'Der Zug der Waisen' - Seiten 260 - Ende


  • Naja, wo kein Kläger ist, ist kein Richter. Offiziell haben sie die Vormundschaft und sind eben mit Mollys Aufenthalt bei Vivian einverstanden. Dass diese Freundschaft Molly gut tut, hat ja auch die Sozialarbeiterin feststellen können. Und dass Vivian auf Kostgeld verzichtet, ist ihre Privatsache.


    Das sind die Gedanken, die mir kamen, als ich mich mit genau diesen Überlegungen auseinandersetzte. :knuddel1 :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von maikaefer ()

  • @ Gucci:
    Ich glaube, man kann das Weggeben der eigenen Tochter nicht mit der Heirat mit Daly vergleichen. Was die Ängste bzgl. der Tochter angehen, habe ich ja schon was geschrieben; zu den Verlustängsten kam vermutlich noch die Angst, dem Kind kein dauerhaft stabiles Heim bieten zu können. Immerhin hatten es alleinerziehende Frauen damals noch viel schwerer als heute.
    Die Heirat mit Daly kam mMn aus dem Streben nach Sicherheit heraus. Sicher war es keine große Liebe, das sagt Vivian ja selber, die beiden waren eher ein gutes Team. Und ich glaube, Vivians Wunsch nach einem Partner, der mit ihr den gemeinsamen Laden führt und ihr ein Heim bieten kann, wog ihre Angst, den Partner möglichweise wieder zu verlieren, auf. Außerdem glaube ich, dass man die Angst, den Partner zu verlieren, nicht mit der Angst ums eigene Kind vergleichen kann.


    Was Vivians Lernfähigkeit am Computer angeht, so gebe ich Euch recht. Das erscheint mir auch ein bisschen hopplahopp, obwohl sie ja geistig wirklich noch fit ist. Aber sich mit 91 so schnell am Computer und im Internet zurechtzufinden, wo sie vorher doch all diesen "facetube"-Kram kategorisch abgelehnt hatte, ist schon eher unwahrscheinlich.


    LG, Bella

  • Ich hab das Buch auch am WE noch fertiggelesen, das las sich weg wie nichts, trotz des ernsten Themas.


    Dass Molly von Ralph und Dina die Nase voll hatte, kann ich verstehen.
    Klasse, dass Vivian sie bei sich unterkommen lässt. Wobei das schon ein ziemlich großes Glück ist.


    Vivians Geschichte überschlägt sich dann noch geradezu. Erst trifft sie zufällig Dutchy wieder, heiratet ihn, wird schwanger, aber er kommt im Krieg um.
    Dass sie das Kind weggibt, fand ich sehr traurig und nicht wirklich nachvollziehbar.


    Ihre zweite Ehe war dann nicht mehr die große Liebe, aber dennoch nicht unglücklich. Es war eben "ok".


    Das Ende ist schon sehr zuckersüß, dass sie auf einmal total technik-affin wird, ihre Tochter wiederfindet, diese sie auch treffen will und die kleine Enkelin dann auch noch aussieht wie Vivian früher.
    Aber es ist auf jeden Fall ein schönes, versöhnliches Ende.
    Schön fand ich auch, dass wir noch erfahren, dass Carmine damals wirklich Glück gehabt hat, dass es also auch Schicksale in den Zügen gab, die positiv waren, nicht nur solche Horrorgeschichten wie die von Vivian und Dutchy!

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Ich hatte nicht den Eindruck, dass Vivian schon so früh begonnen hat, ihre Lebensgeschichte zu erzählen, sondern halte es immer noch für die Transkription dessen, was Molly aufgenommen hat.


