Matthias Wittekindt: Ein Licht im Zimmer

  • Matthias Wittekindt: Ein Licht im Zimmer
    Verlag: Edition Nautilus 2014. 320 Seiten
    ISBN-13: 978-3894017958. 16,90€


    Verlagstext
    Bauge, eine kleine französische Hafenstadt in der Bretagne, im November. Der Küste vorgelagert wird gerade ein großes Strömungskraftwerk gebaut, die Arbeiter kommen fast alle aus China und sind in einem Lager quasi kaserniert. Als man Leichenteile findet und eine Frau im Park überfallen wird, fällt der Verdacht schnell auf die Fremden. Sergeant Ohayon, zur Verstärkung aus Fleurville beordert, muss sich mit den Geheimnissen und Allianzen in dieser kleinen Stadt auseinandersetzen: Die unerklärlichen Ereignisse häufen sich. Ganz in der Nähe der Stelle, an der die Frau überfallen wurde, wird ein Mädchen überfahren, der Fahrer ist flüchtig. Aber warum geriet sie überhaupt mitten in der Nacht an dieser gefährlichen Stelle auf die Straße? War sie vor etwas auf der Flucht? Zwischendurch lässt Wittekindt den Leser dem wahren Mörder über die Schulter schauen. Nur, für welche Taten ist dieser Mörder wirklich verantwortlich? Der neue Band mit dem dicken, ständig unterschätzten Ohayon fesselt durch die Figuren und die schwebende Stimmung – ein Roman wie ein französischer Film!


    Der Autor
    Matthias Wittekindt wurde 1958 in Bonn geboren. Nach dem Studium der Architektur und Religionsphilosophie arbeitete er in Berlin und London als Architekt. Es folgten einige Jahre als Theaterregisseur. Seit 2000 ist er als freier Autor tätig, schreibt u.a. Radio-Tatorte für den NDR. Für seine Hörspiele, Fernseh-Dokumentationen und Theaterstücke wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2004 erschien sein Romandebut Sog, die Kriminalromane Schneeschwestern (2011) und Marmormänner (2013). Für Marmormänner wurde er mit dem 3. Platz des Deutschen Krimipreises 2014 ausgezeichnet.


    Inhalt
    Silvia Courbet hat einen ungewöhnlichen Weg zur Arbeit. Vom fiktiven Bauge in der Bretagne nimmt sie die Fähre nach England, um in London in ihrer Galerie zu arbeiten. In Silvias Heimatort Bauge brodeln die Gerüchte, seit eine chinesische Firma die Ausschreibung für den Bau eines Gezeitenkraftwerks gewinnen konnte. Mit der Ankunft von einigen hundert chinesischen Arbeitern beginnend, sind in Bauge bizarre Morde passiert; DNA-Spuren weisen auf einen Serienmörder hin. Trotz erkennbarer Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern tappt die Polizei bisher im Dunkeln.


    Matthias Wittekindt entwickelt ein kompliziertes Szenario mit kleinstadttypischen Verbindungen und Verdächtigungen. Da gibt es missgünstige Nachbarn, Groll wegen uralter Geschichten, junge Erwachsene als Mitglieder eines Geheimbundes, zurückgewiesene Zuneigung und Existenzängste durch das Bauprojekt. Dem Ermittler-Team wird vom entgegengesetzten Ende Frankreichs Brigadier Ohayon zugeordnet, um die Führungsschwäche der gerade nicht dienstfähigen Vorgesetzten zu decken. Ungewöhnlich selbstbewusste Kolleginnen arbeiten in Bauge, stellt der Brigadier fest, der als Neuer im Team einen unverstellten Blick für die lokalen Empfindlichkeiten mitbringt. Der Kollege aus der Nähe der deutschen Grenze erklärt sich die zupackende Art seiner Kolleginnen damit, dass sie auf den Fischkuttern ihrer Väter mit anpacken mussten wie ihre Brüder. In Bauge bekommt er es mit der lokalen Kulturschickeria zu tun und muss sich in einen außergewöhnlich manipulativen Teenager hineinversetzen. Im Ausschlussverfahren arbeitet sich Ohayon Schicht für Schicht durch die Familien- und Beziehungskonflikte, bis er dem tatsächlichen Täter auf die Schliche kommt. Die Leser haben zwar Einblick in die Gedanken einer verdächtigen namenlosen Person, sind Ohayon aber nur geringfügig voraus in ihren Vermutungen. Der Brigadier lässt seine Gedanken schweifen und führt Wittekindts Leser abwechselnd auf falsche und erfolgversprechende Spuren. Eine dieser Spuren ist die nervige Art der Leute von Bauge, überfürsorglich unerwünschte Ratschläge zu geben: „Sind Sie sicher, dass sie heute warm genug angezogen sind?“


    Fazit
    Die Atmosphäre einer bretonischen Kleinstadt vermittelt der Krimi weniger, das Setting muss schlicht in der Region angesiedelt sein, damit das Gezeitenkraftwerk gebaut werden kann und starke Frauenfiguren die Kutter ihrer Väter durchs Bild steuern können. Obwohl verhältnismäßig viel berichtet und weniger gezeigt wird (zwischen den Ereignissen vergehen einige Jahre, in denen sich die Figuren m. A. nach nicht merkbar verändern), hat mich Wittekindts personalintensiver Plot gut unterhalten.


    8 von 10 Punkten