Lola Bensky ist eine australische Musikjournalistin deutscher Herkunft. In dieser Funktion interviewt sie in den 60er und 70er Jahren die Popheroen unserer Eltern oder älteren Geschwister: Jimi Hendrix, Mick Jagger, Paul McCartney, Sonny & Cher, Jim Morrison usw. Wir begleiten Lola – nicht chronologisch – zu einigen bedeutsamen Momenten ihres Lebens: den ersten Interviews in London, den ersten in New York, zum Monterey-Festival, doch auch zu dem Moment, in dem ihre erste Ehe scheitert und zu einem Wohltätigkeitsempfang, auf dem Lola bereits 63 Jahre alt ist.
Obwohl in den meisten Kapiteln des Romans berühmte Menschen auftauchen, geht es also um Lola Bensky selbst. Zwar erfährt man als Leser auch viel über die interviewten Personen – und die Autorin Lily Brett, die viel mit ihrer Hauptfigur gemeinsam hat, hat sie tatsächlich alle gekannt – doch man hat nie das Gefühl, dass es um ein sensationsheischendes Aufzählen von Berühmtheiten und irgendwelchen privaten Klatschpressedetails geht, sondern Zentrum bleibt Lola. Die ist auch eine ebenso interessante wie sympathische Person: Beide ihrer Eltern sind Überlebende des Vernichtungslagers Auschwitz, sie selbst ist in einem Auffanglager in Deutschland zur Welt gekommen, bevor sie mit ihren Eltern nach Australien emigrierte. Die Eltern sind erwartungsgemäß schwer traumatisiert, gehen aber jeweils sehr unterschiedlich mit ihrem Trauma um: Während der Vater zwar eine auffällige Vorliebe für blutrünstige Krimis zeigt, ist er doch ein verbindlicher und freundlicher Mensch, der mit zunehmendem Alter eine immer positivere Einstellung zum glücklich bewahrten Leben entwickelt; die Mutter hingegen kann sich ihr Überleben nicht verzeihen, ist vom Tod besessen und von einer aggressiven Traurigkeit. Ihre größte Obsession ist die Leibesfülle ihrer Tochter, deren Diätprojekte ein Leitmotiv des Romans bilden. Dicke Menschen waren in Auschwitz entweder Deutsche oder Kollaborateure, weshalb die Mutter das Übergewicht der Tochter als permanente tiefe Kränkung empfindet.
Die Traumatisierung der Eltern und – davon ausgehend – der eigenen Person, sind nun sehr oft Gegenstand der Interviews, die oft zu therapeutischen Gesprächen über das eigene Körpergefühl oder das Verhältnis zur eigenen Familie werden – und zwar auf beiden Seiten.
„Lola Bensky“ hat mir insgesamt gut gefallen. Trotz der vielen autobiographischen Details, hatte ich nie den Eindruck eine Autobiographie zu lesen. Die auftretenden Berühmtheiten gewinnen eine fiktionale Qualität und sind nie dazu da, einfach nur ein interessantes Fait divers abzugeben. Loal ist eine Figur, die liebenswert rüberkommt und der gerade die ständige Beschäftigung mit sich selbst eine angenehme Bodenständigkeit verpasst. Beim Lesen lernt man viel darüber, wie die Traumatisierung ihrer Eltern auch ihr eigenes Leben nachhaltig beeinflusst hat und wie sie zwar oft mehr schlecht als recht, aber eben irgendwie damit umzugehen und fertigzuwerden gelernt hat. Das Buch hat nichts Pathetisches, Larmoyantes oder Kitschiges, ohne dass es dabei den Respekt jemals vermissen lässt.
*