Broschiert: 98 Seiten
Verlag: litradukt
Originaltitel: Bicentenaire
Übersetzt von Peter Trier
Kurzbeschreibung:
Port-au-Prince, Anfang 2004, Jahr der zweihundertjährigen Unabhängigkeit Haitis. Der Student Lucien Saint-Hilaire begibt sich aus dem Slum, in dem er wohnt, zu einer Demonstration. Die Stimmen der Personen, denen er begegnet, und die, mit denen er im Geist Zwisprache hält, treten in Dialog zu seinen Gedanken und bilden eine Typologie der haitianischen Gesellschaft. Vor dem Leser, der Lucien Saint-Hilaire bis zur letzten Polizeiattacke begleitet, entsteht das Bild eines zutiefst zerrissenen Landes, aber auch der erneuernden Kräfte.
Über den Autor:
Lyonel Trouillot wurde 1965 in Port-au-Prince geboren, wo er noch heute lebt. Nach einem Jurastudium wandte er sich ganz seiner eigentlichen Leidenschaft, der Literatur, zu. Er schreibt Lyrik und Prosa in kreolischer und französischer Sprache. Seine Romane, etwa "Thérèse en mille morceaux", "Les enfants des héros", "L’amour avant que j'oublie", "Yanvalou pour Charlie" sowie "La Belle Amour humaine" machten ihn international bekannt und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Als Mitglied und Sprecher des Collectif Non, einer Initiative von haitianischen Intellektuellen, gehörte er zu den wichtigsten Opponenten gegen das Regime von Jean-Bertrand Aristide. Lyonel Trouillot lehrt französische und kreolische Literatur an der Universität Port-au-Prince.
Über den Übersetzer:
Peter Trier, geboren 1970 in München, aufgewachsen in Bonn
Studium Deutsch und Französisch in Bonn, DAAD-Lektor in Frankreich
Deutschlehrer und staatl. geprüfter Übersetzer für Französisch
Mein Eindruck:
Von dem haitianischen Schriftsteller Lyonel Trouillot habe ich bereits seinen ersten und seinen bisher letzten Roman gelesen. Der kurze Roman “Jahrestag“, geschrieben 2004, steht irgendwo dazwischen und hat einen etwas anderen Stil. Es gibt viele Reflexionen der Hauptfigur, eines Studenten in Port-au-Prince, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt. Insgesamt ist es weniger erzählperspektivisch gestaltet als die anderen Romane.
Ich musste leicht an die Prosa von Antonio Lobo Antunes denken, jedoch dank des eigenständigen, nachvollziehbaren Erzählens leichter lesbar.
Der Student Lucien ist auf den Weg zu einer Demonstration für mehr Demokratie, die von der Polizei brutal niedergeschlagen wird.
Der Student denkt viel an seine Mutter, die sich für ihre Söhne aufopferte.
Auch sein kleiner Bruder spielt eine Rolle. Einst war der ein sanfter Junge, inzwischen ist er ein cracksüchtiger Gangster, der den Weg der Gewalt wählt.
Diese unterschiedlichen Lebenswege sind vielleicht Folge einer instabilen Gesellschaft, so interpretiere ich das.
Lyonel Trouillot schreibt sehr ökonomisch, deswegen benötigt er nicht einmal 100 Seiten um einen Zeitraum von nur ca. 3 Stunden zu beschreiben. Das reicht ihm dennoch, um basierend auf tatsächlichen Vorkommnissen ein ganzes Portrait des gesellschaftlichen Zustands des Landes zu erfassen.
Wieder hat mich ein Buch dieses Autors beeindruckt. Ich kann ihn als meine persönliche literarische Neuentdeckung des Jahres bezeichnen.