Der Wolf am Fenster. Eine Weihnachtsgeschichte - Elli H. Radinger

  • Elli H. Radinger: Der Wolf am Fenster. Eine Weihnachtsgeschichte, Berlin 2014, Rütten & Loening/Aufbau Verlag, ISBN 978-3-352-00685-2, Hardcover mit Schutzumschlag, 160 Seiten, Format: 19,4 x 12,2 x 1,8 cm, Buch: EUR 9,99 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 7,99.


    Ja wie? Die Wolf-Expertin Elli H. Radinger, von der man überwiegend Fach- und Sachbücher kennt, schreibt auch romantische Liebesromane? Kann sie das denn? – Ja, sie kann! Der vorliegende Roman ist ein weihnachtliche, märchenhaft-magische Geschichte von Menschen und Wölfen, bei der den Lesern recht schnell klar wird, wer hier die sozialen Wesen sind und wer die brutalen Raubtiere, vor denen man sich fürchten sollte. Wenn sie es nicht ohnehin schon wussten ...


    Nach dem Tod ihrer Eltern verlässt die Bäckerstochter Lindsay Griffin das ländliche Pennsylvania und wurstelt sich fortan als freie Journalistin in New York durch. Besonders toll findet sie das Leben in der Stadt nicht, bis sie den attraktiven Rechtsanwalt Daniel Newman trifft. Er umwirbt sie wie noch nie ein Mann zuvor und redet bald vom Heiraten. Dass er nur ein egoistischer Schwätzer ist, zeigt sich, als er Lindsay in letzter Sekunde von dem lange geplanten Weihnachtsbesuch bei seinen Eltern auslädt, weil er sich an Heiligabend mit seiner Kollegin Anne verloben wird.


    Mit einem geschrotteten Handy und einem ins Gesicht geschütteten Martini kommt er für diese Glanzleistung noch recht billig davon. Nicht jede Frau wäre so rücksichtsvoll gewesen, vorher noch den Holzspieß mit den Oliven aus dem Glas zu nehmen.


    Gedemütigt, verletzt und desillusioniert mietet sich Lindsay über die Feiertage in einer leerstehenden Rangerhütte in Montana ein: „Beaver Creek Cabin, südlich von Bozeman, nahe West Yellowstone. Nur mit dem Schneemobil erreichbar. Erbaut um 1900. Ofen, Bett, Matratze, Tisch, Stuhl. Kein Strom oder Wasser. Sehr rustikal.“ lautet die Beschreibung. (Seite 59) Solche Unterkünfte kennt sie noch aus den Urlauben mit ihren Eltern.


    Der verwitwete Ranger Brian Johnson, der dort über die Feiertage Dienst hat, ist wenig erbaut davon, dass er nun auf eine, wie er meint, verwöhnte Großstädterin aufpassen muss. Er wollte in Ruhe Bürokram aufarbeiten. Zähneknirschend holt er Lindsay in Bozeman ab und ist angenehm überrascht davon, dass sie so unprätentiös ist. Diese Frau kommt wunderbar alleine in der Wildnis klar, denkt er, die muss er nicht betüteln. Er weist sie kurz ein und macht sich wieder an seine Büroarbeit, während sie in der Hütte an ihrem Roman schreibt. So der Plan.


    Parallel zu den Geschichten von Lindsay und Brian wird die eines jungen schwarzen Timberwolfs erzählt. Seine ganze Familie ist von Jägern ausgerottet worden, als er fast noch ein Welpe war. Dass er die Menschen fürchtet, hasst und meidet, ist also kein Wunder. Doch jetzt braucht er ganz lebensnotwendig und dringend einen Zweibeiner, der ihm hilft. Und so landet er vor Lindsays Hütte. Die junge Frau erschrickt beinahe zu Tode, als plötzlich gelbe Augen durch ihr Fenster spähen. Doch als ehemalige Schäferhundhalterin glaubt sie zu verstehen, dass dieser Wolf ihr etwas mitzuteilen hat: Er will, dass sie ihm in den Wald folgt. Sie weiß, dass das verrückt ist und sie sich vermutlich in tödliche Gefahr begibt, doch sie hat das Gefühl, unbedingt mit ihm mitgehen zu müssen.


    Wohin es führt, wenn Lindsay auf ihre Gefühle hört, haben wir ja am Anfang der Geschichte gesehen ...


    „Aber im Märchen – und an Weihnachten – ist alles möglich“, schreibt die Autorin in ihrem Nachwort (Seite 160). Also hofft man als LeserIn, dass am Ende ein Wunder geschieht und alle Leidenden und Verletzten in dieser Geschichte Hilfe und Heilung erfahren.