    Das denke ich auch. V.a. nachdem die Erzählperspektive so geschickt wechselt zwischen den beiden Erzählsträngen (übrigens vielen Dank für den Hinweis Rumpelstilzchen! :wave)

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

  • Zitat

    Original von Saiya
    Brigia, nach allem was Vivian erleben musste, kann ich ihr Verhalten aus ihrer Sicht verstehen. Sie hat immer wieder Verluste hinnehmen müssen und hat nun den einzigen Menschen verloren, der sie wirklich verstanden hat und mit dem sie über all das Schreckliche reden konnte. Dass man dann psychisch nicht in der Lage ist, die vielleicht richtigen Entscheidungen zu treffen, passiert in so einer Ausnahmesituation sicher häufig. Vielleicht war auch eine Postnatale Depression mit im Spiel. Sie hat die Entscheidung ja auch bereut. Wie erleichtert muss sie gewesen sein, als sie herausgefunden hat, dass ihre Tochter es bei ihren Adoptiveltern gut hatte, kann man nur erahnen.


    Ok, wahrscheinlich war ich da etwas zu streng mit ihr. Ich denke zwar immer noch, dass es total egoistisch war - sie hat in der Situation nicht an ihre Tochter gedacht sondern nur an sich selbst - aber sie ist eben auch nicht perfekt und hat in der Situation einen (ziemlich großen) Fehler gemacht. Eigentlich macht sie das auch wieder menschlich und vielleicht sogar glaubwürdiger als Figur.
    Vor dem Hintergrund ihrer Geschichte kann ich es einerseits besser verstehen, denn sie hat außer Dutchy ja auch Maisie und Carmine verloren und ich kann mir gut vorstellen, dass ihr eigenes Kind sie daran erinnert. Und andererseits kann ich es weniger versteher, denn sie überlässt das Schicksal ihres Kindes völlig dem Zufall. Ok, Babies haben wesentlich bessere Chancen, nicht als billige Arbeitskräfte aufgenommen zu werden, aber es gibt viele Gründe ein Baby aufzunehmen und nicht alle davon sind ausnehmend positiv. Sie geht ein hohes Risiko ein mit ihrer Entscheidung.
    Daher ist es für mich eindeutig ein großer Fehler, aber einer, den ich irgendwo nachvollziehen kann.

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

  • Noch einmal zu der Frage "Die alte Vivian und das Internet":
    Vorhin kam im TV ein Bericht von einer 100jährigen, die, mit ärztlichem "Okay", anläßlich ihres Geburtstages sich einen langgehegten Wunsch erfüllte und erstmalig in ihrem Leben einen Fallschirmsprung aus luftiger Höhe absolvierte.
    Befragt, worauf sie ihren außergewöhnlich guten Gesundheitszustand zurückführe, antwortete sie übrigens, dass sie sich vegetarisch ernähre und von alten Menschen fernhielte.
    :lache :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • maikaefer,tolle Leistung von der Oma. Ich finde sowas klasse, aber das dürfte aber die absolute Ausnahme sein.


    Ich glaube gerne, daß Vivian mit 91 noch geistig fit ist/war. Das ist aber ein himmelweiter Unterschied, ob man dann noch in eine vollkommen unbekannte, technische Welt eintaucht. :gruebel

  • Ich muss das Feld von hinten aufräumen, ich habe das Buch vorgestern abend doch tatsächlich in einem Rutsch ausgelesen :wow
    Konnte einfach nicht mehr aufhören, so gut hat es mir gefallen.
    Nur vom Ende bin ich etwas enttäuscht, das war mir dann doch zuviel Friede-Freude-Eierkuchen.
    Damit dass Vivian mit 91 noch so gut in die völlig neue Computerwelt eintaucht, kann ich gut leben, mein Opa hat sich mit Mitte 80 seinen ersten Computer gekauft und eines Tages alle Kinder und Enkel mit einer Rundmail überrascht. :lache


    So gar nicht verstehen kann ich die aktuellen Pflegeeltern von Molly. Wie kann ralph auf die Idee kommen, so was könnte funktionieren, wenn seine Frau nicht auch voll hinter der Entscheidung steht ein pflegekind aufzunehmen.
    Die beiden haben es mit Molly ja noch richtig gut getroffen, geht zur Schule, schreibt scheinbar recht gute Noten, da kann man sich doch echt nicht beschweren.


