'Der Zug der Waisen' - Seiten 260 - Ende

  • Wow, der letzte Abschnitt hatte es auch nochmal richtig in sich! :wow


    Molly verlässt ihre Pflegefamilie - das war ja eigentlich absehbar, denn je mehr Molly aus ihrem Schildkrötenpanzer auskommt, je weniger sie sich verbiegen lässt, umso mehr knallt es zwischen ihr und Dina. Und das Ralph, das alte Weichei, sich nicht für Molly einsetzen würde, war irgendwie auch klar. Genauso klar war aber auch, dass Vivian Molly aufnehmen würde - nicht nur angesichts ihrer eigenen Geschichte, sondern weil Vivian und Molly wirklich Freunde geworden zu sein scheinen.


    Vivian kommt in ihrer eigenen Geschichte ja auch nicht wirklich zur Ruhe - zwar läuft es familiär inzwischen gut, sie hat ein gutes Zuhause bei den Nielsens und ist auch beruflich abgesichert, da sie mittlerweile den Laden führt, doch dann trifft sie tatsächlich Dutchy wieder. Dass durch die kurze Begegnung im Zug und das Intermezzo auf dem Bahnhof von Chicago zwischen den beiden wirklich so eine starke Bindung entstanden sein soll, dass sie sich auf der Stelle ineinander verlieben und auch heiraten, finde ich etwas grenzwertig. Das mag ich nicht so recht glauben und ich teile Vivians Erkenntnis vom Ende des Buches, dass es für ihr weiteres Leben wohl besser war, dass dieses Glück nicht von Dauer war.


    Dass Vivian ihr eigenes Kind weggibt, hat mich wirklich erschüttert, aber ich irgendwo konnte ich sie auch verstehen. Mittlerweile war sie von solchen Verlustängsten geprägt, dass sie es vielleicht nicht durchgestanden hätte, ein Kind großzuziehen. Auch ohne Vivians Traumata ist das Mutter-Sein immer mit Ängsten, Sorgen und Loslassen-Müssen verbunden. Ein unbelasteter Mensch wird damit gut fertig, aber mit Vivians Vergangenheit und dann noch als Witwe... ich kann ihre Entscheidung nachvollziehen, auch wenn es mir beim Lesen in der Seele wehgetan hat.


    Dass Molly es am Ende schafft, den Kontakt zwischen Vivian und ihrer leiblichen Tochter herzustellen, fand ich hart an der Grenze des Kitschigen, v.a. dass die Tochter aussieht wie Dutchy und die Enkeltochter wie Vivian. Aber ich gönne es Vivian, dass sie am Ende doch noch eine Familie findet... und in gewisser Weise hat sie ja jetzt auch Molly als Ersatz-Enkeltochter!


    Das Nachwort mit den Fotos hat mir übrigens gut gefallen.


    LG, Bella

  • Das hast du wieder ganz toll zusammengefasst, belladonna, und auch meine Gedanken verliefen während der Lektüre sehr ähnlich.
    Ich glaube, Vivian und Dutchy hatten, da sie von ihren eigenen Familien wohl niemanden mehr wiederzusehen hoffen konnten, das einander irgendwann Wiederfinden irgendwie als eine Art unbewusstes Durchhalte-Ziel.
    Ja, am Ende war, auch, wenn man es Vivian von Herzen gönnen möchte, relativ viel Friede-Freude-Eierkuchen, und sogar das Baby, das Vivan damals mit Dutchy für wenige Tage betreute, wurde, wenn auch nicht mehr lebend, tatsächlich wiedergefunden.
    Auch mir gefiel das Nachwort sehr gut.
    Eine sehr lehrreiche und bewegende Geschichte!

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Tja bella hat es sehr gut beschrieben.


    Das Ende war fast ein wenig too much, aber vielleicht sollte es irgendwie positiv beendet werden. Das Nachwort fand ich auch interessant.


    Für mich gehört dieses Buch auf jeden Fall zu den Highlights des Jahres :anbet

  • Die Annäherung von Molly und Vivian wäre mir schon genug Happend gewesen. Die wiedergefundene Tochter war mir persönlich schon wieder zu viel.


    Sehr schön fand ich auf S. 326: "Also liegt es einfach in der menschlichen Natur zu glauben, dass Dinge aus eine bestimmten Grund geschehen - nach einem Stückchen Sinn sogar in den schlimmsten Erfahrungen zu suchen?, fragt Molly....Das ist sicher hilfreich, sagt Vivian"



    Ein bisschen unglaubwürdig fand ich ja, wie schnell Vivian sich an den völlig unbekannten Computer gewöhnt hat. Immerhin ist sie 91. Auch wenn sie geistig scheinbar absolut fit ist - nach meiner Erfahrung haben Menschen, die niemals mit so einem Teil gearbeitet haben, massive Probleme.
    Aber das ist ja wirklich eher nebensächlich.