    Weihnachtsromane müssen so sein: romantisch, märchenhaft, gerne auch mit einer Portion Klischee versehen – und sie müssen ein versöhnliches Ende haben. Dass man hier so nebenbei doch hochinteressante Dinge über das Leben der Wölfe in Freiheit und Gefangenschaft erfährt, ist ein angenehmer Nebeneffekt.


    Die Autorin
    Elli H. Radinger lebt als freiberufliche Fachjournalistin und Autorin mit Schwerpunkt Wolf, Hund, Natur und Wildnis in Deutschland und den USA. Einen großen Teil ihrer Zeit verbringt die Wolfsexpertin im amerikanischen Yellowstone-Nationalpark, wo sie seit über zwei Jahrzehnten wilde Wölfe beobachtet. Als Herausgeberin vom Wolf Magazin, der einzigen deutschsprachigen Fachzeitschrift über Wölfe und andere wilde Kaniden, berichtet und informiert sie seit 1991 über spannende Ereignisse aus der Welt der Wölfe. Neben Fachbüchern schreibt die Autorin literarische Sachbücher und Romane.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Ich hatte das Buch beim Stöbern schon mal näher unter die Lupe genommen und dann doch wieder vergessen. Mit deiner Rezi wandert es jetzt aber garantiert auf meinen Weihnachtsbuchstapel, vor allem weil mich die führenden Titel der Umfrage zur diesjährigen Weihnachstbuchleserunde so gar nicht reizen. Danke, Vandam :wave

    smilie_sp_274.gif
    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Danke für die schöne Rezi! Das Buch habe ich vor kurzen im Weltbildkatalog entdeckt und wird demnächst bei mir einziehen. :-]

    :lesendIlsa J. Bick - Brennendes Herz


    Es gibt mehr Schätze in Büchern als Piratenbeute auf der Schatzinsel... und das Beste ist, du kannst diesen Reichtum jeden Tag deines Lebens genießen. (Walt Disney )

  • Zitat

    Original von Suzann
    Ich hatte das Buch beim Stöbern schon mal näher unter die Lupe genommen und dann doch wieder vergessen. Mit deiner Rezi wandert es jetzt aber garantiert auf meinen Weihnachtsbuchstapel, vor allem weil mich die führenden Titel der Umfrage zur diesjährigen Weihnachstbuchleserunde so gar nicht reizen. Danke, Vandam :wave


    Wie wärs, wir kaufen es uns und nächstes Jahr gibts dazu ne Leserunde ;-)


    Mir gehts da wie Dir mit den Vorschlägen

  • Zitat

    Original von Findus


    Wie wärs, wir kaufen es uns und nächstes Jahr gibts dazu ne Leserunde ;-)


    Mir gehts da wie Dir mit den Vorschlägen


    Warum nicht schon dieses Jahr, wenn sich mehrere zu dem Buch finden? :-) Ich wäre auch dabei. :-]

    :lesendIlsa J. Bick - Brennendes Herz


    Es gibt mehr Schätze in Büchern als Piratenbeute auf der Schatzinsel... und das Beste ist, du kannst diesen Reichtum jeden Tag deines Lebens genießen. (Walt Disney )

  • Ich weiß ja nicht bei welchen LR du noch dabei bist, das Weihnachtsbuch hat ja nur 160 Seiten. :-) Und ich denke, wir können bestimmt trotzdem eine LR zu dem Buch aufmachen, unabhängig von der offiziellen Weihnachtsleserunde. Aber wenn keiner mag, les ichs auch allein. :beleidigt :lache

    :lesendIlsa J. Bick - Brennendes Herz


    Es gibt mehr Schätze in Büchern als Piratenbeute auf der Schatzinsel... und das Beste ist, du kannst diesen Reichtum jeden Tag deines Lebens genießen. (Walt Disney )

  • Zitat

    Original von Jessamy
    Ich weiß ja nicht bei welchen LR du noch dabei bist, das Weihnachtsbuch hat ja nur 160 Seiten. :-) Und ich denke, wir können bestimmt trotzdem eine LR zu dem Buch aufmachen, unabhängig von der offiziellen Weihnachtsleserunde. Aber wenn keiner mag, les ichs auch allein. :beleidigt :lache


    Dann fangen wir am 24.12 . an zu lesen? Bin dabei, aber bis nächstes Jahr will ich nicht warten. :wave

    smilie_sp_274.gif
    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Zitat

    Original von Suzann


    Dann fangen wir am 24.12 . an zu lesen? Bin dabei, aber bis nächstes Jahr will ich nicht warten. :wave


    Na das könnte passen :-] Nur 160 Seiten :yikes darauf hab ich garnicht geachtet.