    Zitat

    Original von Gronik
    Schön fand ich auch, dass wir noch erfahren, dass Carmine damals wirklich Glück gehabt hat, dass es also auch Schicksale in den Zügen gab, die positiv waren, nicht nur solche Horrorgeschichten wie die von Vivian und Dutchy!


    Wobei die beiden ja auch noch echt Glück gehabt haben, Vivian mit der Lehrerin,die sich um sie gekümmert hat und Dutchy mit der Witweund ihrem Schwein. wenn da nicht im richtigen Moment Menschen gewesen wären, denen das Schicksal der beiden Waisen nicht egal war, hätte das alles ja noch viel schlimmer enden können.

  • Zitat

    Original von Buchdoktor


    Durch das Buch ist mir erst klar geworden, wie relativ neu die Rechte von Kindern sind, über ihre Abstammung informiert zu werden. Vivians Rechtlosigkeit und das Verschwinden ihrer Schwester zeigen heute, wie weit der Weg zu dieser Gesetzgebung gewesen ist. Auch dass Kinder nicht mehr in erster Linie als Arbeitskräfte und zu fütternde Münder angesehen werden, ist erst eine Erscheinung der Neuzeit.


    Das habe ich beim Lesen auch oft gedacht! :write



    Ich habe das Buch gestern beendet und bin immer noch beeindruckt von Vivians Schicksal. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Mensch, der solch traumatisierunge Erfahrungen machen musste, im Allter trotzdem auf ein überwiegend zufriedenes Leben zurückblicken kann. Sie selbst bezeichnet sich als pragmatisch, wahrscheinlich hat ihr dieser Wesenszug oft geholfen nicht verrückt zu werden. Schwer nachzuvollziehen und traurig fand ich ihre Entscheidung, ihre Tochter zur Adoption freizugeben.
    Einige von euch bemängelten ja das etwas kitschige Ende in dem Vivian ihre Tochter wiederfindet, aber für mich passt es, Kitsch hin oder her, gut in die Geschichte.
    Molly hat sich dank Vivians Hilfe zu einer reifen Persönlichkeit entwickelt. Ich denke, sie wird ihren weiteren Weg erfolgreich bewältigen.

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Noch einmal zu der Frage "Die alte Vivian und das Internet":
    Vorhin kam im TV ein Bericht von einer 100jährigen, die, mit ärztlichem "Okay", anläßlich ihres Geburtstages sich einen langgehegten Wunsch erfüllte und erstmalig in ihrem Leben einen Fallschirmsprung aus luftiger Höhe absolvierte.
    Befragt, worauf sie ihren außergewöhnlich guten Gesundheitszustand zurückführe, antwortete sie übrigens, dass sie sich vegetarisch ernähre und von alten Menschen fernhielte.
    :lache :wave


    Das hört sich ja fast so an, als wenn die unser Tantchen befragt haben, diese sprach auch am 90. noch von Fallschirmsprung zum 100. Geb. Beim 95. kündigte sie eine gemeinsame Ballonfahrt für sich und die Gäste an. Im August 2015 ist der 100. Geb. Den Umzug am 99. von eigener Wohnung in der 3. Etage in das betreute Wohnen zumindest hat ihren Lebenswillen nicht gemindert, allerdings mit dem bestellten und von ihr gewünschten E-Bookreader kam sie vor einigen Jahren erwartungsgemäß nicht allein zurecht.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Im letzten Abschnitt hat das Buch nochmal Volten geschlagen und mich überrascht. Als Vivian ihr Baby weggibt war ich wirklich "sauer". Warum sie es getan hat, habe ich verstanden. Ihre eigenen Beweggründe. Aber für mich persönlich konnte ich es nicht nachvollziehen. Ich für meinen Teil hätte erwartet, dass sie ganz andere Konsequenzen aus ihren Erfahrungen zieht. Nicht nur die, dass ihre Tochter das lebende "Verbindungsstück" zu ihrem geliebten toten Mann ist und der Mensch, der ihr eigentlich am nächsten steht. Ich dachte eigentlich auch nicht, dass sie ihrer Tochter ähnliches zumutet, wie sie selber empfunden hat. Also dass "fremde" Menschen sie zu sich nehmen und vielleicht nicht die Liebe für sie aufbringen können, wie eine eigene Mutter.


