Winterfeldstraße 2. Stock - Johanna Friedrich

  • Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
    Verlag: Marion von Schröder (30. September 2014)
    ISBN-10: 3547712009
    ISBN-13: 978-3547712001


    Kurzbeschreibung:
    Berlin, Juni 1923. Charlotte Berglas ist im fünften Monat schwanger, als man ihren Mann Albert tot aus dem Landwehrkanal zieht. Es muss ein Unfall gewesen sein, davon ist sie überzeugt. Niemals hätte er sie in diesen Zeiten der Not alleingelassen. Im Zuge der Inflation haben die Berglas ihr komplettes Vermögen verloren. Da Geld nichts mehr wert ist und Charlotte hochschwanger nicht arbeiten kann, beginnt die junge Frau, Zimmer ihrer Wohnung in der Winterfeldtstraße zu vermieten. Eine ungewöhnliche Gemeinschaft entsteht, die den Wirren der Zeit entschlossen und ideenreich standhält. Mittendrin kämpft Charlotte – für sich selbst und für die Zukunft ihrer kleinen Tochter Alice.


    Über die Autorin:
    Johanna Friedrich wuchs nahe Stuttgart auf und studierte in Paris und Tübingen Politik, Germanistik und Französisch. Mittlerweile lebt sie in Hamburg, ist dort als Journalistin tätig und schätzt die Nähe zu Berlin, wo sie privat viel Zeit verbringt.


    Meine Meinung:
    Berlin der 20er Jahre, das war für mich das Lockmittel. Nach den Krimis von Susanne Goga und Volker Kutscher dieses Mal ein historischer Roman, der jedoch schon spannend beginnt. Charlottes Mann, freiberuflicher Fotograf, wird tot aus dem Landwehrkanal geborgen. Zur damaligen Zeit der Inflation keine Seltenheit, doch Charlotte ist schwanger und Albert hat sich so auf sein Kind gefreut, dass es ein Unfall oder schlimmeres gewesen sein muss.


    Charlotte steht vor der Frage, wie sie ihre Existenz sichern kann. Ihr Bruder Gustav ist eher ein Kleinkrimineller als große Unterstützung, doch er bringt sie auf die Idee, ihre Wohnung unterzuvermieten. So ziehen nicht nur Gustav und sein Kumpel, der Lange, ein, sondern auch die Bardame Claire und Theo von Baumberg, der etwas zu verbergen hat, aber immerhin pünktlich die Miete zahlt.


    Die Autorin schafft es, die Zeit der goldenen Zwanziger lebendig werden zu lassen, wobei hier eher die Sorgen und die Unruhen im Vordergrund stehen, denn Deutschland ist im Umbruch, die Weimarer Republik am Schwanken, die Nationalsozialisten und Kommunisten am Kämpfen. und mittendrin Charlotte, die eine Tochter zur Welt bringt und mehr als überleben will. Ein interessantes Porträt der Zeit.


    Ein fesselnder Roman, der zwischendurch für mich ein wenig Längen hatte, mich jedoch am Ende zufrieden zurück ließ. Von mir 8 Punkte.

  • Vielen Dank für deine Rezi, Geli73.
    Ich lese das Buch auch gerade und ich kann mich deiner Meinung zu dem Buch voll anschließen. Es ist ein fesselnder Roman.
    Die Autorin zieht den Leser in die Zeit der 20er Jahre, in eine sehr schwierige Zeit, denn während der Inflation ist das Geld nichts mehr wert. Außerdem gibt es gesellschaftliche und politische Unruhen. Johanna Friedrich beschreibt in diesem Buch Menschen in ihrem täglichen Kampf ums überleben, ihre Träume und Illusionen und ihre Jagd nach dem Glück.
    Meine Rezi folgt, sobald ich das Buch beendet habe.

    Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne. (Jean Paul)



  • Das Leben in den 20-er Jahren war nicht einfach in Deutschland. Der vorangegangene Erste Weltkrieg hat nicht nur Materielles in den Städten zerstört. Auch die Menschen haben sich seelisch davon noch nicht erholt. Vielfach bilden sich Gruppen, die gegen die aktuell regierende Politik Stresemanns protestieren. In der Weimarer Republik wechselten die Machthaber öfter als für ein geschundenes Land gut war. Vor dieser Kulisse schildert Johanna Friedrich das Leben des jungen Paares Albert und Charlotte Berglas. Die beiden bewohnen eine kleine Wohnung in der Winterfeldtstraße in Berlin. Auf den Straßen dominieren Armut und Gewalt. Oft schauen auch die Wachtmeister tatenlos zu. Als Alberts Leiche aus dem Landwehrkanal geborgen wird, wird der Fall schnell als Suizid zu den Akten gelegt. Nur Charlotte ist überzeugt, dass ihr Mann einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Was hier wie ein Krimi klingt, dient aber nur der Erklärung, warum sich die junge Fotografin an der Existenzgrenze bewegt. Vielmehr wird hier ein Gesellschaftsporträt gezeichnet.


    Das Romandebüt wird in den ersten drei Kapiteln mit seinen Figuren und Umgebungen gut angelegt und verspricht einen spannenden Roman aus den 20-er Jahren des letzten Jahrhunderts. Leider kann sich diese Spannung nicht dauerhaft über die etwas mehr als 400 Seiten halten. Charlottes jahrelange Trauer steht ihrer Entwicklung allzu lange im Weg, um als Leser neugierig zu bleiben. Die drei Untermieter dagegen sind sorgfältig mit ihren Gesinnungen gewählt und spiegeln die Sicht der Gesellschaft bildhaft wider. Kleinkriminelle wie Gustav verdingten sich in zwielichtigen Kaschemmen mit Pokerspielen in rüder Gesellschaft. Hier treffen die neugeformten Gruppen der Kommunisten auf die Sozialisten und Nationalsozialisten. Nicht nur die steigende Arbeitslosigkeit und die unaufhaltbare Geldentwertung lassen die Gewalt eskalieren. In einer Welt, in der Devisen sind mehr Wert sind als die eigene Währung, in der mit Ware statt Geld gehandelt wird, ist jeder sich selbst am nächsten. Von daher ist der Schauplatz in der großen Wohnung gut gewählt. Sie sichert Charlotte ein Einkommen, ein Dach über dem Kopf und man kann als Leser die Figuren genau unter die Lupe nehmen.


    Die Verstrickungen in emotionaler Hinsicht lassen die Schilderungen des Historischen lebendiger wirken. Blickt man aus dem Fenster, kann man die Katastrophe ahnen, setzt man sich zurück an den Küchentisch, scheinen die Handlungen alltäglich. Der „Lange“ Heinrich hat sich sofort in Charlotte verliebt und unterstützt sie nach der Geburt ihrer Tochter, wo er nur kann. Die Dankbarkeit missinterpretiert er leider und es entsteht eine einseitige Liebesbeziehung, die für Charlotte gefährlich wird. Ein weiteres Zimmer hat sie an den undurchschaubaren Theo vermietet. Wie sich herausstellt, lebt er unter falscher Identität und trägt eine Pistole. Theo verkörpert die Schwierigkeiten, die seinerzeit Juden in Deutschland hatten. Auch eine alternde Bardame zieht in die zusammengewürfelte Wohngemeinschaft. Somit bringt die Autorin auf engstem Raum die vielschichtige Gesellschaft der damaligen Zeit unter. Mit ihrem flüssigen Erzählstil kaschiert sie auch das oben erwähnte Manko. Sie lässt die Wohnungen und Hinterhöfe mitsamt Gestank und Armut aufleben.

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Zusammenhalt ist das Einzige was zählt…


    Wir schreiben das Jahr 1923, schwere Zeiten in Berlin, doch Charlotte Berglas schwebt gerade auf Wolke 7, ist sie doch glücklich verheiratet und nun auch noch schwanger von ihrem Ehemann Albert. Doch ihr Glück ist nur von kurzer Dauer, wird ihr Mann doch tot aus dem Landwehrkanal gefischt. Charlottes Zukunft beginnt zu bröckeln, denn wie soll sie als Schwangere einen Job finden, um später sich und ihr Kleines durchzubringen? In der Not bleibt ihr nichts anderes übrig als ihre große Wohnung mit anderen Menschen zu teilen. Ob das gut gehen wird? Und vor allem: wird sie den Tod ihres Mannes jemals verarbeiten können?


