Leserunden vs. für sich allein lesen

  • Ich halte nicht sehr viel von Leserunden und beteilige mich auch sehr selten daran. Die meisten Beiträge einer Leserunde sind eh nur eine Wiederholung/Nacherzählung des Gelesenen. Wirklich interessante Meinungsäußerung, die auch diskussionswürdig sind, findet man leider nur sehr selten. Und wenn der die Leserunden begleitende Autor auch noch bei den Eulen angemeldet ist, dann passiert es eben sehr oft, dass nur :anbet :anbet :anbet :anbet :anbet :anbet gemacht wird.


    Da lese ich doch lieber allein.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ein interessanter Thread, in dem gleich mehrere Fragen aufgetaucht sind, die eine eigene Diskussion wert sind!


    Aber erst mal zur Ausgangsfrage: Ich mache gern bei Leserunden mit und lese dadurch meist ein Buch wesentlich intensiver als alleine. Vor allem, da ich dann auch öfters (für meine Beiträge oder aufgrund Hinweise anderer) etwas nachschlage, sei es Bilder, Karten oder Infos. Gründe für das Gemeinsamlesen wurden schon viele genannt, da kann ich mich anschließen. Mir machen Leserunden Spaß und sie sind für mich ein deutlicher Mehrwert.


    ABER: Leserunden kosten Zeit. Ich bin da auch sehr perfektionistisch, möchte also auch wirklich alle Beiträge zu einem Thema lesen und dann auch darauf eingehen, wenn ich was zu sagen habe. Das dauert natürlich und so plane ich für ein Leserundenbuch doppelt soviel Zeit ein, wie ich normalerweise zum Lesen brauche. Das ist natürlich auch abhängig von Teilnehmerzahl und Diskussionsbedarf aber länger brauche ich in jedem Fall.


    Von daher finde ich Leserunden zwar prima, aber auch zeitaufwändig. Deshalb mache ich gerne bei LR mit, aber in überschaubarer Anzahl. So alle 6 - 8 Wochen eine LR ist für mich ideal, dazwischen genieße ich dann auch das alleinlesen. Gerne lese ich auch in alten LR nach, manchmal schreibe ich noch etwas dazu, oft aber auch nicht.


    Notizen mach ich mir meist direkt beim Lesen in ein extra dafür eingerichtetes Notizbuch, bei großen LR dann oft auch, auf welche Beiträge ich direkt eingehen möchte. Das sind aber alles nur Stichpunkte als Merkhilfe.


    Zitat

    Original von Frettchen
    Befürchtet Ihr nicht, wenn Ihr Euch direkt ab Beginn des Buches während des Lesens mit anderer Leute Blickwinkeln auseinandersetzt, dass dann Euer abschließendes Urteil, nicht mehr wirklich Eures ist?


    Bei mir ist es schon so, dass ich ein LR-Buch am Ende anders bewerte als ich es sicher alleine getan hätte. Weil mir sehr viel mehr Informationen zur Verfügung stehen und ich unterschiedliche Ansichten dazu gelesen habe. Das muss nicht unbedingt zum Positven sein, wie Voltaire anscheinend befürchtet, kann auch in die andere Richtung gehen. Meist sehe ich das Buch aber vielseitiger als beim Alleine-Lesen. Allerdings sehe ich darin kein Problem, wieso auch? Meine Meinung zu einem Buch ist sowieso subjektiv, egal, wie viele andere Meinungen ich vorher gelesen habe.


    In meinem Bekanntenkreis lesen zwar einige Leute, aber ein intensiver Austausch über ein bestimmtes Buch kann nicht stattfinden, weil wir nicht gleichzeitig das gleiche Buch lesen. Auch im "Ich lese gerade ..." Bereich findet sich ja selten ein Gleichzeitig-Leser, wenn es kein aktuelles und kein Bestseller-Buch ist. Trotzdem finde ich den Bereich toll, weil man da prima loswerden kann, was einen gerade beschäftigt bzw. auch mal nachlesen kann, was sich ein anderer während der Lektüre gedacht hat.


    Ein Buch, zu dem ich mich wahnsinnig gerne mit jemanden unterhalten würde ist XY von Sandro Veronesi. Kein berührendes Buch, aber eins, das mich mit vielen ??? zurückgelassen hat. Ich hab so ziemliche alle Rezis gelesen, die ich dazu gefunden habe, aber ich hab niemanden gefunden, der dieses Buch mit den ähnlichen Fragen gelesen hat wie ich. Dazu hätte ich gerne eine LR gehabt, dann hätte ich die Fragen zumindest stellen können.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Original von harimau




    Woran erkennt ihr das / glaubt ihr das zu erkennen? Das ist keine rhetorische, sondern eine rein von meiner Neugier angetriebene Frage. :wave