    Danach dachte ich, das Buch könnte mich nicht mehr so tief bewegen. Aber weit gefehlt. Als ihre Tochter schließlich nach über 60 Jahren vor ihr steht, hab ich doch feuchte Augen bekommen. Mag das Ende auch etwas kitschig sein. Ich war doch froh, dass das Buch schließlich ein versöhnliches und positives Ende findet und mich nicht verzweielt und erschüttert sondern versöhnt und zufrieden zurücklässt. Für mich war das Ende also vollkommen in Ordnung, da ja der Rest des Buches realistisch und traurig genug war.


    Mir hat etwas anderes nicht so gut gefallen. Und zwar, dass sie den Kameraden ihres Mannes geheiratet hat und dass sie ihm nie etwas von dem Kind erzählt hat. Mir wäre ein vollkommen fremder Mann lieber gewesen. (Toll war die Beziehung beschrieben mit dem Satz: Jim zu heiraten war wie in Wasser zu springen, das genau die selbe Temperatur hat wie die Luft.) So empfand ich es als Betrug an ihm, dass sie zwar bei ihm Trost gesucht hat aber nicht wirklich ehrlich zu ihm war. Eine lebenslange Lüge sozusagen. Das hatte der Mann sicherlich nicht verdient. Wo er doch so gerne Kinder gehabt hätte. Schade also, dass sie ihr Leben lang nicht über die Schatten der Vergangenheit weggekommen ist.
    Erst Molly hat ihr dazu verholfen. Immerhin, noch ist es ja nicht zu spät.


    Mollys Entwicklung war toll. Sie war meine Lieblingsfigur.


    Die Computer-Sache fand ich auch nicht glaubwürdig. Meine Mutter ist mit 70 zwar sehr fit am Computer, aber sie hat das schon vor 10 Jahren gelernt. Und dennoch ist ihr vieles einfach zu kompliziert und verwirrend und vor allem zu anstrengend.
    Allerdings war es mir dennoch willkommen, da es das erste Mal war, dass ich richtig Schmunzeln musste im Buch. Die Vorstellung, Vivan könnte so hellwach sein und Kunde bei Netflix werden wollen war einfach so schön, dass ich es einfach hingenommen habe.


    Jetzt lese ich noch schnell das ausführliche Nachwort.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich bin nun auch durch und fand gerade das leicht kitschige Ende des Buches toll. Ich habe es Vivian gegönnt, dass sie noch einmal Glück erleben darf.


    Ansonsten habt ihr das alles schon so schön zusammengefasst, da kann ich nichts mehr hinzufügen. :-]

  • Ich bin auch durch und bin fast ein wenig traurig, dass es vorbei ist.
    Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann auch mit dem etwas kitschigen Ende gut leben. Es rundet die Geschichte ab, dass Vivian noch einmal das Glück erleben darf. Auch hat mir gut gefallen, dass die Entwicklung von Molly die richtige Richtung nimmt, sie sich so mit Vivian angefreundet hat und sie sich so vertrauen.
    Es war ein tolles Buch und hier eine tolle Leserunde. Ich fand eure Gedankengänge zum Teil sehr interessant.
    Die Rezension kommt in den nächsten Tagen.

  • Auch für mich war dieses Buch ein großartiges Lesehighlight.


    Für Vivian habe ich mich gefreut, dass sie doch noch etwas Glück gefunden hat. Die Sache mit ihrem Baby fand ich allerdings nicht so ganz nachvollziehbar, dass war mich doch etwas zuviel.


    Molly ist nun doch zu Vivian gezogen. War irgendwie zu erwarten. Obwohl ich die Reaktionen ihrer Pflegefamilie nicht verstehe.



