Götz Gercke: Aaron Grünblatt und der blinde Passagier aus Madras

  • Götz Gercke: Aaron Grünblatt und der blinde Passagier aus Madras
    FISCHER Taschenbuch 2014. 448 Seiten
    ISBN-13: 978-3596030316. 12,99€


    Verlagstext
    „Ein Mann muss tun, was er tun muss“, sagte ich zu meiner Frau. Ich würde zuerst die Rakete, dann das U-Boot und zum Schluss die Zeitmaschine bauen.
    Abgefahren, furios und unglaublich: Aaron Grünblatt lebt seinen Traum!
    Der originellste Abenteuerroman seit Münchhausens Ritt auf der Kanonenkugel. AARON GRÜNBLATT, Rentner aus Haifa, baut eine Rakete aus Holzresten und fliegt damit zum Mond. Von dort bringt er Sternenstaub mit, den er am tiefsten Punkt der Erde versenken will. Dazu baut er aus Regentonnen ein U-Boot und geht auf die Reise. Unterwegs lernt er den indischen Fakir Sabbat kennen, der sich als blinder Passagier eingeschlichen hat. Gemeinsam müssen sie die größten Abenteuer bestehen: Sie sitzen bei Kannibalen im Kochtopf, flüchten durch den Dschungel von Neu-Guinea, kapern das Schiff des Fliegenden Holländers und legen sich mit Haien, Krokodilen, Kraken und Riesenschlangen an. Aaron Grünblatt erzählt von einer unwahrscheinlich abenteuerlichen Reise, er ist ein begeisternder Geschichtenerzähler, dessen Motto lautet: Jeder ist in der Lage, ungeahnte Kräfte in sich zu entfesseln und auf einfache Weise verblüffende Abenteuer zu erleben. Reisen Sie mit!


    Der Autor
    Götz Gercke ist ein Pseudonym. Der Autor lebt in der Nähe von Hamburg.


    Inhalt
    Aaron Grünblatt und seine Frau Helen haben ihr Restaurant in Haifa aufgegeben, weil sie ihren Lebensabend genießen wollten, ehe sie das Rentenalter erreichen. Da ihre Kinder bereits erwachsen sind, ist das Haus für die beiden viel zu groß, und immer mehr Dinge breiten sich darin aus, von denen sie sich nur schwer trennen können. Aaron, der schon immer gehortet hat was man vielleicht einmal gebrauchen könnte, beschließt, wie Tim und Struppi eine Rakete zu bauen. Aaron kommt vom Hundertsten ins Tausendste, ein Trojaner auf seinem PC hält ihn auf - bis über das Raketenprojekt der Mantel des Schweigens gebreitet wird. Aarons neues Projekt ist ein U-Boot, genauer gesagt, ein Tauchboot. Dieses Mal bereitet sich Aaron wissenschaftlich vor - mit Abenteuerbüchern und -filmen. Aus 74 halbierten Plastikregentonnen entsteht die "Marge", getauft nach der bekannten Figur mit Bienenstockfrisur. Aaron gräbt sich genussvoll in seine Baumaterialien und übernimmt in Personalunion die Rollen der U-Boot-Besatzung. Sein Ziel: ein Tauchgang in den Marianen-Graben mit Zwischenstopp für einen Museumsbesuch in Kairo. Als wäre das nicht bereits abgefahren genug, nistet sich in Aarons "Marge" ein blinder Passagier namens Samir ein. Der Fakir gibt vor, seine Familie wäre schon seit Jahrhunderten zur See gefahren. Die bevorstehenden politischen und religiösen Verwicklungen auf engstem Raum mag man sich lieber nicht vorstellen. Grünblatt, ziemlich sicher ein Alter Ego des Autors, gibt der grotesken Expedition einen seriösen Anstrich mit bedeutenden Zitaten aus Abenteuerfilmen, in denen jemand fliegt, fährt oder taucht.


