'Der Zug der Waisen' - Seiten 001 - 077

  • Der Zug der Waisen behandelt ein für mich bis eben völlig unbekanntes Thema. Das mag ein bisschen daran liegen, dass ich in der Amerikanischen Geschichte nicht gerade so bewandert bin. Jedenfalls ist der kurze Anriss aus Vivians Erinnerungen ziemlich erschreckend. Inzwischen ist die gute Dame ja 91 und die Ereignisse sind 82 Jahre her.


    Auch die kleine Rebellin Molly scheint eine interessante Figur abzugeben. Genau wie Vivian wächst sie bei Pflegeeltern auf. Allerdings geht sie mit dem Thema neuzeitlich um. Sie ist sich ihrer Stellung in der Gesellschaft viel bewusster als es Vivian durch den einengenden Drill gewesen ist. (Das Wort "züchtig" kommt doch auch nur noch in historischen Romanen vor. ;-) )

  • Obwohl ich ein Jahr als Austauschschülerin in den USA war und dort American History belegen musste, hatte ich bislang auch noch nichts von diesen "Orphan Trains" gehört. Die Geschichte hat mich aber gleich in ihren Bann gezogen, was sicher auch an dem flüssigen Schreibstil der Autorin liegt.
    Molly und Vivian haben ja mehr gemeinsam, als beide zunächst ahnen, und ich bin sehr gespannt, wohin das noch führen wird!


    LG, Bella

  • Ich bin mit dem Abschnitt noch nicht ganz durch.
    Als erstes ging mir durch den Kopf, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass auch in Europa die Kinder armer Eltern gnadenlos ausgebeutet wurden.
    Solltet ihr noch nie etwas von den Verdingkindern gehört haben, es lohnt sich, einmal bei Google nachzulesen. Bis weit ins 20. Jahrhundert gab es im Alpenraum regelrechte Menschenmärkte.

  • Zitat

    Original von Büchersally
    Auch die kleine Rebellin Molly scheint eine interessante Figur abzugeben.


    Ich bin noch nicht weit, aber von Molly habe ich nicht den Eindruck, dass sie eine echte Rebellin ist. Sie hat zwar ein Goth-Outfit (ich vermute, es ist gemäßigt) und aus Selbstschutz nach Außen eine ablehnende Haltung, aber im großen und ganzen benimmt sie sich doch ganz gut und geht auf den Auftrag,,bei Vivian den Speicher aufzuräumen, sofort ein.
    Ja, ich finde Molly als Figur auch interessant.


    Jack und Dina werden zunächst nur schematisch und stereotyp angedeutet, aber nicht, weil sie als Figuren keinen Tiefgang hätten, sondern weil sie zunächst funktionell eingesetzt werden.
    Ich hoffe, sie werden als Figuren noch ein wenig mehr ausgebaut.


    Der Stil ist bisher angenehm und leicht sowie zugänglich.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    ...
    Als erstes ging mir durch den Kopf, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass auch in Europa die Kinder armer Eltern gnadenlos ausgebeutet wurden.
    Solltet ihr noch nie etwas von den Verdingkindern gehört haben, es lohnt sich, einmal bei Google nachzulesen. Bis weit ins 20. Jahrhundert gab es im Alpenraum regelrechte Menschenmärkte.


    In diesem Zusammenhang erinnere ich mich sehr gern an das Buch " Die Schwabenkinder" von Elmar Bereuter zurück, das ich mit großem Interesse und wirklich sehr gern gelesen habe.
    Als Schwabenkinder oder Hütekinder wurden die Bergbauernkinder aus Vorarlberg, Tirol, Südtirol , der Schweiz und Liechtenstein bezeichnet, die von Beginn der Neuzeit bis ins 20.Jahrhundert aus Armut alljährlich im Frühjahr durch die Alpen zu den "Kindermärkten" hauptsächlich nach Oberschwaben zogen, um dort als Arbeitskräfte für eine Saison im Wesentlichen an Bauern in ländlich geprägten Regionen Württembergs vermittelt zu werden.


    Die Geschichte der "Orphan Train Kinder" ist mir ebenfalls nicht bekannt. Daher bin ich unheimlich neugierig auf das Buch. Ich habe den ersten Abschnitt noch nicht ganz durchgelesen, kann aber schon sagen, dass sich das Buch sehr flüssig lesen lässt.

    Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne. (Jean Paul)



  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    Ich bin noch nicht weit, aber von Molly habe ich nicht den Eindruck, dass sie eine echte Rebellin ist. Sie hat zwar ein Goth-Outfit (ich vermute, es ist gemäßigt) und aus Selbstschutz nach Außen eine ablehnende Haltung, aber im großen und ganzen benimmt sie sich doch ganz gut und geht auf den Auftrag,,bei Vivian den Speicher aufzuräumen, sofort ein.
    Ja, ich finde Molly als Figur auch interessant.
    ...


