Geschichten erzählen - wie wichtig ist 'richtig'?

  • Achso, es geht nur um eine Definition von "Autor". Ich dachte es geht um das Schreiben an sich.


    Mit solchen Berufsdefinitionen ist doch jeder, dem eine entsprechende "Qualifikation" fehlt recht großzügig. Das kann man überall quer durch alle Berufe bemerken. Da gibt es Ingenieure, die keine sind, Informatiker, die keine sind, Wirtschaftsfachleute, die keine sind, etc. etc. Warum sollte es dann nicht auch Autoren geben, die keine sind? Darüber braucht man sich nun wirklich keine Gedanken zu machen.


    Alles klar.


    Gruss,


    Doc

  • @ doc:
    bitte nicht das thema (schreiben) mit dem (nach meinem dafürhalten) augenblicklichen stand der diskussion vermischen:-)


    wenn man sich für die zweite definition (jeder, der schreibt, ist autor) entschliesst, kann man die für berufliche autoren geltenden schreibregeln doch vernachlässigen, wenn man über nicht zum verkauf produzierte werke diskutiert.
    und das wurde nach meinem dafürhalten hier alles einwenig vermischt....
    :wave

  • ja, bo, für leute, die den begriff *autor* nicht auf gewerbsmäßige autoren allein beziehen, trifft das zu.
    und darüber "stritt" man mE weiter vor.
    wenn wir uns jetzt einigen, dass wir künftig in diesem thread nur von (ggf künftigen) berufsmäßigen autoren reden, kann man eingrenzen und neu diskutieren, was für diese autoren "richtig" und "wichtig" ist...
    :wave

  • sorry, ich wollte mich nicht aufspielen.
    mein eindruck war nur, dass hier sinnlos energien verschwendet wurden, indem man aneinander vorbei redete.
    ich bin ab jetzt hier raus
    :anbet :wave

  • Ich glaube, daß es weitgehend unerheblich ist, warum ein Autor schreibt, solange er gut schreibt. Denn nur darum geht es. Schriftsteller sind Autoren, die gut schreiben - Autor ist jeder, der schreibt. Tatsächlich aber ist es so, daß die "Therapieschreiber", von denen ich einige kenne, also diejenigen, die das Schreiben als eine Art Reinigungs-, Reflexions-, Selbstbestrachtungsprozeß sehen - und zwar einen überaus subjektiven -, i.d.R. (von der es - wie bei allen Regeln - Ausnahmen gibt) Texte herstellen, die sich einem beliebigen Leser nicht erschließen. Diese Texte sind sehr nahe und persönlich und zumeist nicht von der Person des Autors zu trennen. Das kann Absicht sein, ist aber häufig bedingt durch diesen Ansatz. Wer Selbstreflexion betreibt, reduziert auf sich selbst; solche Texte funktionieren für Außenstehende oft nicht, sind zuweilen deprimierend, peinlich, sollten besser nicht in das Licht der Außenwelt treten. Sie haben nichtsdestotrotz ihre Aufgabe und ihren Sinn, bergen aber auch Gefahren. Wer Selbstreflexion zu exessiv betreibt, gerät möglicherweise in eine gefährliche Perspektive.


    Diese Art des Schreibens wird allzu häufig mit großer Liebe zum Schreiben verwechselt. Tatsächlich ist es mehr der Prozeß als das Ergebnis, was hier von Bedeutung ist. Trotzdem produzieren einige wenige dieser Autoren lesbare Sachen, berührende, empfindsame und zuweilen sehr kunstfertige literarische Werke. Aber das sind nach meiner Einschätzung die wenigsten.


    Smarana hat in ihrer Liste u.a. Robert Schneider und T.C. Boyle aufgeführt. Letzterer ist ein reinrassiger Berufsautor, der an der Perfektion seines Handwerks lange, lange gearbeitet hat, der Stil, Perspektive und Themen sehr bewußt auswählt, von dem zwar sprachlich viel in seinen Werken zu spüren ist, dessen Humor und lakonische Weltsicht immer irgendwie eine Rolle spielen, der nichtsdestotrotz Produkte für einen Markt erzeugt und das Schreiben auch genau auf diese Weise sieht. Fraglos liebt Boyle seine Arbeit, aber es ist Arbeit, eine, die er fantastisch beherrscht, u.a., weil er sprachlich und erzählerisch verdammt talentiert ist. Das gilt übrigens auch für Robert Schneider, von dem weniger in seinen Texten zu finden ist, als mancher meint. Einer meiner Favourites, Philip Roth (Das sterbende Tier, Der menschliche Makel, Sabbaths Theater usw. usf., Pulitzer- und National-Book-Award-Preisträger, hochgehandelt für einen der nächsten LitNobs) hat mal in einem Interview auf die Frage, ob es ihn nicht stören würde, so viel von der eigenen Persönlichkeit in seinen Texten preiszugeben, (sinngemäß) geantwortet: "Wie kommen Sie darauf? Ich bin Schriftsteller, alles, was ich schreibe, ist Fiktion. Das ist mein Beruf." Es vermittelt zwar den Eindruck, sehr persönlich zu sein, aber die Texte entstehen im Bewußtsein, daß es Markt und Lesererwartung gibt. Das bedeutet nicht, daß diese Leute - Schneider, Boyle und Roth - Texte schreiben, mit denen sie nichts zu tun haben; Interesse für Themen und Figuren sind zwingend notwendig. Aber bei der Auswahl dieser Themen und Figuren und bei der Gestaltung der Texte spielen Markt und Leser trotzdem große Rollen.