    Wer Jules Verne oder Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt gelesen oder als Kind einen Tunnel nach China geplant hat, bringt für diese Münchausen-Geschichte menschlicher Fortbewegung zu Wasser beste Voraussetzungen mit. Aaron Grünblatts genüssliches Herumwirtschaften im Baumaterial während der Entstehung der "Marge" war dabei für mich das I-Tüpfelchen auf seiner Expedition.


    7 von 10 Punkten

  • Nach über dreißig Jahren im Gastronomiegewerbe geben der 56-jährige Eugen Aaron Grünblatt und seine Frau Helen (wenn nicht die beste Ehefrau von allen, so zumindest die zweitbeste) ihr Restaurant für deutsche Spezialitäten in Haifa auf, um das Leben zu genießen. Die Kinder sind schon lange aus dem mittlerweile zu groß gewordenen Haus, und die Ersparnisse reichen bis zur Rente. Doch Aaron ist kein Mann des Nichtstuns, und so kommt er nach einigen Monaten angeregt durch einen Film über die Mission der Apollo 13 auf die Idee, eine Rakete zu bauen. Lektüre wie Tim und Struppi, Fix und Foxi und Jules Verne sind gerade gut genug, um sich auf ein Abenteuer wie dieses vorzubereiten. Aaron baut die Rakete und macht sich mit vielen Hürden auf seine Mission – das ist allerdings eine ganz andere Geschichte.


    Auf jeden Fall ist nach Aarons erstem großen Abenteuer nichts mehr wie es war. Aaron ist nun ein Mann, der ohne Abenteuer, und ohne die Möglichkeit über diese Abenteuer zu berichten, nicht existieren kann. Und so sinnt Aaron nach einem neuen Projekt, das schnell gefunden ist. Ein Tauchboot ist sein neuer Traum, auf den er sich akribisch mittels Abenteuerbücher und –filmen vorbereitet, und den er mit Baumarktmaterialien Wirklichkeit werden lässt, denn wo ein Grünblatt ist, da ist auch ein Weg. Dieser soll ihn durch den Suezkanal und das Rote Meer in den indischen Ozean führen, vorbei an Ceylon Australien in den Pazifik und abschließend zum Marianen-Graben. Kurzaufenthalte wie die Museen Kairos, einen Verwandtschaftsbesuch in Dschidda, Aden um Datteln in Aspik zu kaufen, Colombo wegen des Detektivs und Timor plant er auch ein. Leider muss Aaron kurz nach Beginn seiner großen Fahrt feststellen, dass er nicht allein unterwegs ist. Fakir Samir, angeblich aus einer alten Seefahrerfamilie, hat sich als blinder Passagier eingeschlichen und leistet Aaron fortan geruchsintensive Gesellschaft mit religiösem, politischem und menschlichen Konfliktpotential.


    Die Geschichte seiner Expedition, die uns Ich-Erzähler Aaron Grünblatt erzählt, ist skurril, grotesk, witzig und aberwitzig, und ist gespickt mit Verweisen auf zahlreiche Abenteuerromane, -filme, und -figuren. Gleichzeitig erinnerte mich die Art des Erzählens an den Ton von Ephraim Kishon. „Aaron Grünblatt und der blinde Passagier aus Madras“ ist eine herrlich, sprachlich äußerst versiert erzählte Münchhausen-Geschichte, und auch wenn uns Aaron Grünblatt in höchster Glaubwürdigkeit von seiner Reise erzählt, hat er die vielen Meilen sicherlich mit dem Finger auf der Landkarte zurückgelegt, und beweist uns nicht nur wie geduldig Papier ist, sondern vor allem wie unterhaltsam Humor gepaart mit viel Phantasie sein kann, wenn man bereit ist, die Sinnfrage hinter sich zu lassen. Chapeau, Herr Gercke, „Aaron Grünblatt und der blinde Passagier aus Madras“ ist einfach toll gemacht, und ich habe mich köstlich amüsiert!


    8 von 10 Punkten