  • Also nach der Rezi - danke dafür - wird das Buch bei mir dieses Jahr noch "einziehen" und auch gelesen werden. Wenn es dazu eine Leserunde gäbe, wäre ich dabei. :-)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich bin die letzten Tage auch schon um dieses Buch herumgeschlichen, weil es für mich zu Weihnachten passen könnte. Die Autorin ist durch ihr langes Wirken im Rahmen dieses Themenkomplexes kompetent; sie beschäftigt sich u.a. mit den Yellowstone-Wölfen und den Auswirkungen, die ihr Fehlen auf die Natur hat. So haben wir ein gemeinsames Interesse. Der Wolf im Märchen ist für mich als Fantasy-/Märchentante immer schon interessant gewesen. Ich freue mich über die Rezension, die mir den letzten Schubs zum Buch hin gegeben hat.

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

  • Warum? Weil mich die vielunddrölfzig Rubriken hier manchmal überfordern. Ein Tierbuch isses nicht … nur. Es geht um Selbstfindung und um mehrere Liebesgeschichten … um das verhinderte Verlöbnis der Heldin, um die Story des verwitweten Rangers und die gemeinsame Geschichte der beiden. Wäre es unter Zeitgenössisches besser aufgehoben? Oder bei Belletristik? Weiß der Geier!


    Wenn irgendwer eine bessere Rubrik findet, möge er/sie die Rezi gern verschieben.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Ich hätte das Buch auch unter ChickLit eingeordnet. Es passt nicht nur von den Schilderungen der Liebesbeziehungen ansich, sondern bis hin in einige Formulierungen hinein. Mir hat gut gefallen, dass die Wolfs-Fantasie hier einen besonderen Akzent setzt, der sich von anderen Fantasien dieser Art (z.B. Alpha/Shifter-Thematik) erfrischend unterscheidet.

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

  • Vorab sei bitte eine Frage an die Moderation erlaubt:
    Wäre das ganze Gerede über eine evtl. Leserunde nicht in dem nunmehr ja vorhandenen Leserundenvorschlagsthread wesentlich besser aufgehoben und könnte dahin verschoben werden?


    Ich freue mich wirklich sehr, dass ich ganz zufällig (oder hatte der um meine Affinität zu Wölfen wissende Santa Claus auch hier seine Hand im Spiele? :grin) rechtzeitig auf den Leserundenvorschlagsthread zu diesem kleinen aber feinen Büchlein gestoßen bin, das eigentlich nur einen Fehler hat: Es ist zu kurz!:weihnachtsmann


    Wir begegnen zwei Menschen, die durch unterschiedliche Schicksalsschläge ihrer Partner verlustig gegangen und auf einsame Weihnachten eingestellt sind. Und wir begegnen zwei Wölfen, von denen der eine sich in einer von Menschen aufgestellten Falle verfängt.


    Natürlich hat man, wenn man ein Weihnachtsbuch und bei diesem hier vor allem den Buchrückseitentext liest, bestimmte Vorstellungen, wie das Buch enden sollte. Und ebenso natürlich werden diese Erwartungen von der Autorin, für deren Begleitung der Leserunde ich mich ganz herzlich bedanken möchte, auch nicht enttäuscht. :anbet
    Wie es dann aber zu dem erhofften Ergebnis kommt, ist eine wunderschön erzählte Geschichte, in die schließlich sogar Santa Claus seine ganz eigene Regie führend eingreift - wie es sich ja für ein Weihnachtsmärchen auch gehört.
    Ein Weihnachtsmärchen, das richtiges Kopfkino mit Bildern verschneiter Wälder in mir zu wecken und mich regelrecht zu verzaubern verstand. :weihnachtsmann
    Besonders gefallen hat mir der "wölfische Anteil", den richtig zu bewerten man aber unbedingt das Nachwort lesen sollte.
    10 von 10 möglichen Eulenpunkten!




    Edit: Leider kann man die Beiträge nicht einfach in den Leserundenvorschlag verschieben, weil die Beiträge nach Datum absortiert werden und dann damit der Eröffnungsbeitrag von SiCollier nicht mehr oben stehen würde.
    Ich habe das extra hier im Beitrag geschrieben damit der Thread nicht noch weiter aufgebläht wird. LG Wolke

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)