Monferat, Benjamin [mit Interview]

  • Benjamin war so freundlich und hat für uns eine Kurzbiografie geschrieben. Wir möchten uns dafür, sowie für die Bereitstellung des Fotos herzlich bedanken.



    Über den Autor:
    Unter dem Pseudonym Benjamin Monferat hat sich Schriftsteller und Historiker Stephan M. Rother ganz der Geschichte verschrieben – in all ihren Bedeutungen. Neben einem Kleinbahnhof an der innerdeutschen Grenze aufgewachsen, gehört das Schnaufen historischer Dampflokomotiven zu seinen ältesten Erinnerungen. Die Lebensgeschichte seines Großvaters, der im Dritten Reich am Bau luxuriöser Salonwagen beteiligt war und gleichzeitig tätigen Widerstand gegen das Regime übte, war einer der Impulse, aus denen heraus «Welt in Flammen» entstand.

  • Büchereule: "Welt in Flammen" ist ein Abenteuer-Roman und unterscheidet sich doch erheblich (auch durch den Umfang) von deinen bisherigen Büchern, die unter dem Namen Stephan M. Rother erschienen sind. Was hat dich zu diesem Roman inspiriert?


    Benjamin Monferat: Zwei Dinge: Zum Einen diese unglaubliche historische Situation, dass noch mitten im Krieg, im Mai 1940, ein Luxusexpress verkehrt, der Wagen aus Frankreich wie aus Deutschland ankoppelt, so dass die Opfer wie ihre Verfolger buchstäblich im selben Zug sitzen. Eine atemberaubende Vorstellung und ganz unübersehbar ein Romanstoff. Und zum Zweiten biographische Gründe. Mein Großvater war selbst an der Konstruktion solcher Luxuswagen beteiligt, bei Lincke-Hofmann in Breslau, hat selbst aber insgeheim gegen das System gearbeitet und Regimegegner bei der Flucht unterstützt. Und letztlich und endlich bin ich auch selbst neben einem Kleinbahnhof aufgewachsen und die Geräusche dieser historischen Züge zählen zu meinen ältesten Erinnerungen.


    Büchereule: Erschien "Welt in Flammen" aus diesem Grund unter dem Pseudonym Benjamin Monferat?


    Benjamin Monferat: Uns war von Anfang an klar, dass „Welt in Flammen“ etwas ganz anderes ist als die Kriminalthriller, die ich bisher bei Rowohlt veröffentlicht habe. Das wollten wir auf den ersten Blick deutlich machen und sind darin auch vom Buchhandel unterstützt worden.


    Büchereule: Kannst du uns etwas zu dem Hintergrund für das Pseudonym erzählen? Wie es dazu kam, ob der Name in deinem Leben eine Bewandtnis hat oder eine reine Erfindung vom Verlag oder dir ist?


    Benjamin Monferat: Wir hatten einen ganzen Pool von Namen. Ich hätte auch Patrick Falter heißen können, was sich für meinen Geschmack zu amerikanisch angehört hätte. Benjamin Monferat klingt nach einem Bürger des Alten Europa. Er passt zu unserer Geschichte und stellt in meinen Augen auch einen weicheren, nachdenklicheren Kontrast zum harten, offensiven „Welt in Flammen“ dar.


    Büchereule: "Welt in Flammen" kommt ohne Identifikationsfigur aus, ist ein Buch für jung und alt, für Männer und für Frauen. War das von Anfang an geplant oder hat sich das beim Schreiben so ergeben?


    Benjamin Monferat: Ich bin ein großer Fan der Fernsehserie „Downton Abbey“, bin fasziniert vom gewaltigen Tableau der Figuren, von der Ausstattung und der Atmosphäre dieser Serie. Ich habe mich gefragt, ob sich so etwas auch im Buch transportieren lässt. Wenn ja, dann schienen mir schon für den upstairs-downstairs-Aspekt mehrere Perspektiven angebracht, um das Geschehen zu beleuchten. Und ich glaube gar nicht, dass wir keine Identifikationsfigur haben. Wir haben sogar mehrere.


    Büchereule: Wie recherchierst du für deine Bücher?


    Benjamin Monferat: Wie so vieles hat sich auch der Rechercheprozess im Zeitalter der Neuen Medien verändert. Per Streetview lässt sich ein Handlungsort in Augenschein nehmen, ohne dass ich ihn aufsuchen musste. Allerdings gilt gerade das für „Welt in Flammen“ nicht in vollem Maße. Ich habe buchstäblich Tausende von Seiten Literatur konsultiert, habe mir Baupläne von CIWL-Waggons besorgt, und selbst der Rhythmus unserer Geschichte war durch den Fahrplan 1939/40 vorgegeben, an den sich der Express fast bis ans Ende minutiös hält.


