Inhalt
Man braucht ein starkes Herz, um ohne Wurzel zu leben
Dieses Motto stellt Remarque seinem Buch "Liebe Deinen Nächsten" voran und es spiegelt die Sitution der drei Protagonisten wieder, die sich im Exil befinden. Aus dem Dritten Reichs Hitler ausgebürgert fliehen der politische Flüchtling Joseph Steiner, der Halbjude Ludwig Kern und die jüdische Studentin Ruth Holland in die benachbarten Länder. Überall sind sie ungebetene Gäste und werden wieder ausgewiesen. Daher müssen sich die Emigranten mit verschieden Tricks durchmogeln. Aber auch in ihrer aussichtslosen Lage, begegnet man ihnen manchmal mit einer Menschlichkeit, die sie nicht erwartet, auf die sie gar nicht mehr gehoftt haben.
"Liebe Deinen Nächsten" ist der erste von den vier Romanen Remarques, die das Leben der deutschen Emigranten behandelt. Die drei weiteren Romane sind "Arc de Triomphe", "Die Nacht von Lissabon" und "Schatten im Paradies"/"Das Gelobte Land".
Meinung
Ich habe "Liebe Deinen Nächsten" dreimal begonnen, aber erst beim dritten Mal auch beendet. Woran liegt das? Nicht daran, dass die Handlung langweilig, die Charaktäre unglaubwürdig oder die Sprache schlecht wären. Nein, es ist dieses Gefühl, dass dieses Buch vermittelt. Es ist einfach kein Buch zum Entspannen, keine Wohlfühlliteratur. Die Geschichte der drei Exilanten bedrückt einem beim Lesen.
Remarque stellt die Gefühlswelt, die Ängste und auch die Abgeklärtheit gegenüber der Unmenschlichkeit, die ihnen widerfährt auf beeindruckende Art und Weise dar. Seine Sprache zieht einem in seinem Bann. Man liest und wird von den Schicksalen der Haupterpersonen gefangengenommen. Man hasst mit ihnen, man liebt mit ihnen, man weint mit ihnen. Und in den Momenten, wo man sich denkt, dass einfach alles schrecklich ist, dass man nicht mehr weiterlesen kann, passiert es, dass Remarque aufzeigt, dass es auch Menschen gibt, die geholfen haben. Und wenn es nur kleine Gesten waren bedeuteten sie für Ludwig, Joseph und Ruth doch alles.
Remarques Roman ist eine realistische Schilderung, auch wenn ihm selbst diese Hürden nicht auferlegt worden sind, kennt er sie doch aus Erzählungen und er gibt diesen Menschen eine Stimme, die gehört werden muss.
Ich bin sehr froh, dass ich das Buch nun in diesem Sommer beendet habe. Ich habe auch vor die drei anderen Exilromane zu lesen. "Liebe Deinen Nächsten" kann ich jeden wärmsten empfeheln, auch wenn es nicht ganz an "Im Westen Nichts Neues" heranreicht.
Die Ausgabe, die ich gelesen habe, ist mit einem Nachwort von Tilman Westphalen, einem Remarque-Experten, versehen. Dieses Nachwort bietet aufschlussreiche Hintergrunginformationen, wie die Lage Remarques selbst, aber auch, wie dieses Buch von der Presse beurteilt wurde. Es beleuchtet auch noch einmal einige Aspekte des Romans, wodurch man als Leser noch einmal mehr zum Nachdenken aufgefordert wird.