    Schreiben ist Kommunikation, Manipulation, häufig Selbstzweck. Schriftstellerei ist die Produktion von Texten für einen Lesermarkt. Das kann auch die genannten Aspekte beinhalten, muß es aber nicht notwendigerweise. Für viele Autoren ist das Schreiben mit der Fertigstellung des Textes beendet; die Befriedigung über diesen abgeschlossenen Arbeitsprozeß und die wohlwollende Kenntnisnahme durch Markt und Feuilleton runden die Arbeit ab. Manch einen Schriftsteller interessiert herzlich wenig, was ansonsten von seinen Texten gedacht und über sie gemeint wird, denn fertige Bücher sind starr und bieten oft erschreckend wenig Interpretationsraum. Der Kommunikationsaspekt wird m.E. häufig überbewertet; es ist eine Mitteilung, aber eine rechtschaffen einseitige. Der überwiegende Anteil der Leser betrachtet den Wahrnehmungsprozeß ähnlich persönlich wie der Autor den Schöpfungsprozeß. Ich hoffe, es wird ein bißchen klar, was ich damit genau meine.

  • "Ich hoffe, es wird ein bißchen klar, was ich damit genau meine." (tom)


    ja.
    und wenn ich auch die meisten genannten autoren nicht kenne, kann ich meine meinung doch weitesgehend wiederfinden! :wave

  • 1.) möchte mich berichtigen, eigentlich meine ich nicht, dass die Regeln an sich kleingeistig sind, aber dass man sie kleingeistig anwenden kann
    2.) habe ich nie behauptet, dass ich nicht gerne auch Autoren (so wie ihr sie versteht) lese.

  • Hallo, Smarana.


    Zitat

    möchte mich berichtigen, eigentlich meine ich nicht, dass die Regeln an sich kleingeistig sind, aber dass man sie kleingeistig anwenden kann


    Es gibt keine Regeln. Wer schreibt, hat die Freiheit, alles zu erzählen und zu behaupten, was ihm einfällt, und auf jede beliebige Art. Theoretisch zumindest. :grin


    Allerdings gibt es einige Anhaltspunkte, die hilfreich sein können, wenn man gut, flüssig und spannend fiktional erzählen möchte. Diese Anhaltspunkte sind weniger Regeln als Erfahrungswerte, die Autoren, Kritiker und Leser über die Herstellung und Lektüre entsprechender Texte gesammelt haben. Es hat sich, zum Beispiel, gezeigt, daß Texte, die mit behauptenden Adjektiven überladen sind, bei vielen Lesern Ablehnung erzeugen. Daß Kapitel, die mit einem Cliffhanger enden, die Spannung hoch halten. Daß Dialoge kurz und sprachlich glaubhaft gehalten sein sollten. Undsoweiter. Die Liste ließe sich lange, laaaange fortsetzen. Würde man all diese Anhaltspunkte berücksichtigen - es gibt Bücher, die quasi Checklisten anbieten, die man abarbeiten kann -, entstünden viele sehr ähnliche Texte, die zwar über eine gewisse Lesbarkeit verfügen, aber unoriginell und irgendwie langweilig weil sehr gleichartig sind.


    Deshalb ist der Ansatz m.E. auch andersherum zu verstehen. Wenn man einen (eigenen) Text vor sich hat und dabei das Gefühl empfindet, er würde irgendwie nicht funktionieren, nicht spannend sein, interessant, empathisch, dann kann man - sollte man imho - sich mit derlei Aspekten befassen und prüfen, ob da irgendwo die Lösung zu finden ist. Das bedeutet: Entsprechende Kenntnisse und Talent sowie eine gute Geschichte vorausgesetzt, sollte man durchaus so erzählen, wie man glaubt, erzählen zu müssen. Und dann geht man daher und prüft: Liegt es an den Adjektiven, an der überladenen Sprache, den zu langen Sätzen, den holprigen Metaphern, der vorweggenommen Auflösung, dem zu diffusen Konflikt, den stereotypen Figuren, der Perspektive usw. usf. Oder liegt es schlicht und ergreifend daran, daß ich nicht interessant erzählen kann? (Obwohl der Tip sehr abgenutzt ist: Ich kann jedem nur empfehlen, mal einen eigenen Text zu nehmen und einfach alle Adjektive zu streichen - und dann nach und nach nur die wieder einzufügen, die wirklich nötig sind. Die Texte werden in den allermeisten Fällen sehr viel flüssiger und dichter.)


