Verlag: Kinzelbach
170 Seiten
OT: La Dependance
Aus dem Französischen von Kirsten Kleine
Kurzbeschreibung:
Wer hat noch nie die panische Aufregung eines Kindes erlebt, das, verloren in der Menschenmenge eines Kaufhauses, nach seiner Mama verlangt? Niemand anders kann es trösten. Weder gute Worte noch Bonbons oder Spielzeug. Die Verzweiflung löst sich wundersamerweise auf, sobald die Retterin erscheint. Wer kennt nicht diese Paare, die „vor Unruhe sterben“ bei der kleinsten Verspätung ihres Partners, und bei denen das Unbehagen wie Frühlingsregen verschwindet beim Eintreffen des Abwesenden … ausgenommen sie verwandelt sich in plötzliche Wut? Sowohl in der ehelichen Verbindung als auch in der elterlichen kann die schlichte Anwesenheit des anderen Garantie gegen Angst sein.
In anderen Fällen scheint ein lächerlich aussehendes Objekt eine solche Wichtigkeit für bestimmte Abhängige zu haben, dass die Person, die es verschafft, gleichgültig zu sein scheint. Es gibt, das ist bekannt, eine Art Freimaurer von Raucher; selbst von einem Feind akzeptiert man eine Zigarette und bietet selbst denjenigen Tabak an, den man verachtet: Raucher kümmern sich kaum um den sozialen Status ihres Lieferanten; es ist die Lieferung, die zählt.
Über den Autor:
Albert Memmi, geboren 1920 in Tunis, ist Schriftsteller, Soziologe und Literatursoziologe. Er lehrte an den Universitäten von Paris und Washington D.C. In Deutschland wurde Memmi vor allem durch seine Schriften zu Kolonialismus, Rassismus und gesellschaftlichen Randgruppen bekannt. Er lebt in Paris.
Mein Eindruck:
Der bedeutende tunesische Schriftsteller Albert Memmi, der inzwischen auch schon fast 94 Jahre alt ist, schreibt in seinen langen Essay seine Überlegungen zum Thema Abhängigkeit mit all seinen positiven wie negativen Aspekten. Mit einem nur leichten wissenschaftlichen Ansatz beeindruckt er durch seinen philosophischen Gehalt, angereichert durch Vergleiche zu Film und Literatur. Zum Beispiel Anna Karenia von Tolstoi, Faust von Goethe, Tod in Venedig von Thomas Mann, Colette, Pauline Reage, Proust, Huxley, Akira Kurosawa etc.
Abhängigkeiten finden sich viele im Leben. Die Abhängigkeit beginnt als Kind das auf seine Eltern angewiesen ist, die Tiere von ihren Herrn oder als negatives Beispiel die unterdrückte Frau von ihren Peiniger
Dann gibt es noch die Abhängigkeit vom Objekt, z.B. das Auto oder der Raucher von der Zigarette.
Memmi zeigt aber auch auf, warum Abhängigkeit eine der Basen der sozialen Bindung ist. Es gilt sich die Abhängigkeit einzurichten. Albert Memmi stellt viele Zusammenhänge her und langweilt keinen Moment.
Erstaunt stelle ich fest, dass das Buch schon 1979 im Original veröffentlicht wurde, dabei liest es sich sowohl vom Thema als auch von der Sprache her sehr zeitgemäß und frisch.
ASIN/ISBN: 3927069523 |