Wie funktioniert eigentlich der Buchmarkt?

  • Liebe Eulen,


    wieso werden manche wirklich guten Sachen nicht veröffentlicht und andere, auf die die Welt absolut nicht gewartet hat schon?
    Wie bekommt ein Buch, das nur eine Hand voll Leute überzeugen kann den Buchpreis, wohingegen andere nicht minder gut geschriebenen Werke leer ausgehen?
    Wie funktioniert eigentlich dieser Buchmarkt, nur Gewinn ist es nicht, auch nicht Qualität, was ist es denn dann?
    Vitamin B?


    Ich bin wirklich neugierig auf eure Antworten


    LG
    Riela

    "Reading is food for thought, and anything to do with food must be good." Snoopy


    :lesend : Vladimir Vertlib: Spiegel im fremden Wort
    :lesend : Ingeborg Bachmann: Malina
    :lesend : Michael Stavaric: Königreich der Schatten

  • Buchdoktor : Meine Frage nach dem Marketingerfolg (oder nicht-Erfolg)des Deutschen Buchpreises hat mit der Frage von RielaTom meines Erachtens so gut wie nix gemeinsam, deshalb wird sie im verlinkten Thread meiner Ansicht nach keine Antworten auf die gestellten Fragen finden.


    RielaTom : Ich denke, man muß bei Deiner Fragestellung zwei Punkte völlig voneinander trennen. Auf der einen Seite die Auswahl der Verlage, was veröffentlicht wird und was nicht und auf der anderen Seite die Auswahl von Jurys für Literaturpreise.


    Die Verlage versuchen meines Erachtens keineswegs, etwas zu veröffentlichen, “auf das die Welt absolut nicht gewartet hat”. Sie sind Wirtschaftsunternehmen und müssen deshalb versuchen, den Wünschen der Leser so gut wie möglich nachzukommen. Das schafft den aus meiner Sicht völlig nervigen Effekt, daß ein ökonomisch erfolgreiches Buch soweit möglich schnell kopiert wird und der Markt mit ähnlichen Büchern in nullkommagarnix überschwemmt wird. Kurz: Doch, Gewinn, also der prognostizierte Verkaufserfolg, ist für die Verlage das Hauptkriterium bei der Auswahl der Neuerscheinungen.


    Bei den Literaturpreisen geht es dagegen darum, das besondere herauszuheben. Ein Punkt ist, das bei den meisten Preisen eben nur ein einziges Buch prämiert wird. Deshalb können natürlich nicht alle “nicht minder gut geschriebenen Werke” ausgezeichnet werden. Ein weiterer Punkt ist, daß die Menschen einfach verschiedene Geschmäcker haben. Es ist z.B. jedes Jahr beim Deutschen Buchpreis zu beobachten, daß gleich überall die Kritiker aus der Ecke kommen und sagen/schreiben: Warum ist Buch X nicht nominiert, warum wurde Buch Y nominiert usw. Als dritter Punkt kommen dann noch die Kriterien hinzu. Die sind beim Deutschen Buchpreis relativ übersichtlich (deutschsprachiger Roman aus dem genannten Zeitraum), aber selbst das ist wohl schon nicht so einfach – in irgendeiner Zeitung las ich eine Longlist-Kritik, bei der der Autor monierte, es fehle unter anderem “Wir haben Raketen geangelt” von Karen Köhler – das ist gar kein Roman… Davon mal abgesehen lautet die Vorgabe, es soll der “beste” Roman des Jahres prämiert werden, ohne das “beste” näher zu definieren. Hierbei geht es keineswegs darum, ökonmisch erfolgreiche Bücher noch mehr zu puschen, sondern eher darum, ‘anspruchsvolle’ Literatur in den Mittelpunkt zu rücken.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von LeSeebär ()

  • Der Buchmarkt funktioniert wie alle Märkte: Ein Spiel der Akteure zwischen Angebot und Nachfrage, wobei jeder Teilnehmer sich redlich bemüht, zum Torjäger und nicht zum Spielball zu werden.