    Diese Frage finde ich auch sehr interessant und schade, dass sie hier etwas untergeht. Ich seh das nämlich auch so wie Booklooker und zu ihrer Erklärung (die sicher auch auf schriftstellerisches Können zurückzuführen ist) möchte ich noch etwas anfügen: Für mich sind solche Herzblut-Bücher immer Bücher, die merklich "anders" sind. Anders aufbereitet oder mich in eine ganz andere Ecke oder Zeit entführen als die, die momentan eigentlich "in" sind. Bei diesen Büchern habe ich dann oft das Empfinden, das sie dem Autor ein Anliegen sind und nicht "einfach mal so" geschrieben wurden. Bestes Bespiel ist Steffi mit ihrem Jadepferd bzw. der verborgenen Botschaft: Komplett ungewohnter Aufbau mit den Rückblenden, dazu ein Gebiet das kaum jemand kennt und das Ganze auch noch gekrönt mit einem Kriminalfall - so ein Mischmasch muss man schreiben wollen und nicht schreiben sollen. Da bilde ich mir zumindest ein, sie hat das aus eigenen Antrieb geschreiben und nicht aufgrund irgendeiner Vorgabe.


    Umgekehrt nehme ich Autoren das Herzbut nicht ab, wenn viele Bücher im gleichen Stil sehr schnell produziert werden, womöglich noch zum gerade aktuellen Trend. Damit müssen diese Bücher nicht unbedingt schlecht sein, aber "Besonderheiten" sind für mich die andere Art von Bücher. Wobei mir natürlich klar ist, dass ich jedem Autor damit etwas unterstelle und genauso falsch wie richtig liegen kann :grin. Vielleicht steckt ja gerade im 30. Buch eines Autors sein Lebenstraum.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Original von Lese-rina
    Diese Frage finde ich auch sehr interessant und schade, dass sie hier etwas untergeht. Ich seh das nämlich auch so wie Booklooker und zu ihrer Erklärung (die sicher auch auf schriftstellerisches Können zurückzuführen ist) möchte ich noch etwas anfügen: Für mich sind solche Herzblut-Bücher immer Bücher, die merklich "anders" sind. Anders aufbereitet oder mich in eine ganz andere Ecke oder Zeit entführen als die, die momentan eigentlich "in" sind. Bei diesen Büchern habe ich dann oft das Empfinden, das sie dem Autor ein Anliegen sind und nicht "einfach mal so" geschrieben wurden.


    Umgekehrt nehme ich Autoren das Herzbut nicht ab, wenn viele Bücher im gleichen Stil sehr schnell produziert werden, womöglich noch zum gerade aktuellen Trend. Damit müssen diese Bücher nicht unbedingt schlecht sein, aber "Besonderheiten" sind für mich die andere Art von Bücher.


    Huhu Lese-rina! :wave Ich habe das auch in diesem Forum häufig bemühte "Herzblut" bisher einfach mit "Leidenschaft" gleichgesetzt, wobei deine Definition für mich eher in Richtung "Herzensprojekt" geht. In diesem Fall kann ich dir durchaus zustimmen. Sein Projekt aus Überzeugung auch gegen den Trend durchzuziehen, wenn man über die nötigen Fertigkeiten verfügt (anderenfalls werden auch die originellste Idee und das größte Engagement nicht ausreichen, um Lesenswertes zu produzieren), kann zu außergewöhlichen, den Leser positiv überraschenden Romanen führen.


    Die Vorstellung, ein Buch "einfach mal so" zu schreiben, kommt mir allerdings etwas sonderbar vor. Ich mag diesbezüglich naiv sein, aber wir reden - zumindest in meinem Fall - von einer Arbeit, die sie auf acht bis fünfzehn Monate erstreckt. Das mache ich nicht einfach mal so, weshalb ich mir vorher gut überlege, worauf ich mich einlasse. Der Versuchung, mit einer auftragsähnlichen Arbeit großes Geld zu verdienen, dürften eh nur die wenigsten Autoren ausgesetzt sein, und die haben es dann meistens nicht nötig. ;-) Ich persönlich hatte zweimal das Angebot, einen Roman um- und einen zweiten unter gewissen Vorgaben relativ frei zu schreiben. Im ersten Fall war mir dies absolut unmöglich (und wäre es auch für eine große Summe gewesen), weil es sich um mein absolutes Lieblingsmanuskript mit großer persönlicher Bedeutung für mich handelt, das so ähnlich oder gar nicht erscheinen soll, im zweiten war es mir für einen Stundenlohn, den ich locker im Taxi verdiene, einfach zu blöd. Angenommen, man hätte mir die zwanzigfache Kohle geboten, wäre ich wohl einverstanden gewesen, hätte aber trotzdem alles gegeben, um im Rahmen meiner Fähigkeiten das bestmögliche Buch zu schreiben. Mein Ehrgeiz und mein Selbstverständnis ließen auch in diesem Fall nichts anderes zu, und ich bezweifle, dass man dem Ergebnis mangelnde Sorgfalt, Kreativität oder Leidenschaft vorwerfen könnte. Es wäre dann, wie du oben schriebst, nicht schlechter, aber den Umständen geschuldet sicher keine Besonderheit.