    Das Nachwort mit den passenden Bildern habe ich ganz tollen Abschluss empfunden.

  • Ich hab das Buch vorhin beendet und musste mich erst mal sammeln. Ich konnte auch noch gar nicht alle Beiträge hier lesen.


    Ich kann nur sagen, ich konnte kaum lesen, weil mir soviele Tränen über die Wangen liefen. Zuerst, als Niamh und Dutchy sich wiedergefunden haben, wie sie zusammen gekommen sind, dass sie geheiratet haben und ein Kind erwarteten... und dann kommt er ums Leben! Und auch zum Schluss, die Zusammenführungen, die Recherchen - einfach so schön, dass sie ihre Tochter und Familie gefunden hat. So traurig, dass ihre Schwester und Carmine nur wenige Monate vorher gestorben sind.


    Dieses Buch ging mir total ans Herz, ich muss das erst mal sacken lassen.


    ;-(

  • so, jetzt hab ich bisschen Postings hier gelesen - noch nicht alle - aber sonst vergesse ich, was ich schreiben wollte!


    Ich fasse es überhaupt nicht, hier so oft den Begriff "kitschig" zu lesen! :pille Ich fand das Buch überhaupt nicht kitschig, kein bisschen!


    Dass Niamh und Dutchy sich sofort zueinander hingezogen gefühlt haben, dass sich verliebt und geheiratet haben, erklärt sich doch durch das Buch an sich - wie kann man das nicht verstehen?! Das ist doch die Quintessenz von allem, die absolute Aussage dieses Buches - dass diese zwei Menschen aneiander einen Halt finden, den sie sonst bei niemandem finden, der das nicht erlebt hat!


    Im übrigen hat Vivian niemals gesagt, dass es für ihr weiteres Schicksal besser gewesen sei, dass Dutchy gestorben sei!!! :fetch


    Sie sagte - für die Geschäfte(!), also den Laden (!) - war Jim Daly der bessere Geschäftsführer als es Dutchy je gewesen war! Das ist ja wohl ein gewaltiger Unterschied!


    Und mit Jim Daly hat sie eben sehr gut harmoniert, ich denke, die Liebe, die sie für ihn empfand war eben eine gute Ergänzung, eine tiefe Freundschaft, eine Geborgenheit.


    Aber nicht zu vergleichen mit der romantischen Liebe zu ihrem Dutchy.


    Und dass sie ihre Tochter weggeben hat - die Beweggründe werden doch im Buch geschildert!!! Es ist zwar einerseits schwer zu fassen, denn sie bestimmt ihrem Kind ja dann ebenfalls dieses Waisenkind-Schicksal, von daher sollte man meinen, das würde sie doch nicht fertig bringen!


    Aber dieses Trauma, immer wieder die Menschen zu verlieren, die sie liebte, saß eben tiefer als alles andere. Und wer das nach diesem Buch nicht nachvollziehen kann, der ist wohl nicht richtig in die Lektüre bzw. Vivians Gefühlswelt eingetaucht?!


    Und zum Schluss - klar ist es erstaunlich, wie schnell sie den Umgang mit dem Laptop gelernt hat - ABER dafür ist stark ausschlaggebend, wie sehr ein älterer Mensch so etwas lernen WILL! Anfangs des Buches wollte sie ja davon nichts wissen, zum Schluss dann aber doch, als sie merkte, was Molly damit alles erreicht hat! Und wenn man diesen Lernwillen hat, und außerdem hat ihr Molly ja bei allem wichtigem geholfen - warum sollte sie das dann nicht hinkriegen?


    Wenn Molly ihr alles eingerichtet hat und sie nur Suchbegriffe eingeben muss, ist das auch für eine über 90jährige, wenn sie geistig fit ist, kein Problem.


    Und wenn ne Tochter oder Enkelin die selben blonden oder roten Haare hat wie die Vorfahrin, so ist das doch ne ganz natürliche Familienähnlichkeit und kein Kitsch??