    Büchereule: Bist du beim Schreiben ein Alleinkämpfer oder kannst du auf Hilfe zurückgreifen, wenn es irgendwo hakelt?


    Benjamin Monferat: Mein Agent Thomas Montasser, meine Lektorin Grusche Juncker, meine Betaleser stehen mir mit bewunderungswürdigem Langmut zur Seite, wenn ich wieder einmal betriebsblind umhertaste.


    Büchereule: Du lebst ja ausschließlich vom Schreiben. Wie muss man sich deinen normalen Alltag vorstellen? Hast du Schreibrituale? Bleiben deine Bücher zurück, wenn du dein Büro verlässt oder begleiten sie dich Tag und Nacht?


    Benjamin Monferat: Ganz eindeutig ist Letzteres der Fall. Wenn ich schreibe, lebe ich in der Geschichte und erst in zweiter Linie in der realen Welt. Die eigentliche Kraftprobe besteht darin, hin und wieder in diese Welt zurückzukehren.


    Büchereule: Gibst du nur das vollständige Manuskript aus der Hand oder kapitelweise?


    Benjamin Monferat: Nach vielleicht hundert Seiten beginne ich Meinungen einzuholen. Das geschieht dann wiederholt während des Schreibprozesses.


    Büchereule: Hast du Testleser, die dein Schreiben begleiten und wenn ja, wie sehr lässt du dich von den Kommentaren beeinflussen?


    Benjamin Monferat: Zwischen fünf und acht Betaleser begleiten mich und steuern aus ganz unterschiedlicher Perspektive Anmerkungen bei.


    Büchereule: Wie ist es für dich, wenn dein Testleser oder Lektor deine Figuren kritisiert?


    Benjamin Monferat: Meine Figuren sind Charaktere mit Stärken und Schwächen. Auch Fehlern. Ich habe schon mit Verlagen gearbeitet, die gefordert haben, gerade die Hauptfiguren weniger konturiert zu zeichnen, doch das ist nicht mein persönlicher Weg. Im Übrigen gewinnen diese Figuren sehr rasch ein Eigenleben. Sie wehren sich, wenn ich versuche, ihnen etwas aufzudrücken, das ihrem Wesen nicht entspricht. Hellhörig werde ich, wenn jemand kritisiert, dass eine Figur sich nicht authentisch verhält. Dann muss ich mir genau anschauen, wie ich sie gezeichnet habe.


    Büchereule: Wie gehst du mit Kritik deiner Leser um? Inspiriert dich die Kritik evtl. für deine weiteren Bücher?


    Benjamin Monferat: Eine solche Situation hatten wir beim ersten Jörg Albrecht-Roman, in dem der Hauptkommissar doch sehr ausführlich Sokrates und Kaiser Friedrich II. im Munde führte. In meinen Augen passte das, weil ich die Albrecht-Romane als skandinavische Krimis ansehe, aus der südlichsten Stadt Skandinaviens: Hamburg. Sie haben dann aber ein ganz anderes Publikum gefunden, ein Publikum, das deutsche Thriller liest, ein Genre also, das etwas anderen Gesetzen gehorcht. Überhaupt nicht auf diese Leser zuzugehen, wäre nicht fair. Was für Menschen unsere Hauptfiguren eigentlich sind, finden Autor und Leser bei einer Romanreihe erst nach und nach heraus. Ich selbst bin jedes Mal aufs Neue gespannt.


    Büchereule: Wird es weitere Titel von Benjamin Monferat geben und wenn ja, wird es sich dann wieder um so umfangreiche Bücher handeln?


    Benjamin Monferat: Ich bin mir ganz sicher, dass wir weiterhin von Benjamin Monferat hören werden. Und es sind eindeutig die großen Stoffe, die mächtigen zeithistorischen Tableaus, die es ihm angetan haben.


    Büchereule: Was dachtest du, als du zum ersten Mal ein Buch von dir in einer Buchhandlung liegen sahst?


    Benjamin Monferat: Mein erster Titel ist vor vierzehn Jahren im Kleinverlag erschienen. Ich habe ihn persönlich in den örtlichen Buchhandel getragen und auf Kommission dort liegenlassen. Woran ich mich erinnere, ist das Gefühl, als ich ihn auf der Frankfurter Messe zum ersten Mal in der Hand hielt. Das war eine ganze Weile ziemlich unwirklich.


    Büchereule: Hast du ein Mitspracherecht bei der Cover- und Titelgestaltung?


    Benjamin Monferat: Theoretisch ja, praktisch mache ich höchst selten davon Gebrauch. Cover und Titel sind wichtige Vertriebsargumente, bei denen ich dem Verlag die größere Einsicht zutraue. Wenn ich mich einbringe, handelt es sich in der Regel um Details. So war an der Lokomotive auf dem Cover von „Welt in Flammen“ ursprünglich eine Betriebsnummer zu sehen, die erst nach Kriegsende vergeben wurde. Diese Nummer hat der Coverkünstler dann getilgt.


