisiert werden, wenn er etwas vertritt, was nicht echt ist." (Helmut Schmidt)

  • Zitat

    Original von Cyriacos
    Was das Pathos anbetrifft: Da schlagen auch in meiner Brust zwei Herzen. In der Paul-Szene zum Beispiel finde ich es absolut angemessen. Die Szene, in der sich Ingolf und Eva ihre Liebe gestehen ... Sagen wir es so: Da hat mich das Lektorat recht nachdrücklich ermuntert, dass das doch bitte noch deutlicher zum Ausdruck kommen sollte, als ich es zu diesem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht hätte: "Ingolf muss da aber endlich mal ..." Und dagegen habe ich mich gewehrt. Einfach weil es nicht zu Ingolf gepasst hätte, solche Dinge zum Ausdruck zu bringen. Das Schöne dabei: Das tut er auch jetzt nicht. Er bittet Eva einfach nur, noch einen kleinen Moment in dieser Haltung zu bleiben. Alles andere passiert in Evas Kopf. Was sie da denkt, ist mit Sicherheit zutreffend, aber es wird nicht von Ingolf geäußert. Das war mir wichtig.


    Die Szene hat mir sehr gut gefallen und auch gepaßt. Allerdings hatte das Lektorat durchaus recht: da mußte endlich mal etwas passieren zwischen den beiden ... :grin




    Zitat

    Original von Cyriacos
    Das akzeptiere ich natürlich. :-) Wobei ich mir gar nicht mal so sicher bin, ob wir nicht auch da viel näher beisammen sind als angenommen. Daran habe ich nämlich die ganze Zeit denken müssen, als wir uns über Bedingtheiten des Zeitgeistes sprachen. Ich bin nun Protestant, habe aber oft gedacht, wie gut ich Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., verstehen konnte, wenn ihm vorgeworfen wurde, er sei zu wenig kompromissbereit. Da habe ich jedes Mal den Kopf geschüttelt: Wenn ich davon überzeugt bin oder, als Dogmatiker, weiß, dass ich mich im Besitz einer offenbarten Wahrheit befinde - wie kann ich mich dann auf einen Kompromiss einlassen mit jemandem, der etwas anderes vertritt als ich? Das wäre doch nichts anderes als ein Schritt von der Wahrheit weg. Und diesen Schluss zu gehen, wäre unehrlich. So verstehe ich auch meine Signatur, das Helmut Schmidt-Zitat. Es kommt mir doch nicht zu, die Überzeugung eines anderen Menschen zu kritisieren, nur weil es nicht meine eigene Überzeugung ist. Und ich bin überzeugt davon, dass genau dort, im Überzeitlichen, weit vor 1968 oder selbst 1789, der Punkt liegt, an dem wir die Menschen einer früheren Epoche verstehen können, und seien sie noch so weit von uns entfernt. Oder sagen wir: irgendwo dort. Hier geht es um Abstrakta; da sind solche Formulierungen Erbsenzählerei. :-)


    Endlich mal jemand, der das versteht. :anbet Der Papst bzw. die kath. Kirche kann hinter manche Aussagen nicht zurück bzw. keine Kompromisse eingehen, weil sie dadurch selbst infrage gestellt würde und sich ad absurdum führen würde. Das gilt mE für eine monotheistische Religion ganz allgemein. Eine andere Sache ist, wie man mit anderen Meinungen umgeht, das ist in der Geschichte (im Sinne von Historie) leider nicht immer gut gelaufen.


    Zu Zeiten, als Helmut Schmidt Bundekanzler war, war ich politisch ziemlich aktiv. Allerdings auf der Gegenseite. (Schmidt war dummerweise in der falschen Partei. :grin) Das Zitat Deiner Signatur kann ich allerdings unterschreiben. Und auf der Basis, wie Du das schreibst, könnte ich mir sogar vorstellen - obwohl ich damit wohl einige Probleme hätte - das Buch in einer Leserunde zu lesen und zu darüber diskutieren.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Cyriacos
    Aber ja doch. Zum Teil hab ich das Gefühl, der Kater hält sogar noch an.


    Sehr fein, dass man so etwas schreiben darf, ohne dass sich der Autor beleidigt fühlt!
    War ja auch nicht böse gemeint und für mich hat es sich genauso angefühlt :-).


    Die Liebesgeschichten fand ich beide ganz wunderbar, für meinen Geschmack genau richtig.


    Zitat

    Auf Amazon hat sich jemand beschwert, dass in dem Buch nicht mehr zur Technik und Geschichte des Express zu finden sei.


    Das hätte m. E. überhaupt nicht zur Geschichte gepasst und die meisten Leser ganz bestimmt gelangweilt.


    Deine intensive und lockere Begleitung der Leserunde hat dieses Buch zu einem besonderen Erlebnis gemacht (nicht zuletzt wegen der Details zur Wagenreihung ;-)), herzlichen Dank dafür :knuddel1!

  • Zitat

    Original von Lumos
    Deine intensive und lockere Begleitung der Leserunde hat dieses Buch zu einem besonderen Erlebnis gemacht (nicht zuletzt wegen der Details zur Wagenreihung ;-)), herzlichen Dank dafür :knuddel1!


    Allerdings. Das hat man nicht alle Tage so lebhaft und informativ :-] Auch von mir herzlichen Dank dafür :wave

  • Der Zug ist bereits vor einigen Tagen am Zielbahnhof gewesen. Das Buch hat mich vor allem vom Schreibstil und Geschwindigkeit beeindruckt. Selbst wenn alles drumherum zu Bruch ging, war das gleichmäßige Stampfen der Zylinder ( :wave SiCollier) zu spüren und vermittelte etwas Beruhigendes.


    Vielen Dank auch an Benjamin/Cyriacos/Stephan, dass du uns hier so intensiv begleitet hast. Das Lesen war ungleich spannender mit den Hintergrundinformationen. Außerdem konnte man so die 1000 Seiten über Tage strecken.

  • Zitat

    Original von JaneDoe


    Allerdings. Das hat man nicht alle Tage so lebhaft und informativ :-] Auch von mir herzlichen Dank dafür :wave


    Und obwohl ich ja schon länger durch bin, lese ich immer noch mit und freue mich über die Kleinigkeiten, die hier noch zu Tage treten.


    Ich möchte mich ausdrücklich dem Dank meiner Vorschreiber an den Autoren anschließen! Das war toll!

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Zitat

    Original von Caia


    Und obwohl ich ja schon länger durch bin, lese ich immer noch mit und freue mich über die Kleinigkeiten, die hier noch zu Tage treten.


    Ich möchte mich ausdrücklich dem Dank meiner Vorschreiber an den Autoren anschließen! Das war toll!


    Das kann ich so nur unterschreiben. Es war wirklich eine tolle Leserunde! (und ist es noch) ;-)

  • ach und noch was: ich muss mich auch bei SiCollier bedanken, dass er an dieser Leserunde teilnimmt :wave
    Ich denke ohne ihn hätte wir bei weitem nicht soviele interessante Diskussionen gehabt. (Mir wären auf jeden Fall nicht soviele interessante Fragen eingefallen :anbet)

  • Ups, ähm :schuechtern Danke. Ich denke, wir sollten es beim Dank an den Autor belassen. Denn wie ich auch schon früher schrieb, das war für mich - eben auch wegen der Diskussion mit dem Autor - eine der besten Leserunden seit langer Zeit.


    Drum hoffe ich ja, daß er bald wieder ein Buch veröffentlicht, damit es wieder so eine tolle Leserunde dazu geben kann. :-)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")