Michele Serra - Die Liegenden

  • Titel: Die Liegenden
    OT: Gli sdraiati
    Autor: Michele Serra
    Übersetzt aus dem Italienischen von: Judika Brandestini
    Verlag: Diogenes
    Erschienen: September 2014
    Seitenzahl: 160
    ISBN-10: 3257069103
    ISBN-13: 978-3257069105
    Preis: 16.90 EUR


    Dieses Buch ist fast ein Roman, man könnte es aber auch als Essay bezeichnen. Ein Vater schreibt über seinen Sohn.
    Einem Sohn, der offenbar zu einer Spezies gehört.
    Es ist die Spezies der Liegenden.
    Sie liegen nur noch auf dem Sofa, sind aber online und mit aller Welt verbunden. Notebook, Iphone und was es sonst noch so gibt alles immer im Dauereinsatz. Dazu wird mit Kopfhörern laut Musik gehört und natürlich läuft auch das Fernsehgerät – in voller Lautstärke versteht sich, denn sonst könnte man ja wegen der Kopfhörer nichts hören.


    Teilweise humorvoll, teilweise aber auch zynisch, bissig und ironisch beschreibt Michele Serra dieses Zusammenleben mit seinem Sohn. Und er muss konstatieren, dass eigentlich kaum noch zu seinem Sohn durchdringt. Er will seinen Sohn zu gemeinsamen Unternehmungen animieren, doch das scheint ein fast aussichtloses Unterfangen zu sein. Erst die stundenlange Wanderung auf den Gipfel des Colle della Nasca scheint dann alles zu ändern.


    Es ist ein Buch, das der Sprachlosigkeit zwischen den Generationen eine Sprache gibt. Geschrieben mit einem freundlichen Augenzwinkern, aber auch mit dem diesem Thema anhaftenden notwendigen Ernst.


    Ein interessantes, ein lesenswertes Buch. 160 Seiten lesen sich sehr schnell weg – was aber nicht bedeutet, dieses Buch sei oberflächlich. 7 Eulenpunkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Es ist ein Buch, das der Sprachlosigkeit zwischen den Generationen eine Sprache gibt.


    Erstklassig auf den Punkt gebracht.


    Sprachlosigkeit und gegenseitiges Unverständnis führen zu einer nicht überwindbar scheinenden Kluft zwischen dem Erzähler und seinem 18-jährigen Sohn. So muss es natürlich nicht sein, doch so manches lässt einen beim Lesen schmunzeln und mehr oder minder zustimmend nicken.


    Mit einer gewissen Resignation und oft recht zynischer Ironie schreibt sich der Ich-Erzähler seine Frustration vom Herzen. Das tut er überaus eloquent und mit Sinn für Humor. Manche Szenen sind der pure Slapstick.


    Dabei schreibt er sich zunehmend in einen regelrechten Rausch, kommt kaum zu einem Ende, verliert sich in immer neuen Ausschmückungen des gleichen Sachverhalts und schwelgt für meinen Geschmack zu sehr in seinen sprachlichen und philosophischen Höhenflügen.


    Hab ich seine sprachliche Virtuosität anfangs noch in vollen Zügen genossen, fand ich sie aufgrund vorgenannter Auswüchse gegen Ende des Buches eher ermüdend.


    Neben der Beziehung bzw. Nichtbeziehung zu seinem Sohn gibt es da noch ein Buch über den zugespitzten Generationenkonflikt. Eine Art Endzeitszenario, das der Ich-Erzähler in fortgeschrittenem Alter schreiben will und an dem er bereits jetzt schon feilt. Anfangs hat er dieses Projekt immer nur mal kurz erwähnt und ich habe es nicht besonders ernst genommen, aber gegen Ende nimmt es doch ganze Kapitel ein. Und ehrlich gesagt, fand ich das befremdlich und ausgesprochen entbehrlich.


    Trotz der genannten Kritikpunkte fand ich das Buch insgesamt lesenswert und schließe mich den 7 Eulenpunkten an.