  • LeSeebär danke für deine detaillierte Betrachtung.
    Du hast recht, man muss tatsächlich trennen zwischen Produktion für den großen Absatz und Literatur.
    Dabei oute ich mich auch gleich als Leser von beidem, denn ich brauche auch mal etwas flockiges, damit ich mich von meinen Eskapaden in die schwierigen Wälzer erholen kann.
    Eine Diskussion darüber was eigentlich Literatur ist, gibt es hier ja schon (und sie ist lesenswert) Trotzdem wäre es interessant zu erfahren warum auf dem Markt für "Lieteratur", manche Bücher so sehr in den Olymp gehoben werden. Es kann ja nicht nur am individuellen Geschmack der Jurymitglieder liegen.
    Im Beispiel Mora, Das Ungeheuer, Buchpreis 2013, scheint mir nach einigem Überlegen vielleicht der Wunsch nach einem Autor der nicht-deutscher Herkunft ist und auf deutsch schreibt, sozusagen jemand mit Deutsch als Zweitsprache. Ich beobachte im Augenblick viele Autoren, die das Kriterium erfüllen, oder sie sind mir bisher nie so aufgefallen.
    Zudem hat die Branche das Problem, dass sie mehr Geld für Lizenzen angelsächsicher Bücher ausgeben muss, als sie über den Verkauf von Übersetzungsrechten einnehmen kann. Möglicherwiese ist ein Autor, der gleich zwei Sprachen, zwei Länder in sich trägt leichter ins Ausland zu verkaufen.
    Aber das war nur so eine Idee.

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  • Zitat

    Original von RielaTom
    Eine Diskussion darüber was eigentlich Literatur ist, gibt es hier ja schon (und sie ist lesenswert) Trotzdem wäre es interessant zu erfahren warum auf dem Markt für "Lieteratur", manche Bücher so sehr in den Olymp gehoben werden. Es kann ja nicht nur am individuellen Geschmack der Jurymitglieder liegen.
    Im Beispiel Mora, Das Ungeheuer, Buchpreis 2013, scheint mir nach einigem Überlegen vielleicht der Wunsch nach einem Autor der nicht-deutscher Herkunft ist und auf deutsch schreibt, sozusagen jemand mit Deutsch als Zweitsprache.


    Fandest Du, daß das Ungeheuer "in den Olymp gehoben" wurde? Ja, sie hat den Deutschen Buchpreis dafür bekommen, das ist natürlich schon eine große Auszeichnung und ein Preis, der durchaus für ein gewisses Presseecho sorgt, aber im Allgemeinen hab ich jetzt nicht so wahrgenommen, daß man das Buch jetzt stärker herausgehoben hat, als es eben bei einem Buch, das den Deutschen Buchpreis gewinnt, ohnehin passiert. Und ja, ich glaube schon, daß das eine recht individuelle Jury-Entscheidung war, sofern man bei einer mehrköpfigen Jury überhaupt von Individualität sprechen kann.


    Zitat

    Zudem hat die Branche das Problem, dass sie mehr Geld für Lizenzen angelsächsicher Bücher ausgeben muss, als sie über den Verkauf von Übersetzungsrechten einnehmen kann. Möglicherwiese ist ein Autor, der gleich zwei Sprachen, zwei Länder in sich trägt leichter ins Ausland zu verkaufen.
    Aber das war nur so eine Idee.


    Halte ich aus zweierlei Gründen für falsch:
    Erstens wird das Interesse der Jury an den Verkaufszahlen im Ausland für die Entscheidung aus meiner Sicht keine Rolle spielen und
    zweitens würde ich, wenn ich mir um die Verkaufszahlen im Ausland Gedanken machen würde, nicht Leute wie Terezia Mora (Ungarn, 10 Mio Einwohner) oder Sasa Stanisic (Preis der Leipziger Buchmesse 2014, Bosnien-Herzegowina, 4 Mio Einwohner), sondern eher in Richtung Deutsch-Russe oder Deutsch-Türke suchen.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)