    Dieses Debüt beleuchtet die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in Deutschland. Hierbei gelingt es der Autorin vor allem die damaligen Umstände zu verdeutlichen und die politischen Umbrüche zu beleuchten.


    Die Wohngemeinschaft besteht aus den unterschiedlichsten Charakteren mit verschiedenen Ansichten zum Leben und zur Politik, was wohl oder übel zu Spannungen führt. Die Protagonisten sind gut gezeichnet und man kann ihr Denken und Handeln nachvollziehen, auch wenn man nicht mit allen Akteuren sympathisiert.


    Die Schreibe der Autorin hat sich angenehm lesen lassen, ich fühlte mich zu keiner Zeit unter- oder überfordert. Und schön ist, dass ich hier wieder etwas dazu gelernt habe.


    Einziger Kritikpunkt ist der, dass die Protagonistin Charlotte mir ein ums andere Mal ein wenig auf die Nerven ging mit ihrem Verhalten, aber das geht vielleicht auch nur mir so.


    Fazit: Ein gelungenes Erstlingswerk über eine Zeit, die wohl nicht immer einfach war. Lesenswert und gute Unterhaltung!


    Bewertung: 8/ 10 Eulenpunkten

  • Berlin 1923: Charlotte ist im fünften Monat schwanger, als sie vom Tod ihres Mannes Albert erfährt. Für sie bricht eine Welt zusammen. Um ihre Wohnung halten zu können, muss sie Untermieter bei sich aufnehmen. So entsteht eine Wohngemeinschaft aus ganz unterschiedlichen Charakteren, die lernen müssen, miteinander auszukommen.


    Mein Leseeindruck:


    Ich muss zugeben, dass ich eine Weile gebraucht habe, mich von dem Buch fesseln zu lassen. Aber irgendwann hat die Geschichte mich gepackt und dann war ich gefangen in der dichten Atmosphäre der 1920er Jahre. Diese ganz besondere Stimmung, die Inflation, die politischen Umbrüche - all das kommt hier sehr gut und deutlich zur Geltung.


    Auch die Charaktere - Charlotte, Claire, Heinrich, Gustav und Theo - könnten kaum unterschiedlicher sein. Jede Figur ist sehr gut beschrieben; ich konnte mir sie alle gut bildlich vorstellen.


    Die Geschichte selbst ist sehr tiefgreifend, fesselnd und auch immer wieder überraschend.


    Ich habe das Buch, nachdem ich mich "eingelesen" hatte, sehr gerne gelesen und werde bestimmt noch eine Weile brauchen, um die Geschichte für mich zu verarbeiten, da sie "nachwirkt". Es ist also keine Geschichte, die man nach dem Lesen gleich wieder vergisst.

  • Inhalt
    An einem Mittwoch verändert sich Charlottes Leben für immer. Ihr Mann wird tot aus dem Landwehrkanal gezogen, doch Zeit zum Trauen bleibt ihr nicht. Sie ist mittellos, nur die große Wohnung in der Winterfeldtstraße ist ihr geblieben.
    Und so beginnt Charlotte, Zimmer für Zimmer zu vermieten, bis sich eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft gefunden hat, zu der zwei Kleinkriminelle, eine Bardame und ein geheimnisvoller Adliger gehören. Nach der Geburt ihrer Tochter wagt Charlotte neue Pläne, sie will ihre Träume verwirklichen.
    Doch im Berlin der 20er Jahre, einer Zeit voller Sehnsüchte und Leidenschaften, lässt sich das Glück nicht so einfach festhalten.


    Über den Autor
    Johanna Friedrich wuchs nahe Stuttgart auf und studierte in Paris und Tübingen Politik, Germanistik und Französisch. Mittlerweile lebt sie in Hamburg, ist dort als Journalistin tätig und schätzt die Nähe zu Berlin, wo sie privat viel Zeit verbringt.