    Insgesamt hat mir das Buch wirklich sehr gut gefallen. Molly ist absolut glaubwürdig und die anderen Personen im Buch werden konsequent aus ihrer Sicht geschildert. Bis auf Vivian, die ihre Geschichte zwar selber erzählt, diese wird dann wohl von Molly aufgeschrieben. Jedenfalls habe ich es so verstanden.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Die Annäherung von Molly und Vivian wäre mir schon genug Happend gewesen. Die wiedergefundene Tochter war mir persönlich schon wieder zu viel.


    Sehr schön fand ich auf S. 326: "Also liegt es einfach in der menschlichen Natur zu glauben, dass Dinge aus eine bestimmten Grund geschehen - nach einem Stückchen Sinn sogar in den schlimmsten Erfahrungen zu suchen?, fragt Molly....Das ist sicher hilfreich, sagt Vivian."


    In Bezug auf das Ende des Romans habe ich die wiedergefundene Familie auch zuerst als zu viel empfunden. Als ich dann die Danksagung und die kurze historische Abhandlung über die Kinder und deren Angehörige, vor allem die Aussagen von Pat Thiessen, gelesen habe, fand ich dieses für Vivian und Sarah so positive Ende richtig. Mir gefällt es einfach, dass zumindest diese Geschichte gut ausgeht. Vor allem auch, wenn man die Gründe berücksichtigt, warum Vivian ihre Tochter fortgegeben hat. Das Buch endet ja auch relativ offen. Die Schwierigkeiten, die bei der Aufarbeitung auf beiden Seiten sicher auch auftreten werden, bekommen wir ja nicht mit. Es endet mit einem glücklichen Moment für alle Beteiligten und nicht mit einem "und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende". Das passt zum Buch und das finde ich schön. :-)


    Wenn ich überhaupt etwas am Buch zu bemängeln habe, dann das, das es mir am Ende viel zu schnell ging. Ich hätte gerne noch mehr gelesen. :-)


    Diese Textstelle finde ich auch sehr schön, denn so ist es. Dieser Sinn hilft zu überleben und auch dabei bewusst zu leben oder Dinge anders oder besser zu machen, für sich selbst und auch für andere.

  • Ich bin auch (fast) ganz zufrieden mit dem Ende. Schön, dass es nach so viel Ärger doch noch positiv ausgeht. Dass die Tochter wie Dutchy aussieht, finde ich nicht verwunderlich, denn so war schon das Baby beschrieben worden. Okay, es war ein bisschen kitschig, aber nachdem der Kitsch erst ganz zum Schluss auftauchte, war es für mich in Ordnung.


    Ein paar Minuspunkte kriegt das Buch aber doch: Zum einen waren mir persönlich die Nebenfiguren zu farblos, v.a. Dina, Ralph und Jack. Zum anderen kann ich nicht verstehen, warum Vivian ihr Kind weggibt. Wenn sie nicht diese Vergangenheit gehabt hätte, hätte ich es verstanden. Aber sie hat ja die Erfahrung gemacht, wie schlecht es Kindern gehen kann, die im "System" aufwachsen müssen. Dass sie riskiert, dass ihre eigene Tochter eventuell etwas Ähnliches durchmachen muss wie Dutchy und sie selbst - das kann ich überhaupt nicht begreifen und es deckt sich auch nicht mit dem, was ich sonst über Vivian glaube zu wissen. Da kommt sie für mich unglaublich egoistisch rüber.


    Aber das sind eigentlich nur Kleinigkeiten.


    Insgesamt hat das Buch bei mir ein gutes, warmes Gefühl hinterlassen trotz all der schlimmen Erfahrungen, die die Figuren durchmachen mussten. Es wird definitiv weiter empfohlen!

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

  • Was mir an dem Roman gut gefällt, ist dass sich die Handlung der erzählten Geschichte immer mehr verdichtet. Vielleicht wirkt es deswegen im letzten Abschnitt, der so viele Jahre umfasst, doch verknappt. Aber hier hätte mehr Ausführlichkeit den Verlauf der Handlung nur gestört und aufgehalten, denke ich.


    Bei der Idee mit der wiedergefundenen Tochter schwanke ich auch, ob es nicht doch übertrieben ist, doch dann ist dieses Ende so gut geschrieben, dass es den Roman perfekt schließt.