    Büchereule: Welches Buch würdest du gerne schreiben?


    Benjamin Monferat: Unter idealen Bedingungen handelt es sich immer um das Buch, an dem ich tatsächlich gerade schreibe. Doch natürlich gibt es nach wie vor gewisse Wunschvorstellungen. Vor zehn Jahren habe ich einmal gesagt, dass ich in meinem Leben gerne noch einen Parzival-Roman schreiben würde. Damals wurde das noch als Frivolität ausgelegt, mit noch nicht einmal vierzig. Vielleicht klingt es heute schon eine Idee weniger frivol, und in zehn oder zwanzig Jahren wird es vermutlich noch weniger frivol klingen. Aber vielleicht sind auch viele meiner Geschichten im Grunde bereits Parzival-Geschichten.


    Büchereule: Findet sich etwas vom Kabarettisten Magister Rother in deinen Büchern wieder? Oder gibt es da eine klare Trennung?


    Benjamin Monferat: Der historische Kabarettist war immer eine bestimmte Facette von mir. Der Autor ist sicherlich eine andere Facette, kann beim Schreiben aber immer auch auf andere Facetten zurückgreifen. Magister Rother ist gegen einen Zug unserer Zeit angetreten, der Geschichte bei Ritterfraß und Brettchenweberei erlebbar machen wollte. Ein größenwahnsinniges Ansinnen. Ich glaube nicht daran, dass Geschichte erlebbar ist, indem man irgendetwas nachbastelt. Sie ist erlebbar in ihren Spuren, in ihren Folgen und Auswirkungen bis auf den heutigen Tag. Und das beeinflusst mein Schreiben, das seinerseits zu einer Beschäftigung mit der Geschichte ermuntern möchte. Das Mittel hierzu ist – wie bei Magister Rother – eine pointierte Schilderung.


    Büchereule: Dann empfindest du auch Historische Romane nicht als eine Form von erlebbarer Geschichte?


    Benjamin Monferat: Historische Romane neigen dazu, eine mehr oder minder akribisch recherchierte historische Epoche mit Figuren zu bevölkern, deren Mentalität der Gegenwart des Autors entspringt. Auf eigentlich historische Epochen hat ein Autor der Gegenwart keinen Blick mehr und kann er keinen Blick haben. Er ist auf historische Quellen angewiesen, wird ebenso aber durch das verklärende Bild von Film und Literatur beeinflusst. Bei „Welt in Flammen“ kam der Luxus hinzu, dass der Autor noch mit Zeitzeugen sprechen und eigene Erinnerungen beisteuern konnte. Es ist kritisiert worden, dass die Figuren des Romans als Klischees daherkämen. Ich würde das Wort „Klischee“ vermeiden und stattdessen lieber von „Typen“ sprechen, die einen bestimmten Sitz im Leben haben, der uns vertraut ist. Auf diese Weise lassen sich bestimmte Dinge pointiert darstellen. Die Perspektive wird auf einen Punkt in der Zeit (wenige Tage im Mai 1940), einen Punkt im Raum (die Wagen eines Luxuszuges) und eine Gruppe von Figuren gerichtet, die wir als Archetypen begreifen dürfen. Ein erzählerisches Mittel also, ähnlich wie der Spannungsbogen, der immer eine bestimmte Höhe hält, in einer Kritik sehr hübsch als „Singsang“ der Geschichte beschrieben. Dieser Singsang ist das gleichförmige Geräusch der stählernen Räder auf den Schienen. Es ist gut, wenn das erkannt wird, weil ich sonst schreibhandwerklich versagt hätte. Denn ich bin ein Autor des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts, der selbstverständlich anders schreibt als ein Autor, für den die geschilderten Ereignisse noch bewusst erlebbar waren.


    Büchereule: Gibt es ein prägendes Erlebnis in deiner Kindheit oder Jugend, das dich zum Schreiben animiert hat?


    Benjamin Monferat: Es wird kolportiert, dass ich schon mit sieben Jahren meiner Absicht Ausdruck gegeben hätte, „später einmal Abenteuerbücher“ zu schreiben. Ich kann mir nur vorstellen, dass das eine Form von Sublimierung war. Aufgrund eines Sehfehlers musste ich in diesem Alter häufig mit einem Augenpflaster herumlaufen, so dass an die typischen Kinderabenteuer nicht zu denken war. Auf Bäume klettern usw. All das, was Kinder heute sowieso nicht mehr machen, weil sie in diesem Alter bereits auf blinkende kleine Displays starren. Wer weiß? Vielleicht steht uns ja eine ganze Generation von Autoren ins Haus.