    Es wird seinen Grund haben, warum Molly ins Gefängnis muss. Dass sie jetzt bei Vivian den Speicher aufräumt kommt ja nicht daher, weil sie zuviel Zeit hätte, sondern um damit die Haft zu umgehen.


    Ihr Äußeres verdeutlicht obendrein, dass sie sich nicht ans Normale anpassen will. Ansonsten hätte sie heutzutage während der Schulzeit eine Uniform an und zu Hause müsste man sie nicht bitten, etwas anderes anzuziehen, wenn sie zu Vivian geht. Daher habe ich ihr das Attribut Rebell gegeben.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Das Umschlagmotiv finde ich ganz schön und soll wohl den Handlungsstrang der Vergangenheit andeuten. Es ist wohl ohne Farbe gestaltet, da es 1929 noch keine Farbfotografie gab!


    Das habe ich beim Aufschlagen des Buches auch gedacht, dass die Farbe eigentlich nicht zur Abbildung passt. Die Kinder scheinen unbeschwert auf einer Wiese Blumen zu pflücken, aber trotzdem fehlt das Bunte, was man im Allgemeinen mit dieser Assoziation verbindet. Als Kunstinterpret würde ich jetzt das Augenscheinliche mit dem Tatsächlichen verbinden. Die Waisen sind noch kleine Kinder, deren Leben aber fern von jeder natürlichen Kindheit verläuft. (Da die Coverwahl aber beim Verlag mehr unter dem Marketing-Gedanken steht, würde ich darauf tippen, dass man lediglich ein Bild mit Kindern gesucht hat, das genauso gut in USA aufgenommen sein könnte.)

  • Zitat

    Original von Büchersally
    Ihr Äußeres verdeutlicht obendrein, dass sie sich nicht ans Normale anpassen will. Ansonsten hätte sie heutzutage während der Schulzeit eine Uniform an und zu Hause müsste man sie nicht bitten, etwas anderes anzuziehen, wenn sie zu Vivian geht. Daher habe ich ihr das Attribut Rebell gegeben.


    Offenbar gehen unsere Eindrücke darüber, was ein Rebell ist, weit auseinander.


    Molly hat sich unter Kontrolle und ist letztlich bereit, sich an Jack und der ewig keifenden Dina anzupassen. Wogegen ja auch nichts einzuwenden ist!

  • Mir gefallen die beiden Mädchen auf dem Umschlag auch. Sie spielen scheinbar unbeschwert vor dem vorbeifahrenden Zug.


    Ich mag auch den Erzählstil. Nicht pathetisch, eher nüchtern und dabei nicht oberflächlich.
    Ob Molly wohl bloß wegen des "Diebstahls" dieses ollen Buchs ins Gefängnis sollte? Fände ich ganz schön hart.
    Vivian finde ich sympathisch. Scheint mir eine Seelenverwandte zu sein...ich werfe ich nur ungern etwas weg.

  • Wie alt ist Molly wohl?
    Rebellisch finde ich sie auch nicht. Sie hat offenbar schon viel erlebt und ist sehr vorsichtig. Mir scheint der Halbsatz: "ihrer Erfahrung nach ist "tough und unnahbar" immer besser als "emotional und verletzlich", und sie trägt ihr Goth-Image wie eine schützende Rüstung." (S. 12) sehr bezeichnend für sie.

  • Ich habe das Buch heute mittag angefangen und bis zum Abend durchgelesen. Es hat mich echt gepackt :-]


    Molly und Vivian haben beide eine Vergangenheit, die nicht leicht war und ich denke es gibt gewisse Parallelen. Im Moment fasziniert mich vor allem die Geschichte von Vivian. Vielleicht, weil ich bislang von einem Zug der Waisen noch nichts gehört habe. Schwabenkinder dagegen sagt mir schon etwas.


    Das Cover finde ich fast zu schön, denn bisher spiegelt es nicht das Leben von Vivian. Vielleicht kommt das noch?


    @ Rumpelstilzchen
    Molly ist 17

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Wie alt ist Molly wohl?
    Rebellisch finde ich sie auch nicht. Sie hat offenbar schon viel erlebt und ist sehr vorsichtig. Mir scheint der Halbsatz: "ihrer Erfahrung nach ist "tough und unnahbar" immer besser als "emotional und verletzlich", und sie trägt ihr Goth-Image wie eine schützende Rüstung." (S. 12) sehr bezeichnend für sie.


    Genau dieser Satz ist mir auch sofort "ins Auge gesprungen".
    Genauso nehme ich sie auch wahr. Dieses "Anderssein" oder auch das durch ihr Aussehen vermeintlich Rebellische, ist doch nur die äußere Hülle der Mauer, die sie um sich gezogen hat, um nicht noch mehr und immer und immer wieder verletzt zu werden.
    Das selbe gilt für ihre Ordnungsliebe. Die Dinge, die ihr wichtig sind, ordnet sie akribisch. Ihr Leben ist so chaotisch verlaufen, dass sie wenigstens hier eine gewisse Ordnung braucht, um sich wenigstens ein bißchen wohl und wohl auch sicher zu fühlen.


