Rolf Dobelli: "Und was machen Sie beruflich?"

  • Eine Warnung vorweg: Die Menschen - es gibt sie -, die den Wert eines Buches über die darin enthaltene Menge Text beurteilen, sollten die Finger von "Und was machen Sie beruflich?" lassen. Der Roman ist großzügig, fast weiträumig gesetzt, und käme auch mit 50 Seiten aus. Aber auch diejenigen, die gewisse Erwartungen an Romane haben, seien gewarnt.


    Gehrer, der Protagonist aus "Fünfunddreißig", ist inzwischen fünf Jahre älter. An einem Sonntagabend sitzt er im Büro, im achtzehnten Stock des Firmensitzes von "SolutionsUniverse", mitten in Zürich. Er spürt ein Beben, aber die Wasseroberfläche in seinem Glas bleibt still. Das Beben erwischt nur ihn selbst: Gehrer wird am nächsten Morgen entlassen werden. Aus dem Marketingdirektor wird ein Nichts, ein Mensch ohne Arbeit, ein "Arbeitsfreier", wie man in der Schweiz so sagt.
    Und damit ist auch schon fast erzählt, was in "Und was machen Sie beruflich?" geschieht. Gehrer verheimlicht die Kündigung vor seiner Frau, gibt sich drei Wochen Nachdenkurlaub in der Karibik, und danach einen Bewerbungsmarathon, der zu nichts führt. Dem folgen einige andere Ereignisse, aber der Absturz ist vorgezeichnet, und also wird er eintreten. Gehrers Leben war auf seinen Job fixiert, und ohne diesen kann er nicht über-leben.


    Das Buch ist die Fortsetzung von "Fünfunddreißig", jener Aphorismen-Aneinanderreihung, die so trefflich und weise auf den Punkt brachte, was falsch läuft im menschlichen Leben allgemein und im Managerleben im Speziellen. Diese Treffsicherheit und Weisheit fehlt "Und was machen Sie beruflich?", das sein eigenes Thema - die Definition des Menschenwertes über seine Arbeit - verfehlt, und eine schwafelige, trotz der Kürze zeitweise ziemlich langweilige Abstiegsstory erzählt, die hinten und vorne nicht funktioniert, weil es Gehrers Schritten an Nachvollziehbarkeit mangelt, weil der Protagonist weit entfernt bleibt, wie in Watte gebettet. Zudem fehlt der Witz aus "Fünfunddreißig", jenes Augenzwinkern, hier ersetzt durch unverständliche Aufzählungen und nur mäßig lustige Randbemerkungen. Schade.

  • Hmm klingt in Verbindung mit dem stolzen Preis für "so wenig" Buch und dem vorhersehbaren Ausgang alles andere als animierend. Schade, aus dem Plot kann man bestimmt was machen. :-(

  • Hallo, Itchy.


    Zitat

    Schade, aus dem Plot kann man bestimmt was machen.


    Der Plot ist eigentlich nebensächlich; Gehrer ist eher ein Archetyp, denn eine konkrete Person. Es geht um den Wert des Menschen und die Wertigkeit bestimmter Menschen. Dobelli hat das im ersten Buch ziemlich gut hingekriegt, aber in diesem ist ihm m.E. (die meisten amazon-Kritiker sind anderer Meinung) ein bißchen die Luft ausgegangen. Aus "Fünfunddreißig" konnte man jeden zweiten Satz zitieren - mein Lieblingssatz ist nach wie vor: "Es gibt auch schöne Stunden, sagen ihm seine ehemaligen Freunde, die Väter geworden sind" -, aber in "Und was machen Sie beruflich?" schwelgt Dobelli in belanglosen Aufzählungen, denen der Biß und die Treffsicherheit fehlen. Wie gesagt, der Plot ist eher nebensächlich, genaugenommen geht es nur um eine Situation, weniger um eine Handlung - wie im "ersten Teil" auch schon. Genaugenommen ist es gerade der Versuch, aus der Situation eine Handlung zu spinnen, das, was das Buch runterreißt.

  • Ich hab mir jetzt mal die Rezensionen zu 35 angeschaut und beim Vergleichen nicht so den großen Unterschied zwischen den beiden Werken ausmachen können. Es liest sich so, als wäre der zweite Band ein misslungener Versuch der Fortsetzung an eine wesentlich gelungenere Beschreibung eines Lebensgefühls kurz vor der Midlifecrisis. Wenn überhaupt, dann würde ich lieber das erste lesen.

  • Oute mich hier mal eben kurz als großer Dobelli-Fan. Gut, der Mann sieht auch noch fantastisch aus - ob mich das irgendwie beeinflusst hat ...? :lache

  • Zitat

    Tom, willst du das jetzt mit dem Foto veri- oder falsifizieren???


    Ähem ... hüstel. Weder, noch. Ich wollte nur den anderen helfen, Deine Einschätzung nachzuvollziehen. Mir ist weitgehend egal, wie Autoren aussehen, insbesondere männliche. :grin

  • Zitat

    Original von Tom
    Mir ist weitgehend egal, wie Autoren aussehen, insbesondere männliche. :grin


    WAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAS?
    Ich kaufe Bücher PRINZIPIELL nur danach, wie der Autor aussieht!!! :lache
    (Hupsa. Deins hab ich ja auch gekauft ...)

  • O.K. zurück zum Thema!


    Ich fand am besten in dem Buch diese Bewerbungsgesprächssituation mit all den Floskeln und Fallen, da ist es mir eiskalt den Rücken runtergelaufen... und ich war heilfroh, dass ich selbständig bin.

    Die Welt besteht aus Optimisten und Pessimisten. Letzlich liegen beide falsch,
    aber der Optimist lebt glücklicher.
    (Kofi Annan)

  • habe gerade das buch innerhalb von 2 tagen durchgelesen!


    mein fazit: ich mag seine sprache, finde aber das ende nicht dobelli würdig!


    die sprache ist einfallsreich, frisch und geht leicht in den kopf!


    alles in allem war das buch die € 2,95 wert :grin

    „Die Welt ist ein einziger unaufhörlicher Querverweis.“


    ...who wants to live forever...