    Also normalerweise gehör ich immer zu denen, denen es schnell zu kitschig ist und die sowas überhaupt nicht leiden können, aber dieses Buch muss ich davon absolut freisprechen.


    Ach ja, und Mollys Entwicklung fand ich auch toll. Dass sie sogar in der Schule immer besser wurde, fand ich eben gerade nicht klischeemäßig und deswegen besonders schön.


    Die Nebenrollen Jack, Terry, Dina und Ralph waren eben Nebenrollen und sollten auch den Platz einnehmen und nicht genauso viel wie Molly und Vivian - fand ich genau richtig so.

  • Und jetzt nochmal für alle, die Vivians Entscheidung nicht verstehen können:


    "Ich fange vor Schmerzen an zu weinen, und alle Tränen, die ich nicht um Dutchy vergossen habe, stürzen aus mir heraus. Ich werde überwältigt von Trauer, von Verlust, von dem großen Schmerz allein zu sein.


    Ich habe vor langer Zeit gelernt, dass Verluste nicht nur wahrsheinlich, sondern unvermeidbar sind. Ich weiß, was es bedeutet, alles zu verlieren, ein Leben loszulassen und ein neues zu finden. Und nun spüre ich mit einer merkwürdigen, tiefen Sicherheit, dass es das Schicksal meines Lebens ist, diese Lehre wieder und wieder erteilt zu bekommen.


    Als ich in diesem Krankenhausbett liege, spüre ich all das: die fürchterliche Last meines Lebens, meine Familie, eine Zukunft, die ich mir auszumalen gewagt hatte. Und in diesem Moment treffe ich eine Entscheidung. Ich kann das alles nicht noch einmal durchstehen. Ich kann mich nicht mehr jemandem so vollständig hingeben, nur um ihn dann wieder zu verlieren. Ich will nicht, nie wieder, erleben, dass ich jemanden verliere, den ich jenseits aller Vernunft liebe."




    So furchtbar ich persönlich das auch finde, und ich hätte mir auch gewünscht, Vivians Gefühlswelt hätte anders ausgesehen und sie hätte die Dinge auf die Art gesehen, ihrer Tochter ein besseres Leben und ein liebevolleres Zuhause zu geben, als sie selbst je hatte...


    ABER - Vivians Seele empfand so wie in dem obigen Abschnitt von Christina Baker Kline ganz wundervoll ergreifend geschrieben. Und ich finde, in diesem Abschnitt liegt soviel Schmerz, dass man nicht mehr weiter fragen muss, was in Vivian vorging. Damit ist doch alles erklärt!

  • Zitat

    Original von Belle Affaire
    Und in diesem Moment treffe ich eine Entscheidung. Ich kann das alles nicht noch einmal durchstehen. Ich kann mich nicht mehr jemandem so vollständig hingeben, nur um ihn dann wieder zu verlieren. Ich will nicht, nie wieder, erleben, dass ich jemanden verliere, den ich jenseits aller Vernunft liebe."


    Das sind auch für mich die erklärenden Sätze.
    Und ich kann das nachvollziehen.


    Natürlich ist es eine Momententscheidung und vielleicht hätte sie 4 Wochen später anders entschieden..........aber für ihre augenblickliche Situation muss sie wohl so vorgehen.


  • Liebe Belle Affaire, ich hätte all das, was du schriebst nicht besser ausdrücken können. :anbet Du hast meine Gedanken viel besser formuliert, als ich es je gekonnt hätte, danke dafür! :knuddel1


    Ich bin von dem Buch ganz ergriffen und berührt, dieser Roman ist definitiv mein Jahreshighlight!


    Ich fand es großartig, dass Molly und Vivian die (gut gezeichneten) Hauptdarsteller des Buches waren, und dass die Nebenfiguren eben nur (nicht so gut dargestellte) Nebenrollen innehatten. Und kitschig? Ich habe keinen Kitsch gefunden, nur ein wundervolles berührendes Buch.


    Danke an Wolke nochmal, dass ich an dieser besonderen Leserunde teilnehmen durfte! :knuddel

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain