Oliver Harris: London Underground
Karl Blessing Verlag 2014. 448 Seiten
ISBN-13: 978-3896674494. 19,99€
Originaltitel: Deep Shelter
Übersetzer: Gunnar Kwisinski
Verlagstext
Bei einer Verfolgungsjagd durch die Londoner City entdeckt Detective Nick Belsey einen Bunker und ein mysteriöses Tunnellabyrinth unter den Straßen der Stadt. Der Verdächtige verschwindet darin spurlos, aber der ungewöhnliche Ort bringt Belsey auf eine Idee: Am Abend verabredet er sich dort mit einer jungen Frau zu einem ganz besonderen Rendezvous. Als er die junge Frau in der Dunkelheit des Tunnelsystems verliert, ist ihm bald klar, dass sie entführt worden ist. Weil niemand erfahren darf, dass er selbst in den Fall verwickelt ist, ermittelt Belsey fieberhaft und muss seinen Kollegen immer einen Schritt voraus sein: Er liefert sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Entführer, gerät immer tiefer in die Londoner Unterwelt hinein und stößt dabei auf eine eiskalte Rachegeschichte, die bis in die Zeiten des Kalten Krieges zurückreicht. Ein intelligenter, wendungsreicher Thriller und ein neuer Fall für Detective Nick Belsey, der den Leser mit seinen Ermittlungsmethoden hart an der Grenze zur Illegalität in Atem hält.
Der Autor
Oliver Harris, geboren 1978, hat am University College of London Englische Literatur studiert und in Psychologie promoviert. Sein Debüt "London Killing", Detective Nick Belseys erster Fall, erschien 2012 bei Blessing. Oliver Harris lebt in London.
Inhalt
Detective Nick Belsey wird im brütendheißen Londoner Sommer bei der Verfolgung eines Verdächtigen abgehängt und landet in einer Sackgasse. Der Mann ist plötzlich verschwunden und muss genau gewusst haben, dass er an dieser Stelle in Londons unterirdischen Tunneln und Katakomben verschwinden kann. Belsey steigt neugierig in ein Tunnelsystem ein, das sich in mehreren Etagen noch unter den U-Bahn-Linien unter Londons Innenstadt ausbreitet und seit der Zeit des Kalten Krieges verlassen zu sein scheint. Er findet eine üppig ausgestattete Infrastruktur für den Notfall, von der die britische Öffentlichkeit vermutlich nichts weiß. Ein romantisches Treffen mit einer Frau in der verlassenen Unterwelt endet in einer Katastrophe. Die junge Studentin Jemma (mit der ein korrekter Ermittler keine private Beziehung hätte) wird entführt.
Der Täter nennt sich nach einem britischen Spion, kennt Belseys Wege offenbar genauestens und nimmt direkten Kontakt zu ihm auf. Belsey hat es mit einem sonderbaren Kauz zu tun, dessen Spezialwissen über das Bunkersystem der Ermittler allein nicht gewachsen ist. Durch Belseys Degradierung zum Innendienst sind seine beruflichen Möglichkeiten gerade empfindlich eingeschränkt. Der Sachverhalt klingt aber auch so aberwitzig, dass Belsey als Suspendierter wohl kaum eine Hundertschaft unter die Erde zitieren kann, um nach Jemma zu fahnden. Hilfe verspricht er sich von Tom Monroe, einem Journalisten mit schillerndem Lebenslauf, der Bücher zu Spionagethemen veröffentlicht hat. Monroe macht sich für Belsey unentbehrlich durch seine Kenntnisse über die Nachkriegszeit. Unter dem Deckmantel von Post- und Fernmeldewesen sollte damals ein Leben nach einem möglichen Atomangriff Russlands vorbereitet und unter dem Namen „Able Archer“ eine Krisensimulation veranstaltet werden. Man ging davon aus, dass ein Teil der Bevölkerung überleben und fortan unterirdisch existieren würde. Belsey kämpft nun an allen Fronten: Um Jemmas Leben, gegen den gezielt gestreuten Verdacht, er wäre selbst der Täter, gegen den Geheimdienst, der ihm bereits im Nacken sitzt, und gegen einen Täter, der nichts mehr zu verlieren hat.
Fazit
Aus dem faszinierenden Setting eines Systems ungenutzter Schutzbunker im Londoner Untergrund entwickelt Harris einen Plot, der sich in der zweiten Hälfte zum spannenden Geheimdienst-Thriller entwickelt. Sein Ermittler Belsey agiert dabei äußerst intelligent und geschickt vernetzt, liefert der Polizeibürokratie jedoch immer wieder Angriffsfläche, um ihn wegen seiner kriminellen Aktionen endgültig aus dem Dienst zu entfernen. Dreißig Jahre nach den Ereignissen, denen Belsey auf die Spur kommt, fand ich einerseits die naive Vorstellung jener Zeit vom Leben nach einem angenommenen Atomschlag höchst interessant, aber auch die Londoner Verhältnisse, wo nahezu jedes Fleckchen der Stadt von Kameras überwacht wird. Für Leser, die sich gern von London und seinen brachliegenden Versorgungssystemen als Schauplatz fesseln lassen, eine unbedingte Leseempfehlung.
9 von 10 Punkten