    Und nochwas zum eigenen Thema: Fiktionales Erzählen in realen Umfeldern hat nur eine Fiktionsebene, nämlich die Geschichte. Ich halte es für fatal, die Fiktion willkürlich auf Fakten, Strukturen usw. auszudehnen. Aber das habe ich auch schon x-fach gesagt ... :grin

  • @Doc: Sagt man nicht, Autoren landen deshalb nie in einer Therapie, weil sie alles mit ihrem Schreiben kompensieren können?


    @smaranda: Warum rezensierst du die Bücher nicht?


    [SIZE=7]Und nebenbei: Wäre nett, wenn du nicht jeden anranzst, der nicht deiner Meinung ist oder eine Auffassung hier hineinstellt, die dir nicht passt. Sätze a la "Der hat mich verstanden" sind das aller-, wirklich, das allerletzte, wenn sie genutzt werden, andere vor den Kopf zu stoßen. Du erwartest, was du nicht geben willst. Und die andern bleiben da sehr tolerant und antworten dir weiter ernsthaft, was du nicht einmal merkst. [/SIZE]


    Bücher, die nicht mit der Intention zum Veröffentlichen geschrieben wurden: Feuer und Stein... Hat z.B. einige logische Schwächen, weil die Autorin nie hintereinander wegschreibt, sondern zusammenpuzzelt, hat noch nicht viele gestört.


    Wie heißt es so schön bei aller Kunst, die veröffentlicht wird:


    Sender --- Code ---> Medium <--- Schlüssel --- Empfänger


    Fehlt da etwas, funktioniert es nicht.


    Tom : Und ich dachte immer, Autor wäre das Fremdwort für Schriftsteller... *pfeif*


    Zur Liebe zum Schreiben: Zitat aus dem Film Forester: Man schreibt mit dem Herzen und überarbeite mit dem Kopf.
    Bedeutet einem der Text deshalb weniger, wenn man ihn mit dem Kopf kontrolliert? Oder ist das ein Zeichnen, wie sehr man an dem hängt, was man schreibt um dafür zu Sorgen, dass es gut wird?


    Zum Thema:


    Ich schreibe momentan Fantasy, verwende jedoch ein Symbol, dass es gibt, auch mit dem Namen. Trotz aller Versuche es zu umgehen, musste ich, als der Charakter in einem Buch darüber nachlas nun einmal die korrekte Geschichte und Bedeutung hinschreiben, sonst wäre es einfach "hirnlos" gewesen -und das bei Fantasy.


    Etwas, dass ich neu erwähnen wollte: Die Beständigkeit der Sprache. Ich denke, man sollte wissen, in welchem Sprachstil man ein Buch schreibt und diesem dann für das Buch auch treu bleiben.



    JASS :keks

  • z.B. Marianne Fredriksson
    Eva
    Abels Bruder
    Noreas Geschichte


    auch über Gilbran hab ich schon was geschrieben


    alles ohne Resonanz
    werde aber trotzdem weitermachen


    Tom
    danke für deine differenzierte antwort, mit deiner sichtweise kann ich was anfangen, hab ja auch nie gesagt, dass ich all diese dinge gar nicht berücksichtige, sondern nur, dass ich das nicht allein für ausschlaggebend halte.
    Habe jetzt auch länger drüber nachgedacht, und mir ist klar geworden, dass meine unzufriedenheit dadurch entsteht, dass ich mich bei büchern einfach lieber über den Inhalt austausche, über das thema an sich, was es auslöst, welche sichtweisen darin enthalten sind etc., lese auch lieber bücher, die nicht nur die zeit vertreiben und unterhalten, sondern die mich anregen zum nachdenken, zum weiterdenken, neue erfahrungen kennenlernen, usw.
    Mein Hauptinteresse ist Psychologie, Philosophie und Spiritualität. Wenn solche Denkansätze und psychologische Hintergründe in einer guten Geschichte verpackt sind, ist es für mich ein perfektes Buch. Inspiriert mich für mein eigenes Leben und bewirkt persönliche Weiterentwicklung.
    Wenn sich der Austausch nur auf Form und Stil beschränkt ist es so, als wenn man eine schöne Frau kennenlernt, und anstatt ihr Wesen kennenzulernen, sich nur aufs Aussehen konzentriert. Obwohl es natürlich einen Einfluss hat.

  • Zitat

    Original von smarana
    auch über Gilbran hab ich schon was geschrieben
    alles ohne Resonanz
    werde aber trotzdem weitermachen


    Kurzer Halb-Off-Topic-Einwurf:


    Viele Rezis bleiben (leider) ohne Echo. Gelesen werden sie dennoch... das finde ich wichtiger. Und oft kommt eine Resonanz erst nach ein paar Monaten. Ich lasse mich jedenfalls durch eine Rezi mit 0 Beiträgen nicht entmutigen. Oft hat sich nämlich viel später dann doch noch eine Diskussion daraus entsponnen.


    Und nun wieder zurück zum eigentlichen Thema...

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)