Rechtschreibrat für teilweise Rücknahme der Reform
Reform der Reform in Sicht: Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich mit seinen ersten Vorschlägen für eine teilweise Rücknahme der Rechtschreibreform ausgesprochen. Das Gremium plädiert dafür, künftig viele Verben wieder zusammenzuschreiben.
München - Der Gremiumsvorsitzende und frühere bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmair sagte heute in München, künftig sollte krankschreiben, kranklachen oder vollquatschen nicht mehr getrennt geschrieben werden. Denn in solchen Fällen hätten die Wörter eine "idiomatisierte Gesamtbedeutung", das heißt, sie bilden vom Sinn her eine Einheit. Endgültige Beschlüsse will der Rat aber erst im Juni fassen. "Wir kommen voran, aber es ist mühsam", sagte Zehetmair.
Die Getrennt- und Zusammenschreibung, wie sie die 1996 initiierte Rechtschreibreform vorsieht, ist ganz besonders umstritten. Grundsätzlich sollte möglichst immer getrennt geschrieben werden, heißt es in dem Regelwerk. Nun aber lockere man diese "Partout-Regelung", sagte Zehetmair. Er gehe davon aus, dass die jetzigen Vorschläge einer Arbeitsgruppe im Juni bei einem Plenartreffen des Rates für deutsche Rechtschreibung die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit finden. Die eher reformnahe Kultusministerkonferenz (KMK) habe bereits signalisiert, dass sie sich dem Votum des Rates nicht verschließen werde. "Ich rate es auch nicht", sagte Zehetmair an die Adresse der KMK.
Die Kultusminister teilten mit, sie werden über die neuen Vorschläge erst entscheiden, wenn auch Verbände dazu angehört worden seien. Dazu gehörten vor allem Vertreter der Schulen, insbesondere der Lehrer- und Elternvertretungen, sowie Behörden. Die KMK hatte im vergangenen Jahr beschlossen, den Rat für deutsche Rechtschreibung einzusetzen. Er soll bis zur verbindlichen Einführung der neuen Schreibweisen in Schulen und Behörden zum 1. August 2005 Empfehlungen zu besonders strittigen Fällen geben.
Den neuen Vorschlägen zufolge sollen nun Verben wie kaltstellen, übrigbleiben, heiligsprechen, richtigstellen, zufriedenstellen und verlorengehen wieder zusammengeschrieben werden. Auch beim Zusammentreffen von Adverbien und Verben wie bei auseinandersetzen oder vorhergehen ist in vielen Fällen wieder eine Zusammenschreibung vorgesehen. Auch bei eislaufen, kopfstehen, festnageln oder leidtun rückte der Rat von dem ursprünglichen Regelwerk wieder ab. Den Empfehlungen zufolge muss im Einzelfall geprüft werden, ob das Adverb noch ein selbstständiges Wort oder nur noch Verbpartikel sei. Neben Acht geben, Acht haben, Halt machen und Maß halten sollen als Varianten auch die zusammengeschriebenen Formen wieder zugelassen werden. Ebenso soll es wieder in einem Wort kennenlernen heißen.
Klärungsbedarf sieht die Arbeitsgruppe noch bei Verben wie laufen lernen oder spazieren gehen. "Es ist ein schwieriger Ritt", sagte Zehetmair zur Reformdebatte. Aber es sei ein großer Erfolg, dass die Kritiker der Rechtschreibreform nun auch im Rat für deutsche Rechtschreibung mitarbeiten. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und der deutsche PEN hatten zeitweise eine Mitarbeit abgelehnt, wegen der ihrer Ansicht nach zu einseitigen Besetzung des Gremiums mit Reformbefürwortern. Den PEN vertritt jetzt der Sprachwissenschaftler Theodor Ickler. Er hatte die Reformvorschläge bereits als "massive" Änderung und "radikalen Neuansatz" bezeichnet.
Eine weitere Arbeitsgruppe soll sich nun mit der Interpunktion und der Worttrennung am Zeilenende befassen.