    Meine Meinung
    Ich habe das Buch von einer Freundin geliehen bekommen, die mich zunächst darauf aufmerksam machte mit den Worten: „Das gefällt dir bestimmt!“ Rechte hatte sie (mal wieder :-))
    Der Einstieg in die Geschichte fiel mir sehr leicht und bereits nach wenigen Seiten hatte ich das Gefühl mittendrin zu sein. Die Atmosphäre dieser Deutschland so prägenden Zeit wurde gut eingefangen und auch an den Leser wiederum gut übermittelt. Die Sorgen, Ängste und Nöte der schwangeren Charlotte nach dem Tod ihres Mannes; ihre Zweifel über die Vermietung der Wohnung; der Kampf ums tägliche Überleben und nicht zuletzt die Sorge über ihren windigen Bruder Gustav – all das vermittelt die Autorin einfühlsam und emotional.


    Die Bewohner in der Berglaschen Wohnung in der Winterfeldtstraße selbst sind auch alles andere als unsichtbar und tragen durch ihre jeweiligen Persönlichkeiten zur Entwicklung der Geschichte bei. Am meisten herausstechen, selbst für ihre Zeit, dürfte wohl Claire. Bunt geschminkt und in auffallende Farben gekleidet, mit dem Herzen am rechten Fleck und manchmal auch auf der Zunge ist sie eine Art guter Geist in dieser ungewöhnlichen Wohngemeinschaft. Statt den Kopf hängen zu lassen stärkt sie gerade Charlotte mit ihrem fröhlichen Wesen den Rücken und ermuntert sie im späteren Verlauf immer wieder dazu, den Sprung zu wagen und ihre Träume zu verwirklichen. Man muss sie einfach lieb gewinnen!


    Zwischenzeitlich hatte das Buch ein paar kleine Längen, die in dieser turbulenten Zeit jedoch wie kleine Atempausen wirkten und daher für meinen Geschmack recht gut passten und nicht weiter ins Gewicht fallen. Es ist eine spannungsgeladene Zeit in Deutschland, im weiteren Verlauf wird bereits die Richtung angedeutet, die die Politik in Deutschland gehen wird. Nach Beenden der letzten Zeilen kam mir der Gedanke, wie gut es doch ist, dass das Buch an dieser Stelle zu Ende ist und Charlotte noch nicht weiß, was die Zukunft für sie und die Bewohner der Winterfeldtstraße im 2. Stock bereithält.


    Bewertung
    10 Eulenpunkte für Johanna Friedrichs „Winterfeldstraße, 2. Stock“

  • Charlotte Berglas kann es nicht fassen,als sie über den Tod ihres Mannes Albert informiert wird. Sie glaubt nicht,daß es ein Selbstmord war.Jetzt muß sie noch mehr kämpfen um zu Überleben, auch für das Kind,das sie erwartet.


    Eine Möglichkeit bietet das Vermieten der Zimmer ihrer großen Wohnung. Eine Wohngemeinschaft mit unterschiedlichen Charakteren entsteht.
    Charlotte von vielen Selbstzweifeln geplagt versucht ihr Leben in den Griff zu kriegen;
    Claire arbeitet in einer Nachtbar, wird zu einer Freundin und wichtigen Gesprächspartnerin;
    Gustav,der Bruder von Charlotte verkehrt in zwielichtigen Kreisen,muß immer aus prekären Situationen geretttet werden;
    Der „Lange“ hat Minderwertigkeitsprobleme,träumt von einer intakten Familie; passend zu der damalige Zeit seine politische Neigung;
    Theo ist undurchschaubar,geheimnisvoll;
    Man erlebt die Protagonisten mit ihren Hoffnungen,Träumen,Wandlungen und auch Rückschlägen,erfährt einiges aus ihrer Vergangenheit.


    Die Zwanziger Jahre sind nicht nur golden.Die Schilderung der Lebensumstände in Zeiten der Inflation und Massenarbeitslosigkeit kann man gut nachvollziehen. Das gesellschaftliche Leben in den vielen Vergnügungsstätten samt Eintänzer bis zum nächsten Crash werden treffend beschrieben.
    Die instabilen politischen Verhältnisse mit den Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Gruppierungen und Auftritten bekannter Personen sind ein Teil der deutschen Zeitgeschichte.


    Ein gelungenes,interessantes Romandebüt der Autorin,der den Leser in die damalige Zeit entführt.


    8 von 10 Eulenpunkten