    Das Buch ist sehr stimmungsvoll. Da ist es auch naheliegend, zwischendurch ein wenig passende amerikanische Musik zu hören.
    Folgende CDs waren mein persönlicher Soundtrack zum Buch:

    Anfang/Molly: The High Country von Richmond Fontaine


    Handlung um 1929/Vivian: Paper Airplane - Alison Krauss & Union Station


    1930: Flucht von den Grotes: Secret South von 16 Horsepower


    Vivian bei den Nielsens: Muchacho von Phosphorescent


    Vivian/Molly-Theme: Sugarland aus Enjoy the ride von Sugarland


    End theme: Beyond the Missouri Sky von Charlie Haden und Pat Metheny

  • Herr Palomar, das setzt der Leserunde doch noch die Krone auf! Passende Musiktitel dazu empfehlen. Das gab es ja noch nie.


    Brigia - ich war auch erst ein wenig perplex. Letztlich habe ich es doch verstanden. Für mich hatte sie zu viel Angst, sich auf eine Beziehung zu diesem Kind einzulassen aus Angst, auch sie doch wieder zu verlieren.
    Es war auch eine andere Situation - das Kind wurde als Neugeborenes zur Adoption freigegeben. Diese Kinder finden meist gute Elternhäuser.


    Was die Nebenfiguren angeht, meine ich, dass sie tatsächlich nur als die Randfiguren in Mollys Leben eine Rolle spielen. Sie haben keine eigene Geschichte und es ist eigentlich nur logisch, dass sie nur aus Mollys Sicht beschrieben werden.


    Ich werde mich dann mal dem Rezi Schreiben widmen.

  • Ich schließe mich Rumpelstilzchens Ausführungen an. Genau diese Gedanken hatte ich auch! Auf jeden Fall war das Buch - trotz aller traurigen Erlebnisse von Vivian - eine Wohltat! Seit den "Rosenkriegen" (von einem Schmunzelausflug mit "Bauchgefühle" und einem Ausflug ins Kriminelle mit Don Winslow abgesehen) das erste Leserundenbuch, das mir sicher nachhaltig positiv in Erinnerung bleiben wird.
    @ Herrn Palomar: Auch von mir vielen Dank für Gedicht und Musik (wenn ich auch gestehen muss, nicht einen Titel auf Anhieb zu kennen)! :anbet
    :wave
    EDIT: Ich hatte Don Winslow vergessen

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

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  • Das Vivian ihr Baby weggab, war nach meiner Lesart eine spontane Sache, ein Selbstschutz, um keinen Schmerz des Verlierens mehr erleben zu müssen.
    Sicher eine Schwäche, aber sie musste so lange stark sein, dass ich nachvollziehen kann, wie sie der Verlust von Dutchy getroffen hat.


    Komisch nur, dass sie später nie daran dachte, nach ihrem Kind zu suchen.
    Also war es auch für sie ein Glück, dass sie Molly traf, die Talent für das Auffinden von Personen hat!


    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Herr Palomar, das setzt der Leserunde doch noch die Krone auf! Passende Musiktitel dazu empfehlen. Das gab es ja noch nie.


    Die Idee kam mir, als ich an Leserunden mit Nicole C. Vosseler dachte, die auf ihrer Homepage häufig playlist zu ihren Romanen empfiehlt:
    http://www.nicole-vosseler.de/belletristik.html


    Zitat

    Original von maikaefer
    (wenn ich auch gestehen muss, nicht einen Titel auf Anhieb zu kennen)! :anbet
    :wave


    Die CDs sind vielleicht teilweise ein wenig speziell, aber es gibt bestimmt noch viele andere passende Stücke,

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Ich schließe mich Rumpelstilzchens Ausführungen an. Genau diese Gedanken hatte ich auch! Auf jeden Fall war das Buch - trotz aller traurigen Erlebnisse von Vivian - eine Wohltat! Seit den "Rosenkriegen" (von einem Schmunzelausflug mit "Bauchgefühle" abgesehen) das erste Leseerundenbuch, das mir sicher nachhaltig positiv in Erinnerung bleiben wird.
    @ Herrn Palomar: Auch von mir vielen Dank für Gedicht und Musik (wenn ich auch gestehen muss, nicht einen Titel auf Anhieb zu kennen)! :anbet
    :wave


    :write
    Die Leserunde mit euch war richtig, richtig schön (ist sie ja noch) und das Buch eines meiner Jahreshighlights.
    Herr Palomar, vielen Dank für deine Playlist und nochmal für das Gedicht. :-)


    Brigia, nach allem was Vivian erleben musste, kann ich ihr Verhalten aus ihrer Sicht verstehen. Sie hat immer wieder Verluste hinnehmen müssen und hat nun den einzigen Menschen verloren, der sie wirklich verstanden hat und mit dem sie über all das Schreckliche reden konnte. Dass man dann psychisch nicht in der Lage ist, die vielleicht richtigen Entscheidungen zu treffen, passiert in so einer Ausnahmesituation sicher häufig. Vielleicht war auch eine Postnatale Depression mit im Spiel. Sie hat die Entscheidung ja auch bereut. Wie erleichtert muss sie gewesen sein, als sie herausgefunden hat, dass ihre Tochter es bei ihren Adoptiveltern gut hatte, kann man nur erahnen.