    Das ist natürlich nur graue Theorie, weshalb ich weiterschreibe, ohne dass mir (vor dem Lektor) jemand reinredet oder ich mit meiner Arbeit jemals reich würde. :grin



    Zitat

    Bestes Bespiel ist Steffi mit ihrem Jadepferd bzw. der verborgenen Botschaft ... Da bilde ich mir zumindest ein, sie hat das aus eigenen Antrieb geschreiben und nicht aufgrund irgendeiner Vorgabe.


    In diesem Fall kann ich dir versichern, dass du mit deiner Vermutung absolut richtig liegst. :-)


    LG harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Lieber Harimau, nicht jeder sieht das so wie du. Letztens habe ich eine in Wuppertal spielende Reihe bzw. Den ersten Teil gelesen. Das war so übel, dass ich nur davon ausgehen kann, dass der Autor sich da gar keine tiefer gehenden Gedanken gemacht hat und auch die Charaktere nicht durchdacht hat. Da bin ich zu dem Schluss gekommen, dass er wohl einfach nur mal ein Buch schreiben wollte. Das ist für mich nicht Sinn der Sache. Das Buch, das ich lese, soll mir die Personen so nahe bringen, dass ich denke, ich kenne sie und am Ende möchte ich das Gefühl haben, dass ich Zeit mit Freunden verbracht habe. Und das ist meiner Meinung nach nur möglich, wenn man sich nur auf das einlässt, was einem aus irgend einem Grund am Herzen liegt.

  • @ Voltaire das mit dem Nacherzählen usw hab ich auch schon oft festgestellt. Für mich persönlich stellt das keinen Sinn dar den ich gehe davon aus das jeder der im jeweiligen Abschnitt etwas postet den auch gelesen hat :grin. Ich schreib dann eher etwas wen ich zB aktuell für den Täter halten könnte ob mir der schreibstil gefällt usw .. meine Postings fallen vielleicht auch deswegen immer eher kurz aus :grin


    Wenn ich einem Buch nichts abgewinnen kann, wie es bei einer Leserunde schon einmal war dann sag ich das auch wenn der Autor dabei ist. Ich bemühe mich dann aber das sachlich zu formulieren so das der Autor sich nicht persönlich angegriffen fühlt. Den es ist eben dann einfach nur nicht mein Ding wie jemand schreibt das ist alles :-)

    e0354.gif


    c0624.gif Sommer in der kleinen Bäckerei am Strandweg--Jenny Colgan

    Chroniken von Deverry 2 --Katharine Kerr
    Drachenelfen , die Windgängerin -- Bernhard Hennen

  • Zitat

    Original von harimau
    Die Vorstellung, ein Buch "einfach mal so" zu schreiben, kommt mir allerdings etwas sonderbar vor.


    Nun, "einfach mal so" habe ich in diesem Zusammenhang flapsig und bewusst übertreiben gewählt, um den Unterschied zum langen (wahrscheinlich jahrelangen) Grübeln über einem Herzensprojekt herauszustellen. Deshalb auch die Anführungszeichen. :wave Mir ist schon klar, dass hinter jedem Manuskript viel Zeit, Mühe und Aufwand steckt.


    Allerdings, und da gebe ich booklooker wieder recht, hat sicher jeder Autor einen unterschiedlichen Anspruch an sich selbst. Dem einen passt der zweite Entwurf und Hauptsache, keine groben Fehler sind enthalten, der nächste schreibt es zehnmal um und ist immer noch nicht zufrieden. Das ist aber m. M. nach eine Typfrage und in vielen anderen Bereichen des Lebens ähnlich.


    Zitat


    In diesem Fall kann ich dir versichern, dass du mit deiner Vermutung absolut richtig liegst. :-)


    Das habe ich mir gedacht und ich finde, gerade bei diesem Buch merkt man das "Herzblut" ganz besonders. Man könnte auch Leidenschaft dafür einsetzen, allerdings nicht (nur) die Leidenschaft am Schreiben, sondern vielmehr die Leidenschaft für den behandelten Stoff.


    Zitat

    Original von Booklooker
    Lese-rina , dann schreit das Buch ja schon fast nach ner LR.
    Finden sich noch mehr, die es lesen würden?


    Das würde mich natürlich sehr freuen. Wenn aber du oder jemand anders das Buch mal alleine liest freue ich mich über jede Rückmeldung im "Ich lese gerade ..."-Bereich, dort habe ich damals einen Thread dazu eröffnet.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021