    Vivian ist im Prinzip genauso. Ihre etwas steife, vornehme Art, die gerade Haltung bei ihrem Kennenlernen spiegelt diese Mauer rund um Molly doch sehr gut.
    Die beiden Figuren harmonieren für mich sehr gut in dieser Geschichte. Ich bin gespannt, wie sie sich gegenseitig helfen werden. Dazu trägt auch sicherlich diese etwas nüchterne, ruhige Erzählweise bei. Mir gefällt das sehr. Das Buch hat mich ziemlich gepackt.


    Von den "Orphan Trains" wusste ich bis jetzt auch nichts.
    Über die "Verdingkinder" habe ich vor längerer Zeit einmal etwas gelesen. Daran musste ich auch denken, Rumpelstilzchen.


    Die Umschlaggestaltung fand ich auf den ersten Blick sehr schön. Als ich die ersten Seiten dann gelesen hatte und Vivian im Zug sitzt auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft, stach es mir nochmal ins Auge. Diese unbeschwerten Kinder, der Zug im Hintergrund und dieser Grauschleier, der sich auf diese Unbeschwertheit legt, ist schon sehr passend zu dieser Geschichte, finde ich.

  • Es liest sich auf jeden Fall schon mal sehr gut, so das man ewig so weiterlesen könnte^^


    Molly ... das ist eher eine Grenze zwischen sich und dem Rest der Menschen ziehen .. sie versucht deutlich zu machen kommt mir nicht zu nah was sie ja selber auch gesagt hat .. ein Schutz vor Anderen und das man sie dadurch in der Regel in Ruhe läßt. Rebellion finde ich in der Beziehung das sie sich nicht unterordnen will, ihre Identität behalten will was ich wirklich gut finde :-].Sie hat offensichtlich sehr viel mitgemacht und braucht diese diese Schutzmauer gegen den Rest der Welt. Vivian find ich als alte Dame doch sehr interessant, da bin ich schon gespannt welche Persönlichkeit so in ihr steckt. Ich denke Molly und Vivian können sich gegenseitig sehr viel geben wenn sie mal soweit sind das sie einander vertrauen und auftauen ... bin ja gespannt wie das weitergeht zwischen den Beiden.


    Diese Einstellung das nur bei harter, ehrlicher Arbeit anständige Menschen aus Kindern werden und sie wie kleine Erwachsene behandelt werden gab es in Europa ja auch. Man bedenke in den 50igern und 60igern war es noch wichtig das Kinder sich wie Erwachsene benehmen angepasst und vorallem unsichtbar.. sie durften da sein aber nicht zu hören oder anderweitig auffallen. Gut das diese Zeit im Großen und Ganzen vorbei ist und die meisten Kinder ein normales kindgerechtes Leben führen dürfen.

    e0354.gif


    c0624.gif Sommer in der kleinen Bäckerei am Strandweg--Jenny Colgan

    Chroniken von Deverry 2 --Katharine Kerr
    Drachenelfen , die Windgängerin -- Bernhard Hennen

  • Ich habe jetzt interessehalber mal nach dem Cover der Originalausgabe gesucht und ich muss sagen, das Bild auf dem amerikanischen Buch gefällt mir fasst besser. Das deutsche Bild wirkt auf mich auch in Schwarzweiß viel zu friedlich.


    Bei Molly denke ich übrigens auch, dass sie viel mehr auf dem Kasten hat, als ihr rebellisches Äußeres vermuten lässt. Dass sie ins Gefängnis muss, wenn sie keine Stelle findet, wo sie ihre Sozialstunden ableisten kann, liegt vermutlich auch daran, dass sie wohl nicht zum ersten Mal auffällig geworden ist. Außerdem gehe ich mal davon aus, dass in den USA bei "juvenile delinquents" schon ziemlich hart durchgegriffen wird.


    LG, Bella

  • tatsächlich ein großer Unterschied.
    Während das deutsche Cover hoffnungsfroh scheint, ist das Original, obwohl farbig, aufgrund des ernsten Gesichtsausdrucks des Mädchens, eher bedrückend!


    Beide Cover sind jedoch über den Durchschnitt der üblichen Belletristiktitel!

  • Ich sehe gerade, dass die erste Eule schon durch ist - und ich hab mein Buch gerade erst bekommen. Aber Hauptsache, es ist da :-] und dazu noch zu ungewöhnlich früher Stunde; meist kommt die Post erst gegen 16.00 Uhr! Noch einmal vielen Dank an Wolke und den Verlag :anbet.
    Ich habe schon einen ersten Eindruck und zwar einen sehr guten!
    Wie gewöhnlich schaue ich mir zuerst das "Drumherum" an und habe dazu gleich eine Frage/Bitte: Ist jemand von euch in der Lage und so nett und kann das hinten abgebildete Plakat in Englisch irgendwie vergrößern und hier reinstellen? Ich würde das sehr gern lesen! :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

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