  • Seite 284: OK, es ist vielleicht kitschig, es ist unwahrscheinlich und "wie in einem Roman" - aber es ist TOLL. Niamh und Dutchy treffen sich wieder. :-]


    Edit: Seite 304: Dutchy muss in den Krieg, sein bester Freund Jim Daly wird erwähnt. So heisst doch Vivian heute............ :-(

  • Happy End. :-] Und das ist gut so.
    Für mich wurde überzeugend dargestellt, weshalb Vivian ihre Tochter weggegeben hat.
    Für einen Aussenstehenden sicher nicht vorstellbar, aber ihre Erklärung, dass sie einen, wenn auch nur evtl., Verlust nicht mehr verkraften würde, war irgendwie nachvollziehbar.


    Ja, das Ende wurde ein wenig schnell abgehandelt, aber ok, ich denke, in Zeiten des Internets ist es wirklich denkbar einfacher, vermisste Personen wieder zu finden.
    Und ich kann mir schon vorstellen, dass Vivian sich relativ schnell mit dem Notebook angefreundet hat und sie keine Probleme hatte, sich in die Bedienung desselben einzulernen.


    Insgesamt ein schönes und fesselndes Buch über ein Thema, welches für mich neu war.

  • Ich schleiche mal als Zaungast heran, da ich das Buch schon vor der Leserunde gelesen habe. Für mich war es ein wunderbares Buch, weil ich mich besonders gut mit Molly identifizieren konnte und wie es für sie war, ihren Namen und ihre Identität nach Lust und Laune anderer Menschen wechseln zu müssen. Wie Adoptiv- und Pflegekinder ihre Biografie erleben, kann man meiner Ansicht nach nicht oft genug beschreiben. Um die Themen Adoption und Pflegekinder werden immer noch zu viele Ammenmärchen verbreitet. Dazu gehört die naive Vorstellung, es wäre einfach ein Kind zu adoptieren, und der moralische Zwang zur Dankbarkeit der Wahlfamilie gegenüber, der gleichzeitig ausgeübt wird. Als pubertierendes, hin und her geschobenes Kind kann Molly nicht dankbar sein, wofür auch, für die evtl. egoistischen Motive Erwachsener - aus ihrer Sicht völlig verständlich und nachvollziehbar.


    Durch das Buch ist mir erst klar geworden, wie relativ neu die Rechte von Kindern sind, über ihre Abstammung informiert zu werden. Vivians Rechtlosigkeit und das Verschwinden ihrer Schwester zeigen heute, wie weit der Weg zu dieser Gesetzgebung gewesen ist. Auch dass Kinder nicht mehr in erster Linie als Arbeitskräfte und zu fütternde Münder angesehen werden, ist erst eine Erscheinung der Neuzeit.

  • Ich schreibe das jetzt mal hier, damit ich nicht spoilern muss.
    Saiya schreibt im vorigen Abschnitt, dass sie beim Lesen das Gefühl hat, Molly würde das Interview mit Vivian veröffentlichen. Den Eindruck hatte ich nämlich gar nicht. Für mich waren das eher die Gedanken, die Vivian beim Durchstöbern der Kisten durch den Kopf gehen, da ich das Gefühl hatte, dass Molly und Vivian am Anfang nicht unbedingt viel miteinander geredet haben. (Da kann ich mich natürlich auch täuschen.)
    Das heißt natürlich nicht, dass Vivian Molly nicht noch ausführlicher über ihre Vergangenheit berichtet hat, als es dann um die Beantwortung der Fragen für das Schulprojekt ging. Nur wie ein niedergeschriebenes Interview liest sich die Geschichte für mich nicht.


    LG, Bella

  • So habe ich das nicht gemeint. Ich habe mich da wohl missverständlich ausgedrückt. Natürlich ist das kein niedergeschriebenes Interview, sondern Vivians eigene persönliche Erzählung, die während des "Entrümpelns" aber auch im Rahmen des Schulprojekts entstanden ist. Es lief ja dabei nebenher ein Aufnahmegerät. Ich hatte beim Lesen von Vivians Erzählungen ihrer persönlichen Empfindungen von all dem, was sie erlebt hat, oft "ihre Stimme" im Kopf. :wave


    Edit: Um diesen Beitrag aus einem vorherigen LR-Abschnitt geht es.


