Eine Frau in Berlin - Anonyma

  • So. nachdem ich also das Buch nach den ersten 40 Seiten in der Ecke liegen hatte und mich nicht so wirklich dazu aufraffen konnte, habe ich gestern in einem Rutsch den Rest weggelesen.


    Es ist ein Buch, zu dem ich ein sehr gespaltenes Gefühl habe. Einerseits ist es bewegend, auch interessant, zu lesen, wie es damals war, grade aus der heutigen Zeit, wo man von solchen Dingen ja fast nichts weiß und grade die Vergewaltigungen häufig noch verschwiegen oder von den Frauen mit ins Grab genommen werden.


    Andererseits - und das ist kein Nachteil, sondern einfach nur eine Anmerkung von mir - hat mir die Sprache überhaupt nicht gefallen.


    Klar, die nüchterne, sachliche Berichterstattung trägt mit zu der Beklemmung bei, die man bei diesem Buch verspürt, und es kommt auch durch, daß es für diese Frau eine schwere Zeit war - aber war das wirklich so, daß man diesen Hunger, diese Gewalt und dieses Ausgeliefertsein so stoisch ertragen konnte und so "abgebrüht" darüber berichten konnte?


    Ich weiß nicht, vielleicht hat die Autorin auch nur bewußt verdrängt, wie sie im Buch auch schreibt, daß sie sich innerlich verschlossen hat, um nicht schwanger zu werden, vielleicht kam ihr Zusammenbruch viel später, nach den Aufzeichnungen.


    Besonders krass fiel mir die Bemerkung des heimgekehrten Freundes auf, der die Frauen, die sich einen "Beschützer" unter den Russen gesucht hatten, mit läufigen Hündinnen vergleicht - das, finde ich, steht weder ihm noch sonst jemandem zu.


    Ein bewegendes Buch, ein Buch, bei dem ich froh bin, es gelesen zu haben, das ich aber ehrlich gesagt nie wieder lesen werde.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Zitat

    Original von Caia
    @ Heaven, wie weit bist Du denn jetzt? Ich bin grade so auf der Hälfte...


    Ich bin erst knapp über der Hälfte. Irgendwie komme ich nicht zum lesen. Aber vielleicht schaffe ich es heute Abend noch. ;-)

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Zitat

    Original von Joan
    Dieses Buch habe ich vor ca. 2 Jahren gelesen....und ich muss gestehen, es ist mir kaum etwas vom Gelesenen im Gedächtnis zurückgeblieben...


    Zitat

    Original von Caia
    Ein bewegendes Buch, ein Buch, bei dem ich froh bin, es gelesen zu haben, das ich aber ehrlich gesagt nie wieder lesen werde.


    sind ja schon krasse gegensätze, was die eindrücke betrifft. macht mich neugierig.


    bo

  • So, nun endlich habe ich es auch geschafft. Was aber nicht am Buch selbst lag das es sooo lange dauerte. ;-)
    Es ist durchweg berührend geschrieben. allerdings berührt es immer wieder auf verschiedene weise. man ist erschüttert ob der zustände, man leidet mit und zweifelt dann doch wieder daran, dass Fauen solches Schicksal so voll Galgenhumor einfach zu negieren versuchen.


    Frauen scheinen doch die staärkeren in dieser Zeit gewesen zu sein. Die Männer wohl meist ihrer Ehre beraubt und schamhaft verkrochen. Doch niemand macht ihnen wirkliche Vorwürfe, denn keiner getraut sich Experimente zu machen und andere Möglichkeiten auszutesten. Hunger und Angst, die Dinge passieren lassen die man sich im Normalfall nie vorstellen könnte. Hingerissen zwischen Bewunderung und Unverständnis.


    Ein besonders unangenehmer Zeitgenosse war dieser Herr Pauli. In meinen Augen ein Parasit, der sich trotz seiner Unfähigkeit immer wieder versucht mit moralischen Gesäusel und Forderungen gegen seine Ernährer zu stellen.


    Allein die Sprache fand ich wenig authentisch.Irgendwie kam für mich nie wirklich dieses Berliner Flair rüber. Auch einzelne Formulierungen scheinen wohl den Übersetzungen zum Opfer gefallen zu sein. Ist dieses Buch doch zuerst im Amerikanischen, weitere zahlreiche Sprachen und erst vor ein paar Jahren in Deutsch erschienen.

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  • Meine Meinung


    Ein gleichermaßen ergreifendes wie umstrittenes Werk. Hoch gelobt – und mit Füßen getreten.


    Es kam in Verruf, nachdem die Identität der Verfasserin gelüftet wurde. Seitdem zweifeln Kritiker die Authentizität der überlieferten Tagebuchaufzeichnungen an.