    Büchereule: Wie viel Humor vertragen historische Romane?


    Benjamin Monferat: Absolut jedes Genre verträgt sehr viel mehr Humor als deutschen Autoren gemeinhin zugebilligt wird. Um zu sehen, was möglich ist, empfehle ich einen Blick auf die Britischen Inseln.


    Büchereule: Wie wichtig ist für dich das Internet als Werbefläche für deine Bücher?


    Benjamin Monferat: Ich würde ungern von einer Werbefläche sprechen. Das Social Reading bietet gewaltige Möglichkeiten, wird gegenwärtig aber noch viel zu stark durch mehr oder minder gelungene Manipulationen entwertet. Mit großer Skepsis betrachte ich auch die Selbstentblößung, zu der sich Autoren im Rahmen ihres Eigenmarketing veranlasst fühlen. Einer meiner Nachbarn ist Installateur, der zweite im Tiefbau tätig, der dritte Frührentner. Ich schreibe Unterhaltungsliteratur. Wo sollte mein Privatleben mitteilenswerter sein als das ihre? Was ich aber sehr deutlich sehe, ist die Chance, mit den Lesern meiner Titel unmittelbar in einen Diskurs einzutreten, der gerne auch kontrovers ausfallen darf. Auf unsere Leserunde bei den Eulen freue ich mich teuflisch.


    Büchereule: Welche Literatur magst du selbst gerne?


    Benjamin Monferat: Ich lese sehr viel Sachliteratur. Nicht von vornherein aus dem Impuls heraus, das irgendwann einmal in Romanform zu verwurschten, doch hin und wieder ergibt sich das. Ich lese Belletristik, gegenwärtig die Neuübersetzung von Prousts ‚Verlorener Zeit‘, die nach und nach bei Reclam erscheint. Thomas Mann mag ich. Virginia Woolf. Ein besonderes Faible habe ich für skandinavische Kriminalliteratur.


    Büchereule: Welcher literarischen Figur würdest du gerne mal begegnen?


    Benjamin Monferat: Am ehesten wohl Woolfs Orlando.


    Büchereule: Was machst du am Liebsten in deiner Freizeit?


    Benjamin Monferat: Ich marschiere. Persönlich nenne ich es „Spazierengehen“, aber meine Frau ist mit „Marschieren“ vermutlich näher dran. Ich laufe durch den Wald und suche Quellen. Ich mache mich mit einer zweihundert Jahre alten Karte auf den Weg und versuche, Flurnamen und Landmarken zuzuordnen, eine transparente historische Folie über die Gegenwart zu legen. Eine Folie, mit der sich über die Entstehung von Namen und Bezeichnungen spekulieren lässt, über das, was nicht mehr da ist und was wir vielleicht doch noch wissen, ohne uns bewusst zu erinnern. Ein Schritt in eine andere Wirklichkeit, in eine große, große Geschichte.


    Büchereule: Ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft und danke für dieses Gespräch!


    Benjamin Monferat: Ich danke für diese Fragen.

  • Kurzbeschreibung:


    Der Himmel im Osten war flüssiges Feuer.
    Mai 1940: Deutsche Panzer rollen westwärts. Während in Paris die Angst um sich greift, bricht der Simplon Orient Express ein letztes Mal nach Istanbul auf. An Bord des Zuges eine schicksalhafte Reisegesellschaft. Jeder der Fahrgäste mit einem ganz eigenen Grund, diese letzte Fahrt unter allen Umständen anzutreten: Ein Balkanfürst will die Herrschaft über sein Land zurückfordern. Seine jüdische Geliebte fürchtet um ihre Liebe – und um ihr Leben. Ein deutscher Spion setzt alles daran, sie zu beschützen. Ein russischer Großfürst ist auf der Flucht, die Sowjetmacht ihm längst auf den Fersen. Eine Stummfilmdiva fürchtet das Vergessenwerden mehr als den Krieg. Ebenfalls an Bord – Agenten aller kriegführenden Mächte. Was niemand ahnt: Im Zug befindet sich etwas, nach dem Hitler seine Truppen in ganz Europa suchen lässt. Die Fahrt steht von Anfang an unter einem schlechten Stern. Jeder Grenzübertritt kann das Ende bedeuten. Jeder der Passagiere fürchtet den nächsten Tag. Schließlich bricht Feuer aus. Und während Europa in Dunkelheit versinkt, rast der Express als lodernde Fackel durch die Nacht ...



    Das Buch wurde bei uns im Forum bereits rezensiert, siehe hier.


    Außerdem gibt es zu dem Buch denmächst eine gemeinsame Leserunde, hier nachzulesen, klick.