    Zitat

    Dadurch, dass wir die Gegenwart nur aus Mollys Sicht erleben, bleiben die anderen Figuren, abgesehen von Vivian, eher oberflächlich. Wir lesen ja eigentlich nur, wie Molly sie wahrnimmt und was sie in den jeweiligen Begegnungen mit ihnen empfindet. Das verleiht aber Vivians Geschichte Tiefe und gibt ihren Erlebnissen eine besondere Bedeutsamkeit. Gerade diese Art der Erzählweise gefällt mir an dem Buch so gut.


    Hinzu kommt dann noch, dass Molly die Geschichte von Vivian erfährt, indem sie sie für ein Schulprojekt interviewt. Man hat das Gefühl jemand - vielleicht Molly selbst - hätte diese Arbeit in diesem Buch veröffentlicht. So kommt Vivian selbst zu Wort, wenn sie von ihrer Vergangenheit erzählt. Zumindest habe ich das beim Lesen so empfunden.


    Ich denke, dass die Autorin beide Erzählperspektiven bewusst so gewählt hat, um die in Vergessenheit geratene Geschichte der "Orphan Trains" und die damit verbundenen Schicksale in Erinnerung zu rufen. Gleichzeitig hat sie versucht, die Problematik von Waisen bzw. Pflegekindern in der heutigen Zeit dem gegenüberzustellen und auch hier auf immer noch bestehende Probleme hinzuweisen. Das ist ihr gelungen.

  • Fast märchenhaft begegnen sich Dutchy und Vivian wieder. Ich verstehe ihre innere Verbundenheit, bin jedoch überrascht wie schnell sie sich vertrauen und körperliche Nähe zulassen. Nach einer abendlichen Begegnung als Erwachsene nach wenigen Stunden und wenigen miteinander gewechselten Sätzen wird gekuschelt – zehn Jahre nach der tagelang dauernden gemeinsamen Zugfahrt die sie als Kinder gemeinsam machten!


    Krieg: Dutchy kommt ums Leben, ihre gemeinsame Tochter May/ Maisie gibt sie nach der Geburt weg. Verständlich ihre Angst sich an etwas, was sie liebt zu binden, doch weitaus erschreckender, dass sie ihre Tochter, ihr und Dutchys gemeinsames Kind zu Fremden gibt. Sie war verheiratet, ist verwitwet, finanziell steht sie auch gut dar, hat ihre Adoptiveltern hinter sich und doch mutet sie ihrer Tochter zu, von der Mutter weggegeben zu werden und eine ungewisse Zukunft, bei Leuten, die es vlt. Auch nicht immer nur gut mit ihr meinen.
    Vivian heiratet Jim, den Militärkameraden der mit Dutchy die letzten Monate zusammen war. Das kann doch keine Liebe sein. Warum heiratet sie? Sie hat ihre Tochter weggegeben, weil sie sich nicht an etwas liebes/lieb gewonnenes verlieren will, dazu passt doch keine zweite Ehe. Verlustängste – doch aber nicht konsequent!


    Etwas unglaubwürdig bleibt für mich der Schluss der Geschichte; kann mir nur sehr schlecht vorstellen, dass eine 91jährige mit dem Computer beginnt umzugehen und dann auch noch derart umfangreich vertieft, Carmines Spuren werden auch im Netz entdeckt und sie nimmt Kontakt mit ihrer zur Adoption gegebenen Tochter auf und diese war auch auf der Suche nach ihrer Mutter.


    Bisschen viel Süße!


    Zitat

    Original von belladonnaDass Molly es am Ende schafft, den Kontakt zwischen Vivian und ihrer leiblichen Tochter herzustellen, fand ich hart an der Grenze des Kitschigen, v.a. dass die Tochter aussieht wie Dutchy und die Enkeltochter wie Vivian. Aber ich gönne es Vivian, dass sie am Ende doch noch eine Familie findet... und in gewisser Weise hat sie ja jetzt auch Molly als Ersatz-Enkeltochter!
    Das Nachwort mit den Fotos hat mir übrigens gut gefallen.

    :write


    Dina und Ralph melden keiner Stelle, dass Molly gar nicht mehr bei ihnen ist, weil sie bekommen ja weiterhin das Geld; keinem soll dieser Betrug auffallen? Wirklich nicht!? Immerhin geht es um einige Monate bis zu Mollys 18. Geb.!

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)