    Besonders ein Artikel von Jens Bisky in der Süddeutschen Zeitung (23.09.2003; Frallemand) sorgte über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen.


    Da Anonymas mutmaßlicher Name inzwischen unaufhaltsam durch die Medien gegeistert ist, halte ich es für scheinheilig, so zu tun als sei der Wunsch der Autorin gewahrt worden. Die skrupellosen, wühlmausartigen Recherchen sind nicht mehr rückgängig zu machen. Und die Erkenntnisse daraus dürften hinlänglich bekannt sein. Die Bestrebung, diese Einsichten auszublenden, erinnert an Kinder, die sich mit dem Zuhalten der Augen unsichtbar wähnen.


    Auch wenn sich wohl einige Menschen auf Kosten des Buches zu profilieren versucht haben, so ändert es für mich nichts an dessen Wert. Der nüchterne, feinsinnige Stil macht die Lektüre zu einer unvergesslichen Reise in die 'alles-andere-als-gute' alte Zeit.

  • Die Tagebuchaufzeichnungen bestechen durch die Fähigkeit der Autorin zwischen den 'Befreiern' zu unterscheiden. Sie kann die Sprache etwas verstehen, und sieht jeden einzelnen Menschen, sogar ohne Groll, obwohl ihre Erfahrungen dieses sehr wohl entschuldigen würden.
    Erstaunlich nüchtern ist der Bericht, für Aufzeichnungen zu diesem Zeitpunkt. Wäre alles zwei oder drei Jahre danach aufgeschrieben worden, könnte man diese Neutralität besser verstehen, aber dann wären die meisten Erfahrungen wohl schon durch Scham oder Verklärung überdeckt gewesen.


    Ein beeindruckender und bewegender neutraler Bericht aus unserer Vergangenheit.

  • Ich wollte auch gerade auf den Film hinweisen. Heute ist hier abends große Premiere. Leider muss ich arbeiten. Hoffe, den aber in nächster Zeit gucken zu können. Bin gespannt. :-)

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    Grüßle, Heaven


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  • Ich habe gerade den Trailer gesehen. Mal sehen, ob ich mir den Film anschaue. Beim Lesen des Buches hatte ich mir immer eine andere Darstellerin als Nina Hoss vorgestellt. Meine Anonyma hätte Corinna Harfouch gespielt.


    Falls jemand den Film ansieht, wäre ich auf eure Eindrücke neugierig.

  • Es ist schon ein bischen her, daß ich dieses Buch gelesen und für gut befunden habe.
    Es hat mich auf verschiedene Weise berührt.
    Zum einen war ich entsetzt über die schnörkellose Erzählweise, welche ich im Nachhinein aber als ein Vorteil des Buches betrachte. Denn ich kann mir nicht vorstellen wie man die durchlebten Ereignisse in die richtigen Worte fassen kann, um sie auch nur annähernd zu beschreiben.
    Die Frage "Wie oft ?" trifft dabei schon sehr schwarzen Humor!
    Und dennoch gelingt es der Autorin glaubwürdig die Angst, die Ungewißheit, aber auch kleine Momente der Freude zu schildern.


    Das beeindruckenste an diesem Buch aber war für mich die Fähigkeit der Autorin bei allen nüchternen Ausführungen der erlittenen Grausamkeiten, die Menschlichkeit darin zu sehen.


    Ein ernstes Buch, das es sich zu lesen lohnt.


    Liebe Grüße

  • Mich hat dieses Buch sehr beeindruckt! Und ich bin froh nicht in dieser Zeit aufgewachen zu sein! WAs haben diese Frauen alles ausgelhalten! Da soll sich heute mal eine beschweren...

  • Ich habs vor Kurzem gelesen und musste länger darüber nachdenken. Es hat mich bedrückt und mir die Augen geöffnet, was durchlitten wurde. Eigentlich weiß man diese Dinge, aber es so fast zynisch mitleidslos geschrieben zu lesen ist noch eine Spur härter. Was mich am meisten erschüttert hat, war der so kurze Zeitraum, in dem ihr Tagebuch spielte.
    Ich gebe 9 von 10 Punkten.

  • Ich habe letztens beim Rumflippern das Ende des zweiten Teils auf arte gesehen und hatte das Buch schon lange "auf Halde" liegen, um es irgendwann mal zu lesen. Nachdem ich zufällig das Ende des Films sah, hab ich es angefangen udn hatte dabei immer die meiner Meinung nach sehr treffenden Bilder aus dem Film vor Augen. Das Buch war toll, nicht nur das Beschriebene ist einzigartig, auch die Schreibweise ist in dem Zusammenhang ganz besonders. Ich fand es super! Und ergreifend!